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15.01.2007
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Einfach perfekt

Sophia

Düsseldorf, Zakk / Dortmund, FZW / Köln, Kulturkirche / Münster, Gleis 22
15.01.2007 / 01.02.2007 / 02.02.2007 / 04.02.2007

Sophia
Eines müsst ihr uns glauben: Allein die Tatsache, dass Gaesteliste.de sich sehr glücklich schätzt, die diesjährige Sophia-Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz präsentieren zu dürfen, wäre für uns noch kein Grund, Robin Proper-Sheppard und die Seinen über den grünen Klee zu loben. Aber dieser Auftritt in Düsseldorf, nicht nur der erste der insgesamt 20 (!) Termine in unseren Breiten, sondern auch das erste Bandkonzert Sophias in diesem Jahr, war ein ganz ausgezeichneter.

Vielleicht hat es schon außergewöhnlichere Konzerte der Band gegeben, zum Beispiel im Jahre 2001 in der Lutherkirche in Krefeld. Wir haben sie auch schon in größerer Besetzung (mit kompletter Band und Streichquartett Ende 2004) gesehen, Robin hat sich auch an anderer Stelle wesentlich mehr mit dem Publikum unterhalten bzw. gezankt (man denke an den Blue Shell-Auftritt in Köln letztes Jahr), und das kurze Konzert im Gebäude 9 letzten Herbst war ganz ohne Zweifel lauter, aber in der Summe war dieses Auftaktkonzert der "Technology Won't Save Us"-Tournee 2007 mit einiger Sicherheit das beste, was wir je miterlebt haben.

Zwar waren Robin und seine fünf Begleiter gekommen, um das aktuelle Album vorzustellen, aber im Gegensatz zum Auftritt im Gebäude 9 vor rund sechs Wochen, als uns Sophia die neuen Songs direkt zu Beginn im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren hauten, indem sie mit dem brachialen "Theme For The May Queen No. 3" (im Zakk gar nicht gespielt) begannen und auch danach kaum die Phonstärke und Intensität zurückschraubten, stand dieses Mal der bewährte, aber dennoch immer wieder passende Opener "I Left You" zuerst auf dem Programm, gefolgt von Robins schönstem "John Lennon-Moment", "Swept Back", und dem ersten, sehr willkommenen Rückgriff auf das 1998er "The Infinite Circle"-Album, "If Only". Drei getragene Songs, behutsam an den etwas raueren Klang Sophias anno 2006 / 07 angepasst, aber trotz ihrer Melancholie in Moll auf ihre Art noch Popsongs.

Sie leiteten über zu den "wahren Popsongs", denn sie wurden gefolgt von gleich drei Single-Auskopplungen, dem aktuellen "Where Are You Now", bei dem Robin "vergaß", dass er die neuen Songs eigentlich bewusst wie Anti-Popsongs klingen lassen wollte, dem live genauso wunderbar wuchtig wie auf Platte daherkommende "Pace" und "Oh My Love", das in seiner derzeitigen Inkarnation mehr Rock als Pop ist, aber genau dadurch gewinnt. Mit "Lost" gab es auch das heimliche Highlight aus "Technology Won't Save Us" zu hören, bevor das Sextett zu alten, lieb gewonnenen Klageliedern zurückkehrte, um uns zwei Songs aus dem 2001er Livealbum "De Nachten" zu präsentieren, das viel zu selten gespielte "Ship In The Sand" und "The Sea", ein sicheres Highlight eines jeden Sophia-Konzertes. Letzteres war ein würdiger Abschluss des Mainsets, wenn der Song auch nicht ganz der Showstopper wie beispielsweise Anfang 2004 im Kölner Gebäude 9 war. Was ausdrücklich als Kompliment gemeint ist, denn statt Höhen und Tiefen zu haben, war dieser Auftritt in Düsseldorf einfach ein tolles Konzert auf gleichbleibend hohem Niveau.

Das änderte sich dann auch bei den Zugaben nicht, für die Sophia - erstmals überhaupt - "Birds" auf die Setlist gesetzt hatten, weshalb Robin schon vor dem Song - unnötigerweise, wie sich herausstellte - um Verzeihung beim Publikum bat, sollten er und seine Band den Song gegen die Wand fahren. Das war eine der wenigen Ansagen, lange Monologe bzw. Diskussionen mit dem Publikum, die bei früheren Shows manches Mal den Konzentrationsfaden hatten reißen lassen, gab es dieses Mal nicht. Mit ein Grund, warum es solch ein schöner Abend war, der nach dem obligatorischen "So Slow" gewohnt intensiv und krachig mit "The River Song" zu Ende ging. Nach dem Konzert versprach uns der geradezu ungewöhnlich gut gelaunte Gefühlsmensch Robin dann noch, dass es bei den weiteren Shows noch eine Reihe anderer Songs, einige von ihnen womöglich bisher nie live gespielt, zu hören geben werde. Nicht nur deshalb: Wir kommen wieder!

