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28.04.2011
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Katzen in der Kirche

Lisa Germano
Moddi

Ottersum, Cultureel Podium Roepaen
28.04.2011

Lisa Germano
Zu einer ungewöhnlichen Kombination kam es, als zu dem bereits langfristig angesetzten Solo-Konzert von Lisa Germano im niederländischen Ottersum noch eines der norwegischen Band Moddi hinzukam. Pal Moddi Knudsen - der namensgebende Kopf des Projektes - war auf Empfehlung von Kolleginnen wie Ane Brun auf die Location in der Klosterkapelle zu Roepaen aufmerksam gemacht worden und freute sich wie ein kleiner Junge, als es nach längerer Wartezeit zu einem Auftritt im Rahmen der gerade begonnenen Tour kommen konnte.

Moddi ist in dem Sinne ein typischer Skandinavier, als dass er blond ist und sich mit melancholischer Musik im weitesten Sinne beschäftigt. Dass er sein Debüt-Album "Floriography" darüberhinaus in Reykjavik zusammen mit Produzent Valgeir Sigurdsson (Björk) einspielte, hört man aus seiner Musik ebenso heraus, denn Moddis Songs kommen mit der gleichen, schleichenden Grandezza und hymnischen Qualität daher, wie jene vieler seiner isländischen Kollegen. Aber Moddi ist auch anders: Er selbst spielt (auch live) lieber Akkordeon als Gitarre (das Akkordeon hatte er ursprünglich bei seiner Mutter geliehen) und tritt momentan in der Besetzung Bass, Perkussion und Violine auf, wobei er seinen Musikern, insbesondere der Violinistin, breiten Raum zur Entfaltung bot. Moddi selbst sagt, seine Songs wüchsen langsam wie Kinder und in der Tat unterscheiden sich die Live-Versionen durchaus von jenen der CD. Dies lag nicht nur, aber auch an der leicht veränderten Besetzung. Da weder seine Cellistin noch seine angestammte Violinistin auf dieser Tour dabei sein konnten, spielte er mit einer neuen Geigerin namens Julia, die mit ihrem Spiel immer neue Akzente setzte und - ganz nebenbei - mit ihren Bewegungen deutlich machte, dass Moddis Songs deutlich mehr kinetische Energie besitzen, als dies die sehr getragene Darbietung auf der CD vermuten ließ. Es ist dabei im Übrigen bemerkenswert, welche Intensität da von der Bühne strömt, denn die leicht verklärte Distanz, die skandinavische Kollegen oft aufbauen, sucht man bei Moddi vergebens. Sicher, der Mann ist schüchtern und spricht nicht viel, legt aber in seine brüchige und angenehm warme Stimme so viel Inbrunst und Kraft, dass dies kaum auffällt. Moddi kommuniziert tatsächlich über seine Musik. Die Tracks bauschen sich dabei gerne mal von einem Flüstern zu einem Sturm auf (wie etwa der Titeltrack seiner ersten EP, "Rubbles"). Natürlich stammten die Songs großteils von seiner CD, aber er spielte auch mehrere neue Stücke, die sich allesamt im gleichen Spektrum bewegten, wie der Rest - was ausdrücklich keinen Minuspunkt darstellte, da Moddis Konzept eben rund und schlüssig ist. Nettigkeiten wie einen Perkussionisten, der seine Trommeln mit echten Reisigbesen bearbeiteten und ein Bassist, der mittels Effektgeräten und E-Bow ganze unterschwellige Klang-Imperien erschuf, rundeten die Sache ab. Das freute auch das Publikum, das - der Location angemessen - aufmerksam lauschte und dem Meister und seine Musiker zu einer Zugabe herausbat, was - auch an dieser Stelle - für einen Support Act eher ungewöhnlich ist.

