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07.10.2012
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Herrentorte

Roepaen Festival

Ottersum, Cultureel Podium Roepaen
07.10.2012

The Greater Good
Bereits in die sechste Auflage ging das diesjährige Roepaen Festival im niederländischen Ottersum. Waren die Veranstaltungen der letzten Jahre eher zu einem Showcase in Sachen Americana allgemein geworden, so wurde dieses Jahr eine reine Folksinger-Angelegenheit geboten. Und zwar ohne Damenbeteiligung. Dass Rachel Jones als Harmoniesängerin bei Matt Harlan mit dabei war (der erst eine Woche vorher mit seiner dänischen Band The Infidels in Roepaen aufgetreten war), lag schlicht daran, dass sich die beiden gerade am Tag zuvor verlobt hatten. Was insofern ein Glücksfall war, als dass Rachel mit ihren Beiträgen Matts Vortrag "rettete".

Die Sache ist nämlich die: Matt Harlan ist ein wackerer Vertreter seiner Zunft. Ein Arbeitstier aus der amerikanischen Provinz, der unermüdlich für seine Sache wirkt - einfach, weil er nicht anders kann. Matt ist ein brillanter Instrumentalist (zuweilen hörte sich das an, als spiele er zwei Gitarren gleichzeitig) und ein Musiker, der sein Los stoisch akzeptiert - wohl wissend, dass es mit der steilen Karriere wohl nichts mehr werden wird. Denn als Songwriter und Sänger ist er bestenfalls okay. Was daran liegt, dass aufgrund des ganzen Stoizismus und der daraus resultierenden Routine Matt Harlan nicht besonders aufregend rüberkommt. Was darind begründet sein mag, dass sein Leben nicht besonders aufregend ist. Die Themen, die er verarbeitet - heruntergekommene Hotels etwa oder den langsamsten Zug der Welt -, beschreibt er im "What You See Is What You Get"-Stil in etwa so, wie er das Ganze sieht. So what? Fragt sich da der Zuhörer. Eine Botschaft ist da nicht wirklich zu erkennen. Nur dann, wenn er aus dem Schema ausbricht - mit einer jazzigen Swing-Nummer etwa oder einer Cover-Version von Townes "Snowing On Raton" (Rachel und Matt haben sich über Townes Van Zandt kennen gelernt) - macht Matt Harlan auf sich aufmerksam.

Ganz anders dahingegen Drew Landry aus Lafayette, Louisiana. Der knorrige Mann mit der knödeligen Südstaaten-Stimme ist - im positivsten Sinne - ein Redneck wie er im Buche steht. Inklusive Baseball-Käppi, Rauschebart und politischer Agenda: Als Aktivist hat er den Oil-Spill vor der Golfküste bekämpft und begleitet. Nebenher ist er auch ein umtriebiger Musikant, der etwa mit Dr. John zusammen den Titel "3rd World Blues" als Soundtrack zu den Oil-Spill-Protesten verfasste oder mit dem kürzlich verstorbenen Bobby Charles befreundet war, dem er ebenso einen Song widmete wie seiner im Mai verstorbenen kleinen Schwester. Das alles vollkommen unsentimental, glaubwürdig und bodenständig. Anders, als das, was sein Vorgänger zu berichten hatte, interessierte das, was Landry zu sagen hatte - auch wenn er aufgrund seines mächtigen Southern Drawl nur schwer zu verstehen ist. Übrigens ist Landry seit kurzem Blue Rose Recording Artist.

Dan Krikorian stammt aus Kalifornien und machte von allen Anwesenden auch den sonnigsten Eindruck. Allerdings ist er wieder ein Vertreter jener Zunft, die konsequent mit geschlossenen Augen singen. Sicher: Das dient aus Sicht des Vortragenden der Konzentration. Wenn das aber in dieser Konsequenz geschieht, wie Krikorian das praktiziert, dann stellt sich ganz schnell der Eindruck ein, dass der Künstler nicht gestört werden möchte - bzw. am liebsten für sich alleine sei. Das war hier der Fall. Krikorian vertont Männerschmerz, ist dabei allerdings noch so jung, dass man sich fragt, warum er das eigentlich tut.

