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08.02.2008
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Gesundschrumpfung

Se Sichelzecken

Mülheim, AZ
08.02.2008

Se Sichelzecken
Eigentlich sind wir ja bei Gaesteliste.de besonders stolz darauf, dass die Musik bei unseren Artikeln immer im Mittelpunkt steht, diesen Review des Auftritts der Köln-Mülheimer DIY-Deutsch-Punks Se Sichelzecken im "anderen" Mülheim müssen wir aber dennoch mit einer ausführlichen Würdigung der Outfits der vier Musiker beginnen.

Wortführer und Gitarrist Oile Lachpansen, ausgewiesener Experte für Oberlippenbartpflege, trug zu seinen Jeans und seinem weißen T-Shirt eine Old-School-Kappe, die er entweder einem Croupier im Spielcasino stibitzt, einem Ghetto-Kid in den 80ern weggenommen oder noch aus seligen YPS-Heft-Zeiten zu Hause herumliegen hatte! Der Gilb am Bass trug ein Karo-Jackett und eine feine breite Krawatte, aber kein Hemd dazu! Sänger und Gitarrist Kiba Kalkei, der nicht nur ob seiner Brille fast als Graham Coxons Zwilling durchgegangen wäre, trug ein Berlin-Retro-Shirt und eine schnieke Mütze mit heruntergeklappten Ohrenwärmern! Der bestgekleidete Mensch auf der Bühne war allerdings der Aushilfsschlagzeuger Das Pillenwesen (Ex-Wohlstandskinder), der zu seiner vom Kölschen Karneval übriggebliebenen Narrenkappe stilecht ein Slayer-T-Shirt trug! Der etatmäßige Schlagzeuger Das Phantom, mit gebrochenem Arm außer Gefecht, soll übrigens auch zugegen gewesen sein, hatte sich laut Oile aber wieder einmal unsichtbar gemacht...

Doch nicht nur wegen ihres Aussehens musste man die Sichelzecken einfach lieben. Dabei war das Konzert leider eine recht traurige Veranstaltung, was die Resonanz anging. Die zuerst auftretende HC-Combo mit dem famosen Namen Alarmstufe Gerd, die kurzfristig die ausgefallenen Undressed Army - wie gerne hätten wir deren "Die Bravosupershow soll sich ficken" gehört! - ersetzte, noch ein paar Leute im vornehmlich jugendlichen Publikum dazu gebracht, sich herumzuschubsen, und als Headliner waren ja auch noch Pornoheft am Start, Se Sichelzecken hatten an diesem Abend dagegen etwas damit zu kämpfen, dass sie als Punkband für die Autonome Szene vermutlich etwas überqualifiziert sind. Die lässige Ironie, mit der sich die Kölner inszenieren, verpuffte an diesem Abend leider wirkungslos, was die Band allerdings mit Humor nahm. Nachdem sie den Laden nach nur wenigen Liedern halb leer gespielt hatte, meinte Kiba trocken, das Publikum habe sich nun "gesundgeschrumpft"!

Vielleicht hätten die vier gut daran getan, bei diesem Auftritt ihre, nennen wir es mal, "hormongesteuerte" Seite mehr herauszukehren? Auffällig war jedenfalls, dass Nummern wie "Was soll das sein, eine Generation" oder "He-Man plus Skeletor" mit Abwesenheit glänzten und dafür neue Songs wie Kibas "Tiger" aus der für April angekündigten neuen Platte nachgerückt waren, die bewiesen, dass unser schon bei der Rezension des ausgezeichneten letzten Albums angeführter Vergleich mit Muff Potter nicht so verkehrt war, der richtige Soundtrack für die Nachwuchs-Punks, die sich an diesem Freitagabend ins AZ verirrt hatten, war das aber nicht. Doch genug der Kritik, schließlich sind wir (dennoch) begeistert nach Hause gegangen!

Begeistert vom wirklich beachtlichen Können der vier an ihren Instrumenten, begeistert vom - trotz der alles andere als großartigen technischen Ausstattung des AZ - ungemein druckvollen Sound, der mehr als einmal an die sensationellen Superchunk erinnerte, begeistert von Songs wie "Noie Scheibe" oder "Hohn, Scheine, Sterben", begeistert vom Enthusiasmus, den vor allem Das Pillenwesen am Schlagzeug während des gesamten Auftritts an den Tag legte, und nicht zuletzt auch begeistert von großartigen Ansagen wie Oiles "Wenn ihr den nächsten Song mögt, könnt ihr euch eigentlich unser Album kaufen" oder Kibas treffendem Urteil über das Mülheimer Publikum: "Ihr seid... okay!"

Natürlich wäre die Begeisterung größer gewesen, wenn der Laden voll, das Set - bei dem die Band mit dem Schlussstück "Sichelroad" auch noch eine gewisse Metal-Affinität bewies - länger und die Stimmung bierseliger gewesen wäre, aber das heben wir uns einfach für das nächste Mal auf. Dass wir Se Sichelzecken nicht zum letzten Mal gesehen haben, steht jedenfalls fest!

Surfempfehlung:
www.se-sichelzecken.de.vu
www.myspace.com/thesichelzecken

Text: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
 

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