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29.06.2006
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Dabei sein ist alles

The Raconteurs
In.Delta Zhivago / Masters Of Dark Fire

Köln, E-Werk
29.06.2006

The Raconteurs
Natürlich war es ein tolles Konzert, schließlich standen hier Musiker von den White Stripes, den Greenhornes und Brendan Benson gemeinsam auf der Bühne, aber ein bisschen konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich bei der gesamten Veranstaltung um einen gigantischen Scherz auf Kosten des Publikums handelte, als wollte die Band sagen: "Habt ihr alle wirklich 25 Mäuse gezahlt, um zwei unter dem Strich eher dilettantische Vorbands zu durchleiden und uns dann dabei zuzuschauen, wie wir uns in weniger als einiger Stunde durch das knappe Dutzend Songs jammen, die wir bisher gemeinsam geschrieben haben?"

Ein Blick auf den beim Mischpult angebrachten Zeitplan verriet: Die Raconteurs hatten von vorneherein nicht vor, länger als maximal eine Stunde zu spielen. Insofern hatte man also gleich zwei Support Bands verpflichtet. Die Masters Of Dark Fire sind eine Schülerband mit einer ungefähr neunjährigen Bassistin als Hauptattraktion, die im E-Werk offensichtlich zum ersten Mal ihre selbst verfassten Songs vortragen durften. Für die Beteiligten auf der Bühne war das mit Sicherheit ein großer Moment und für jene im Auditorium zumindest einer von entspannter Heiterkeit. Immerhin hatte sich das Quartett der spröden New Wave verschrieben und nicht etwa irgendwelchen angesagten Pop-Trends. Noch ein Tipp: Nicht so viele Wörter mit "th" verwenden, bis die Aussprache besser geworden ist! Mit der Aussprache hatten In.Delta Zhivago aus Köln dann weniger am Hut: Hier ging es um das Motto "Schneller, lauter, noch schneller". Gesang wurde in Form von Urschreien dargeboten, ansonsten versuchte man erfolgreich, sich selbst zu überholen. Melodie und Songformat mussten dabei allgemeiner Spielfreude und Adrenalinausschüttung weichen. Mit dieser Art von Energie hätte man notfalls auch ganz Mülheim beleuchten können. Oder aber die Bühne bei den ersten drei Songs der Raconteurs, die vollkommen im Dunkeln blieb...

Nachdem das Publikum auf die Hauptattraktion stilecht mit Ennio Morricone-Songs eingestimmt worden war, stürmten die Raconteurs um kurz nach halb zehn die Bühne und machten erst einmal einen öffentlichen Soundcheck. Das Problem dabei: Der undefinierbare Soundmüll, der für die ersten drei Minuten aus den Boxen schallte, hätte eigentlich gleich das erste Highlight, nämlich die auf der Platte so großartige Led Zeppelin-Hommage "Store Bought Bones", sein sollen. Leider blieb davon in Köln nicht viel übrig. Viel besser dagegen schon die folgenden Nummern "Level" und "Intimate Secretary", wenngleich sich die Band - entgegen ihrer Ankündigung bei unserem Interview wenige Stunden vorher - recht strikt an die Albumversionen hielt. Die Änderungen lagen eher in den Nuancen, die wiederum bisweilen in der (willkommenen) Brachialität und Energie der Performance untergingen.

Ausgerechnet der Monsterhit "Steady As She Goes" hing dann etwas durch: Vielleicht, weil der vertrackte Aufbau des Songs sich einfach nicht für eine Liveperformance eignet, vielleicht, weil Jack White Probleme mit seiner Stromgitarre hatte und so sein Gitarrentechniker während des gesamten Songs zwischen Verstärker und Jacks Tretminen zu seinen Füßen hin- und herwuselte - immerhin bescherten uns die technischen Defekte ein ausgewalztes Intro, bei dem Brendan Benson Improvisationstalent bewies. Ziemlich vorhersagbar dagegen die Stadionrock-Ansagen von White, der sich und der Band damit nur bedingt einen Gefallen tat. War er es nicht, der immer fast verbissen darauf hingewiesen hatte, dass die Raconteurs eine demokratische Band seien und nicht "der von den White Stripes mit seiner neuen Begleitcombo"? Warum spricht er aber dann beim Dialog mit dem Publikum im Singular nur von sich, und warum übernimmt ausgerechnet er es, die Band vorzustellen (während die anderen mit betretener Miene peinlich berührt zu Boden schauen)?

