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09.05.2006
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Herz, Intelligenz und Können

Centro-Matic
John Roderick Of The Long Winters

London, The Borderline
09.05.2006

Centro-Matic
In Deutschland treten sie zwar nur ein einziges Mal - am 23. Mai 2006 in der Oetinger Villa zu Darmstadt - auf, doch insgesamt tingeln die Texaner Centro-Matic und John Roderick, Chefstratege der Long Winters aus Seattle, derzeit rund drei Wochen kreuz und quer durch Europa. Den Auftakt machte eine Show im heimeligen Ambiente des Londoner Borderline. Er sei vom Jetlag gezeichnet, dehydriert und ob der mehrwöchigen Tourneepause ziemlich nervös, erzählte uns Centro-Matic-Kopf Will Johnson vor der Show. John Roderick hatte noch nicht einmal eine Gitarre, und musste sich eine bei Centro-Matic borgen. Alles Anzeichen für ein schlechtes Konzert? Keineswegs, denn dafür sind die Protagonisten einfach zu gut und stehen zudem einfach zu gerne auf der Bühne.

Als J-Rod schon kurz nach 19.00 Uhr (englische Anfangszeiten halt!) auf die Bühne kam, tummelten sich zwar nur ein paar vereinzelte Gestalten vor der Bühne, doch das hielt ihn nicht davon ab, sein Ding routiniert, aber enthusiastisch, selbstbewusst, aber nicht überheblich durchzuziehen. Den Anfang machte "Pushover", der Opener des kommenden dritten Long Winters-Albums "Putting The Days To Bed", das in den Staaten Ende Juli erscheinen wird, und die Nummer unterstrich gleich zu Beginn: Es geht Roderick in erster Linie um die Songs, und deshalb war es keinesfalls schlimm, dass seine Band fehlte. Zumal er die Songs geschickt auswählte und mit "Cinnamon" und dem bereits von Ken Stringfellow und Ben Gibbard (Death Cab For Cutie) gecoverten "It'll Be A Breeze" vor allem die Songs spielte, die sich auch wirklich für eine Soloperformance eigneten. Irgendwann begann er dann einen seiner berüchtigten Dialoge mit dem Publikum, blieb allerdings nur zweiter Sieger. Auf die Frage, ob sein weißes Beinkleid nicht unglaublich schlank mache, kam nämlich umgehend ein "Nicht wirklich!" zurück. Dafür "rächte" sich Roderick dann, indem er zunächst geflissentlich alle Songwünsche aus dem kleinen, aber ohne Frage fachkundigen Auditorium ignorierte und mit "Honest" lieber ein weiteres unveröffentlichtes Highlight präsentierte. Bei der Zugabe ließ er sich dann allerdings doch erweichen und erfüllte mit "Shapes" einen Wunsch - und bewies damit prompt, dass sich nicht alle Long Winters-Songs für eine Soloperformance eignen. Wir freuen uns trotzdem oder gerade deshalb auf die baldige Wiederholung mit der kompletten Band.

Will Johnson mochte vor diesem Auftaktkonzert der Europatournee nicht ganz wohl in seiner Haut gewesen sein, auf der Bühne allerdings merkte man nichts davon. In Nullkommanichts hatten die vier Texaner das Publikum in dem inzwischen gut gefüllten Kellergewölbe in Soho auf ihrer Seite, und das, obwohl sie - wie uns Johnson vor der Show schon gestanden hatte - auch an diesem Abend kein "Best Of"-Programm boten, sondern sich nach dem Eröffnungsstück "Love You Just The Same" (immerhin von 2003) vor allem auf die Stücke des neuen Albums "Fort Recovery" konzentrierten. Was das Songwriting angeht, mag Johnson immer noch das Sagen haben, dass es dagegen auf der Bühne demokratischer zugeht, kann man nicht nur hören, sondern auch sehen: Anstatt in der Mitte stand Johnson nämlich am linken Bühnenrand und überließ Multiinstrumentalist Scott Danborn zumeist das Rampenlicht - der einzig wirklich helle Scheinwerfer leuchtete nämlich lediglich die Bühnenmitte aus. Mit viel Herz, Intelligenz und Können zelebrierten Centro-Matic ihre Melange aus Indierock und Americana und hatten am Schluss sogar noch für eine nette Geste Zeit: Für die letzte Nummer holten sie den gerade einmal neunjährigen (!) Sohn eines Fans und Freundes auf die Bühne und spielten mit ihm zusammen "Fidgeting Wildly" - ohne das Stück vorher je zusammen geprobt zu haben, aber natürlich trotzdem perfekt. Sie können's halt.

Surfempfehlung:
www.centro-matic.com
www.longwinters.com

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

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