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20.03.2010
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Mit Wucht!

Retribution Gospel Choir

Köln, MTC
20.03.2010

Retribution Gospel Choir
"Ich fand unser Debüt nicht radikal genug. Irgendwie hielten mich zu viele Zweifel ab, die Sache rigoros durchzuziehen", sagte Alan Sparhawk unlängst in einem Interview über den alles andere als schlechten selbstbetitelten Erstling des Retribution Gospel Choir aus dem Jahre 2008. Für das vor wenigen Wochen erschienene Nachfolgewerk "2" hat der Amerikaner seine Zweifel dagegen über Bord gehen lassen, denn inzwischen klingt der Retribution Gospel Choir keinesfalls nur noch wie der kleine, lärmende Bruder von Sparhawks anderer Band Low, sondern wie ein eigenständiges, zudem erfreulich ambitioniertes Projekt, in dem Rock Neil Young'scher Prägung, Prog-Avancen, Classic Rock und sogar einige Anleihen beim Heavy Metal zusammenfließen.

Beim Tourstopp in Köln bewies das gleich der erste Song. "Take Your Time" ist nämlich eigentlich ein Stück von Low, wurde aber vom RGC als launische Rocknummer gespielt, bei der besonders die Rhythmusgruppe - Bassist Steve Garrington und Eric Pollard am Schlagzeug - zum ersten, aber definitiv nicht letzten Mal an diesem Abend mit einem groovenden Fundament glänzen konnte. Außerdem machte es wirklich Spaß, den beiden bei der Arbeit zuzusehen: Garrington wiegte sich permanent - und zumeist mit geschlossenen Augen - im Takt der Musik, während Pollards Grimassen eindrucksvoll unterstrichen, wie sehr er in der Musik seiner Band aufgeht. Dazu schüttelte er sein langes Haupthaar, nachdem er sich während der ersten Strophe des ersten Songs des Haargummis entledigt hatte, das seine Matte zuvor gezähmt hatte.

Auf "Take Your Time" folgten zwei kurze, knackige Popsongs ("For Her Blood" und "Workin' Hard"), die einen prima Kontrast zu dem bildeten, was folgte: "Poor Man's Daughter" war schon vor zwei Jahren beim Konzert im Düsseldorfer Zakk ein Highlight gewesen und ist ohne Frage das Herzstück von "2", doch in Köln wuchs sich das Stück zu einem echten Orkan aus. Auf der Platte weniger als sechs Minuten lang, dauerte die ausufernde, aber dennoch ungemein wuchtige Liveversion im MTC knapp zehn Minuten und bot Sparhawk viel Raum, wie besessen auf der Bühne herumzuspringen und am Ende seine Stromgitarre sogar wie Jimi Hendrix selig mit den Zähnen zu spielen! Danach bot die erste Hälfte von "Kids" Gelegenheit zum Durchatmen, bevor mit dem unwiderstehlichen "Breaker" der nächste willkommen krachige Ohrwurm auf dem Programm stand. Überhaupt war die Setlist - auf der, nebenbei bemerkt, "Your Bird" lustigerweise als "Ur LarryBird" verewigt war - äußerst gut getimt, und das, obwohl die Band in Köln die Reihenfolge im Vergleich zu den vorangegangenen Konzerten fast vollständig durcheinandergewirbelt hatte. So folgte auf das anspruchsvolle "They Knew You Well" das trotz seines deutlich verlängerten Prog-Intros äußerst eingängige "Hide It Away", und "Something's Going To Break", eine der wenigen Nummern des aktuellen Albums, die man sich auch von Low vorstellen könnte, machte den Weg frei für das finale Zehn-Minuten-Gitarren-Workout, treffend "Electric Guitar" betitelt.

Richtig abwechslungsreich dann die Zugabe: Mit dem auf der Platte nur als Fragment enthaltenen Instrumental "'68 Comeback" (in Köln gut dreimal so lang wie auf "2") wurde keinesfalls Elvis, sondern Black Sabbath gehuldigt, und mit "Destroyer" gab's noch einen letzten Abstecher in Low'sche Klanggefilde. Eigentlich hätte es danach vorbei sein sollen, doch Sparhawk hatte offenbar gute Laune und ließ dem eigentlich perfekten Schlusssong noch ein herrlich-bizarres Finale folgen. Als letzten Song spielte der RGC nämlich "This Life Makes Me Wonder" der jamaikanischen Kultfigur Delroy Wilson und fügte so seiner beachtlichen soundtechnischen Bandbreite auch noch Reggae hinzu!

Da war nicht nur die Dame hinter uns, die jeden zweiten Song kreischend (!) begrüßte, als stünden dort die Beatles '64, und nicht der RGC anno 2010 auf der Bühne, zu Recht restlos begeistert!

Surfempfehlung:
www.retributiongospelchoir.com
www.myspace.com/retributiongospelchoir

Text: -Simon Mahler-
Foto: -Simon Mahler-
 

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