Wie dem auch sei, auf "Steady" folgte mit "Together" gleich der schönste balladeske Moment des Sets, doch selbst das war nur die Einstimmung auf die wahren Höhepunkte. Ungeplant (und unseren Informationen nach erstmals überhaupt) coverten die Detroiter danach nämlich Sonny Bonos "Bang Bang" - und zwar in einer ziemlich überzeugenden Version. Wie die meisten anderen Künstler, die sich an diesem Stück versucht haben, entfernten sich auch die Raconteurs nicht allzu weit vom Original, dennoch hatte die Nummer genug Benson / White-Flair, um das Publikum von einer Verzückung in die nächste fallen zu lassen. Und der nächste Song war sogar noch besser: "5 On The 5" hieß er und war eine überwältigende Bluesrocknummer, die nur so vor Energie sprühte. Auch wenn das ganze Konzert musikalisch ansonsten eher nach Brendan Benson klang - bei dieser Nummer durfte man denken: Aha, so würden also die White Stripes klingen, wenn sie zwei bzw. drei Musiker mehr auf der Bühne hätten. Schließlich hatten auch die Raconteurs noch einen fünften Mann mit dabei, Waxwings-Frontman Dean Fertita spielte am rechten Bühnenrand Keyboards und Gitarre.

Leider war "5 On The 5" bereits der Anfang vom Ende des Mainsets. Nach einem etwas gehetzt klingenden "Yellow Sun" gab's nämlich nach rund einer halben Stunde mit einem fulminanten "Broken Boy Soldiers", bei dem sich die Band wesentlich mehr gehen ließ als bei den zuvor gespielten Albumtracks, schon die letzte Nummer des Mainsets. Die Zugabe begann mit einem weiteren bisher nicht aufgetauchten Song namens "Samuel Sin", einer kantigen Bluesrock-Nummer, die interessanterweise nicht von White, dem ausgewiesenen Bluesexperten der Band, sondern von Power-Pop-Genie Benson gesungen wurde. Mit "Hands" hatten sich die Raconteurs auch noch einen der besten Songs aus dem "Broken Boy Soldiers"-Album aufgespart, um dann ein zweites Mal die Setlist zu ändern: Weil zuvor "Bang Bang" kurzfristig ins Set gerutscht war, gab es das eigentlich stattdessen geplante David Bowie-Cover "It Ain't Easy" also nun im Zugabenblock, leider verdiente sich die Nummer lediglich das Prädikat "nett". Warum dafür die bisher fast allabendlich gebrachten 1A-Cover von Love und den Flamin' Groovies weichen mussten, wurde nicht ganz klar. Zweifellos das Highlight des gesamten Konzertes war dagegen die letzte Nummer: "Blue Veins" klingt auf dem Album fast noch nach den Beatles, in Köln dagegen weitete sich der Song zu einem emotionalen Bluesorkan aus, der zu Recht ganz am Ende stand. Ein versöhnlicher Abschluss also, wenngleich er nach schätzungsweise 53 Minuten doch reichlich früh kam, gerade wenn man bedenkt, dass die Band sowohl einige eigene Songs als auch einige einstudierte Coverversionen nicht gespielt hatte.

Nach White Stripes-Konzerten will so mancher umgehend eine eigene Band gründen, und auch Brendan Benson-Soloshows verlässt man für gewöhnlich vollkommen euphorisiert: Konzerte, bei denen die Zuschauer froh waren, dabei gewesen sein zu dürfen. Den Raconteurs-Auftritt in Köln verließ man dagegen mit dem Gefühl, dass dieses Mal eher die Band der Meinung war, dass das Publikum froh sein durfte, dabei gewesen zu sein. Immerhin.

Surfempfehlung:
www.theraconteurs.com
www.raconteurs.de

Text: -Carsten Wohlfeld & Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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