Lisa Germano ist sich ihrer Limitierungen durchaus bewusst und räumt diese in Gesprächen auch unumwunden ein. Aber: Sie lässt sich davon ihrerseits keineswegs einschränken, sondern tut immer das, was sich instinktiv für den Moment richtig anfühlt. Das kann dazu führen, dass ihre Konzerte zwischen Momenten der inspirierten Brillanz und katastrophalem Gestochere schwanken (was hier ausdrücklich nicht der Fall war) - es kann aber auch dazu führen, dass sie eine Solo-Tour am Konzertflügel bestreitet, obwohl sie dieses Instrument nur mittelprächtig beherrscht. (Als Kind musste sie Piano spielen und hat eine zwiespältige Einstellung zu dem Instrument.) Es waren - trotz aller soundtechnischen Manipulationen ihrer Produzenten - aber nie die Arrangements, die Lisas Songs ausmachten, sondern immer die Melodien, Performances und Vocals. Ergo macht es in Lisa Gemano'schen Sinne instinktiv Sinn, solo Piano-Konzerte zu geben. Und etwas zeichnet Lisas Konzerte sowieso besonders aus: Es ist nämlich die einzige Möglichkeit, herauszufinden, wovon ihre textlich sehr poetisch und - sagen wir mal - blumig codierten Songs überhaupt handeln. Wenn sie sich nämlich danach fühlt, erzählt sie kleine Geschichten zu diversen Songs. Wie etwa jene zum Titelsong ihrer letzten CD "Magic Neighbor". Die besungene Nachbarin war so eine Art böse Hexe, die ihre Katzen einschläfern ließ, um sich lieber einen "L.A. Dog" zuzulegen. Bei Katzen freilich hört bei Lisa Germano der Spaß auf. Selbst in vollkommen ernst gemeinten Presse-Interviews erzählt Lisa eigentlich lieber von ihren Katzen als von sich selbst und die Fans lässt sie - zumindest indirekt - über ihre Songs an diesem Katzenleben teil haben. So erfuhr das Publikum bei diesem Konzert beispielsweise, dass der Songs "Suleiman" - von besagter CD - von ihrer Katze geschrieben worden sei. Was erklärt, warum sich dieser stellenweise eben anhört, als liefe eine Katze über die Tasten.

Langer Rede, kurzer Sinn: Lisa (und ihre Katzen) verwandten dieses Stück dazu, die besagte Nachbarin zu vertreiben, indem sie dieses oft laut spielten; was schlussendlich auch gelang. Die Atmosphäre war dem Rahmen natürlich angemessen: Man hätte eine Stecknadel fallen hören können und selbst zu husten wagte kaum jemand. Lisa irritierte das eher: "Ihr seid alle so leise - das ich beängstigend. Sollen wir vielleicht zusammen in die Kirche gehen?", meinte sie - um dann später hinzuzufügen: "Ich kann gar nicht erkennen, ob ich euch erreichen kann." Hier hätte sie sich mal keine Sorgen zu machen brauchen - es halt so, dass das europäische Publikum (und insbesondere das holländische) gerne zuhört bei solchen Anlässen. Lisa beschränkte sich bei Songauswahl auf die letzten drei Alben, "Lullaby For Liquid Pig", "In The Maybe World", und das besagte "Magic Neighbor", die sie in Blöcken von mehreren Songs präsentierte. Dies rundete sie aber ab mit der alten OP8-Nummer "It's A Rainbow" (ein Stück über Alkohol-Abusus, wie man hier erfuhr), die sie geschrieben hatte. Stolz ließ sie noch einfließen, dass sie es gewesen war, die Joey Burns ermuntert habe, mit dem Singen anzufangen (das tat bei OP8 neben ihr hauptsächlich Howe Gelb). Letztlich führte das dann zu dem Erfolg von Calexico. Dass das Konzert bald darauf ohne Zugabe zu Ende ging, war vielleicht gar nicht so schlecht, denn mehr wäre hier nicht unbedingt mehr gewesen. In diesem Umfeld nämlich offenbart sich, dass Lisas Songs von der Melodie- und Harmonieführung doch recht ähnlich erscheinen. Sei es drum: In einem solchen Ambiente wird man Lisa Germano so schnell nicht mehr erleben und somit war es sicherlich wichtig, dass sie diese Tour in dieser Form durchführte.

Surfempfehlung:
www.lisagermano.com
www.myspace.com/lisagermano
www.moddi.no
www.myspace.com/moddimusikk

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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