Dortmund, FZW, 01.02.2007

In den zwei Wochen seit dem Tourstart hatte sich auf den ersten Blick nicht viel geändert: Robin war trotz des ebenso ausgedehnten wie dichtgedrängten Tourneeplans immer noch bester Laune, auch in Dortmund redete er weniger, als wir das für gewöhnlich von ihm kennen, und auch die Setlist war seit dem Eröffnungsabend im Zakk praktisch unverändert. Nun gut, "Bad Man" hatte sich am Ende des Mainsets zu den anderen beiden "De Nachten"-Songs gesellt, aber ansonsten waren Robin und die Seinen ihrem gut durchdachten "Greatest Hits"-Set treu geblieben. Dass es trotzdem ein hörbar anderes Konzert wurde, spricht für die außergewöhnliche Musikalität der Band.

Nachdem der von uns bereits an anderer Stelle gewürdigte Malcolm Middleton den Abend stilvoll mit einem Set eröffnet hatte, das gerne hätte länger sein dürfen, spielten Sophia im Anschluss zwar die gleichen Songs wie zwei Wochen zuvor, ließen es sich aber nicht nehmen, gerade bei den oft langgezogenen (aber nie ausufernden) Endings zu improvisieren und so den altbekannten Nummern wertvolle neue Nuancen hinzuzufügen. Vor allem Gitarrist Adam Franklin war dabei in seinem Element und steuerte in seiner fast schon wieder aufreizend unaufdringlichen Art einige phantastische Soli bei. Zwar hatte Robin am Nachmittag vor dem Konzert im Sophia-Forum die sanfte Kritik an der Konzentration auf die immer gleichen 17 Songs (und damit am Verzicht auf einen Großteil des beachtlichen Sophia-Oeuvres) noch zurückgewiesen, während des Konzertes ließ er sich dann allerdings doch erweichen und änderte die Setlist: Für "Woman" rutschte "Within Without" ins Set und hängte die Albumversion problemlos um Längen ab, indem der Song dem gleichen "Alles etwas lauter, alles etwas rauer, alles dadurch noch emotionaler"-Treatment unterzogen wurde wie die meisten der alten Songs.

Die eigentliche Überraschung des Abends allerdings war das ebenfalls kurzfristig ins Programm genommene "Bastards", das in Dortmund nicht nur seine Premiere auf der "Technology Won't Save Us"-Tournee feierte, sondern mit einem unglaublich intensiven Gesangspart Robins unterstrich, warum es keinesfalls schadet, hier und da auf selten gespielte Songs zurückzugreifen: Eine solch hochkonzentrierte Ensembleleistung haben wir von Sophia schon lange nicht mehr gehört - bester Beweis für die These, dass bei den allabendlich gespielten Songs hier und da die angestrebte Perfektion und ein sich einschleichendes Umschalten auf Autopilot nah beieinander liegen können. "Bastards" jedenfalls war ohne Zweifel das Highlight des Abends, und auch Robin schien Gefallen an der Änderung des Programms gefunden zu haben. Jedenfalls ließ er uns wissen, dass der Song am Tag darauf wieder gespielt werden würde.

Die gute Laune bewahrte er sich auch bei der Zugabe, als er bei einem der seltenen Dialoge mit dem Publikum wissen wollte, warum bei der "People Are Like Seasons"-Tour stets Frauen in der ersten Reihe gestanden hätten, wohingegen es nun auf der aktuellen Gastspielreise fast ausschließlich Männer seien. Seine Vermutung, dass es könnte am wuchtigeren Sound der Band liegen ("So you guys like to rock?"), wurde fast einstimmig bestätigt, und deshalb konnte er sich danach nicht verkneifen, die erste Zugabe als den "härtesten Song von 'Technology Won't Save Us'" anzukündigen, nur um dann das countryeske Schlaflied "Birds" zu bringen. Robins bester Spruch des Abends, zumindest für diejenigen, die seine Tiraden gegen den Lichtmenschen des WDR-Rockpalasts und dessen Flutlichtbeleuchtung aus dem letzten November noch im Ohr hatten, betraf allerdings die Sichtverhältnisse auf der ausschließlich in Gegenlicht getauchten Bühne: "I know it's fucking ironic, but can we please have some light on stage?"