Nach einem Wechsel in den Nachtclub stellte sich dann ein Hauch von Woodstock ein. Es gab hier nämlich das Debüt der Band The Greater Good, die aus drei eigenständigen Songwritern besteht, die insbesondere mit Harmoniegesängen zu brillieren wussten und die Ansage "das ist erst das zweite Mal, dass wir vor Publikum spielen" im Gepäck hatten. Wer sich da nicht an Crosby, Stills & Nash erinnert fühlte, hatte seine musikhistorischen Hausaufgaben nicht gemacht. Der Niederländer Dennis Kolen und seine beiden amerikanischen Freunde Shane Alexander und Eugene Ruffalo sind allesamt als Solo-Songwriter tätig (die in dieser Band die eigenen Aspirationen zugunsten der gemeinsamen Sache The Greater Good hintanstellten) und in dieser Funktion allesamt auch Roepaen-Veteranen. Und hier hatte man dann jene Sorte von Songwritern, die genau begriffen haben, wo der Hase im Pfeffer liegt. Bestes Beispiel etwa Shane Alexanders Song "Nowhere Fast". Auch dieses ist ein Song über einen Zug. Anstatt diesen aber zu beschreiben (wie das etwa Matt Harlan machte), nutzte Alexander das Motiv des Zuges als Metapher für eine persönliche Bestandsaufnahme und eine philosophische Betrachtung im Allgemeinen. (Ganz mal davon abgesehen, dass er auch noch eine komische - nämlich weil er auf den holländischen Autobahnen ständig geblitzt worden war.) So geht modernes Storytelling richtig. Und wenn das dann noch - wie in diesem Fall - mit größtmöglicher Präzision und feinsinniger musikalischer Perfektion (auch The Greater Good spielten rein akustisch) umgesetzt wird, dann funktioniert das ganze auch.

Im kleinen Saal hatte es sich inzwischen Ben Arnold bequem gemacht. Arnold war natürlich in seiner Funktion als Mitglied der Americana-Supergroup US Rails anwesend, in der er mit Joseph Parsons, Tom Gillam, Matt Muir und Scott Bricklin tätig ist. Dass er darüber hinaus auch als Solo-Künstler tätig ist, hatte er "selbst fast schon wieder vergessen", wie er sagte. Deswegen brauchte es eine gewisse Zeit, bis er in den Groove fand. Währenddessen haderte er mit seinen "drei Händen" und dem Digitalpiano. Das kam nicht immer humorvoll und souverän rüber - obwohl es vielleicht so gedacht war. Insgesamt schlich sich der Eindruck ein, Arnold betrachtete diesen Auftritt als eher unangenehm. Erst als Matt Muir und Tom Gillam hinzukamen, taute Arnold endgültig auf. Musikalisch gab es da eigentlich nicht viel zu meckern: Der knorrige Arnold präsentierte sein Set mit einer Prise Blues, Boogie und Soul - aber so richtig mitreißen konnte der Mann aufgrund seiner persönlichen Verfassung nicht wirklich. Nach der Essenspause ging es dann noch mit einem Auftritt der kompletten US Rails-Truppe, einem akustischen Set von Shane Alexander, Eugene Ruffalo und Dennis Kolen und einem Auftritt des US-Blues-Barden Patrick Sweaney aus Ohio weiter. Insgesamt bot diese Veranstaltung einen Überblick über die momentane US-Standard-Singer-Songwriter Szene. So weit, so gut - das nächste Mal bitte dann aber mal mit Damen und auch gerne ein wenig internationaler.

Surfempfehlung:
www.cultureelpodium.nl

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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