Köln, Kulturkirche, 02.02.2007

Das Konzert in Köln begann ungewohnt: Wann begegnet man schon einmal einem Pastor, der seiner Gemeinde respektive den Sophia-Konzertbesuchern nahelegt, doch ruhig das ein oder andere Bier in seinem Gotteshaus zu trinken? In der Kulturkirche war der Alkoholgenuss nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht - mit einer Brauerei als Sponsor kamen so zusätzliche Einnahmen für die Veranstalter in die Kasse. Unverändert dagegen das kurze Programm von Malcolm Middleton - einmal abgesehen davon, dass er sich nicht traute, in der Kirche "Fuck It, I Love You" explizit anzusagen. Danach hatten sich Sophia in den Kopf gesetzt, auch das Konzert an diesem ungewöhnlichen Ort mit der gleichen Setlist wie immer zu bestreiten, und paradoxerweise sorgte gerade dieser Umstand dafür, dass es trotzdem ein völlig anderes Konzert als in Dortmund oder Düsseldorf wurde. Ob es am Respekt vor der Location lag, daran, dass die Band schlichtweg müde war, oder vielleicht doch daran, dass die Musiker nicht mehr den gleichen Enthusiasmus für die immer gleichen Songs aufbringen konnten - jedenfalls war der Auftritt in Köln eine ziemlich zurückhaltende Angelegenheit, wollte man Robin und den Seinen etwas Böses, könnte man ihn streckenweise sicherlich auch als behäbig bezeichnen. Immerhin gab es Ablenkung von der Musik: Hinter den Musikern war eine große Leinwand, auf die Bühnen-Geschehen projiziert wurde - in bester "Rockpalast 77"-Manier übrigens, was Kameraführung und Bildschnitt anging. Die Multimediashow hatte Robin zwar kurzfristig noch abzublasen versucht, aber ansonsten war er bestens gelaunt, entschuldigte sich beim Pastor für den Jesus-lastigen Text von "Where Are You Now?" (bei dem das sakrale Orgelsolo an diesem Abend maximale Wirkung erzielte) und bat auch die Nachbarn um Verständnis dafür, dass mit "Desert Song No. 2" und "The River Song" auch dieses Mal die mit Abstand lautesten Songs erst gegen 23 Uhr auf dem Programm standen. Nicht nur, weil er es gleich mehrfach erwähnte, war Robin sichtlich angetan von seinem Auftrittsort, und so gab es dann zum ersten Mal auf der gesamten Tour eine zweite Zugabe, die er solo bestritt. Noch dazu mit zwei Songs, die besser nicht hätten gewählt sein können. Zuerst gab es "The Death Of A Salesman" aus dem auf dieser Tournee etwas unterrepräsentierten Sophia-Erstling "Fixed Water", und als krönenden Abschluss dann noch den Fan-Favoriten "Directionless", entstanden einen Monat nach der Geburt von Robins Tochter Hope, die unlängst ihren zehnten Geburtstag feierte. Oder wie er einleitend meinte: "Ten years is a long time to be directionless".

Münster, Gleis 22, 04.02.2007

Dass sie im Gleis 22 den Bands etwas in die Getränke tun, das diese dazu veranlasst, außergewöhnliche Songs nur in Münsters Club Nummer 1 zu spielen, vermuten wir ja schon länger, und auch Sophia und Malcolm Middleton bildeten da keine Ausnahme: Letzterer ließ sich nämlich erweichen, seinen Hit "Loneliness Shines" (noch dazu in einer geradezu sensationellen Version) als Schlussnummer in sein kurzes Set einzubauen, und auch Robin hatte eine Überraschung parat: Die Tournee-Premiere von "Big City Rot" nämlich, das gleich zu Beginn auf dem Programm stand und Adam die Chance gab, mit der Gitarre um den Hals lässig an der Wand zu lehnen, bis die Band nach der Hälfte des Songs einsetzte. Die Nummer unterstrich einmal mehr, wie gut es der Band tut, ab und zu neue Songs zu spielen. Trotz des balladesken Charakters des Stücks war das Energie- und Kommunikationslevel auf der Bühne dabei ungleich höher als beim gesamten Kölner Konzert! Es war zwar ein wenig ungewohnt, einmal nicht "I Left You" am Anfang zu hören, doch auch "Big City Rot" funktionierte glänzend als Einstimmung auf den Rest des Abends im übrigens restlos ausverkauften Gleis. Hier und da merkte man der Band zwar an, dass dies der drittletzte Tag der Tournee war (so fiel zum Beispiel das an den beiden vorherigen Abenden spontan hinzugefügte "Bastards" aus, "Within Without" klang dafür ungewohnt ruppig), aber das Publikum fühlte sich augenscheinlich trotzdem bestens unterhalten. Das durfte es auch, denn selbst wenn Sophia den Düsseldorf-Auftritt vom Beginn der Gastspielreise auch in Münster nicht übertreffen konnten - ein so durchgängig hohes Niveau hat die Band wohl noch auf bisher keiner Tour erreicht!

Surfempfehlung:
www.sophiamusic.net

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

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