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15.08.2015
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Haldern Pop Festival 2015 - 2. Teil

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
15.08.2015

Douglas Dare
Der dritte und letzte Festivaltag begann dann im Spiegelzelt mit einem eher harten Brocken: Das Stargaze-Orchester trat in einer seiner vielen Verkleidungen an das Publikum heran und spielte orthodoxen Avantgarde-Quatsch: Ein Streichquartett nach dem Ballett-Projekt "Enjoy Your Rabbit" von Sufjan Stevens und ein Treatment eines Deerhof-Titels. Das war dann eher nichts für schwache Nerven - aber ein gutes Beispiel dafür, wie weit in diesem Jahr auf Haldern die musikalischen Extreme gestreut waren.

Auf der Hauptbühne hatten sich derweil die Districts aus den USA bereit gemacht, die frühen Vögel mit ihrer Schweinerock-Variante warmzuspielen. Die Herren hatten bereits im letzten Jahr im Spiegelzelt gespielt und schon damals damit verblüfft, dass sie großteils mit dem Rücken zum Publikum mehr oder minder für sich selbst dahindaddelten. Das taten sie im Prinzip auch auf der Hauptbühne, weswegen sich die Frage, warum sie sich dann überhaupt bemühen, förmlich aufdrängte.

Der nächste Act im Spiegelzelt präsentierte sich mit einem ganz anderen Konzept: Der junge Londoner Douglas Dare ist im Prinzip ein ganz normaler Liedermacher - der indes sein Material mit Hilfe elektronischer Elemente aufbereitet. Das macht er so sympathisch, intensiv und dabei musikalisch höchst anspruchsvoll, dass sich schnell aufmerksame Begeisterung im Publikum einstellte. Douglas ist auf dem für experimentellere Töne bekannten Erased Tapes Label beheimatet und stellt dort so etwas wie die Songwriter-Fraktion dar. Im Zelt überzeugte er mit einem Set, das - trotz des minimalen Equipments mit Keyboard und Drums - zu keiner Sekunde langweilig war.

Anschließend spielten im Zelt The Bronze Medal. Die jungen Herren aus dem vereinigten Königreich hatten ihre Debüt-CD im beschaulichen Island präsentiert. Vielleicht kamen auch deswegen ihre Songs eher mit ruhiger Stärke daher als etwa rockig polternd. Die Band hat es sich dabei zur Aufgabe gestellt, die US-Band The National möglichst tongenau für das europäische Publikum zu adaptieren. Das geht so weit, dass jeder der singenden Herren sich bemüht, Matt Berninger in Sachen Gesangsmanierismen möglichst authentisch zu emulieren. Immerhin hatten sie ein Harmonium mitgebracht - was dann für eigene Klangfarben im Repertoire sorgte.

Auf der Mainstage hatten sich derweil Family Of The Year eingerichtet. Die Band um die Gebrüder Keefe überzeugte an diesem Tag mit ihrem kalifornisch geprägten druckvollen Sommer-Power-Pop auf der ganzen Linie. Nicht ahnend, dass es mit dem schönen Wetter bald vorbei sein würde, beschwor Frontmann Joseph Keefe noch den Umstand, dass man gemeinsam den Regen aufgehalten habe. In der Tat hoben die mit tighten Gesangsharmonien von Keefe und Keyboarderin Christina Scroeter intonierten, hymnisch aufbereiteten Hits vom Schlage "Make You Mine" und natürlich dem zum Schluss gegebenen "Hero" den Gute Laune-Faktor noch ein Mal erheblich, bevor dann - pünktlich zu Beginn des Sets von Josh Tillman alias Father John Misty ein Wolkenbruch einsetzte, der in der Folge die ganze Republik überziehen sollte und der bis heute - zwei Tage nach dem Ereignis - immer noch nicht verebbt ist. "Befindet ihr euch denn auch alle in der Nähe von elektrischen Geräten?”, fragte Tillman mit seinem eigenartigen Humor ins Rund. Seine Musik präsentierte der Herr, der sich optisch immer mehr als Reinkarnation des seligen, späten Jim Morrison präsentiert, mit jener theatralischen Grandezza am Rande der Selbstparodie, für die er berüchtigt ist, seit er mit dem Alter Ego Father John Misty den Nimbus des melancholischen Selbstzweiflers, den seine ersten Solo-Elaborate auszeichnete, vergessen machte. Heutzutage ist Tillman ein durchgeknallter Old-School-Power-Hippie-Popper. Punkt.

Im Zelt stand derweil die Deutschland-Premiere der US-Band Delta Rae an. Die Band um das blonde Geschwistertrio Hölljes hat mit ihrem mystisch aufgebohrten, bombastisch orchestrierten Americana-Power-Pop in ihrer Heimat bereits ordentlich für Furore gesorgt. Auch im Spiegelzelt ging es hoch her. Egal ob man nun musikalisch den eigenartigen Mix aus Americana-Folk, Pop, Powerchords und gestaffelten Harmoniegesänge von gleich vier Vokalist(inn)en goutieren konnte oder nicht und ob die zahlreichen Hommagen an Fleetwood Mac nun ernst gemeint waren oder nicht: Eine solch intensive Performance und ein solch abgehangenes, vollprofessionelles Enteratainment hatte es bis dato in diesem Jahr noch nicht im Zelt gegeben. Allein die schiere Intensität des Vortrages nötigten dem Publikum hier gehörig Respekt ab - auch wenn zum Schluss noch Whitney Houston zitiert wurde. Das Zelt platzte zu diesem Zeitpunkt verständlicherweise aus allen Nähten, denn das Wasser strömte nun literweise vom Himmel, der Stromgenerator dampfte, das Licht fiel aus und der Live-Stream vom Rockpalast brach zusammen. Nicht jedoch der Humor der Festival-Leitung: Als der Regen in der Umbaupause vor der Hauptbühne kurz ein wenig nach ließ, wurde gleich mehrfach "Wann wird's mal wieder richtig Sommer" von Rudi Carell eingespielt. Das verbliebene Publikum machte sich einen Spaß daraus, das für eine spontane Mitsing-Schlammparty in der zwischenzeitlich gebildeten Matsch-Kuhle vor der Hauptbühne zu nutzen.

Der Auftritt von The Slow Show auf der Hauptbühne war dann von langer Hand vorbereitet worden. Die mega-sympathische Band aus Manchester hatte ja im Grunde genommen ihre Karriere mit dem Auftritt beim letztjährigen Haldern Pop Festival erst so richtig begonnen. Damals, im Spiegelzelt, bat man bereits den Chor Campus Domus für einen kurzen Gastauftritt dazu. Dieses Mal, auf der Hauptbühne, war dann der ganze Verein die ganze Zeit mit an Bord - und zusätzlich noch das komplette Stargaze-Orchester inklusive Streichern und Bläsern. Rob Goodwin und seine Mannen nutzten diese Gelegenheit dann nicht nur dazu, den bekannten "Hits" wie "God Only Knows" oder "Bloodlines" die verdiente symphonische Note hinzuzufügen - es gab auch neue Arrangements und sogar neue Tracks vom kommenden, zweiten Album. Trotz des strömenden Regens gelang es der Band dann auch - zusammen mit den Orchestermusikern, bei denen sich Goodwin des Öfteren überschwenglich bedankte - so etwas wie ein heimeliges Community-Feeling zum Wohlfühlen zu verbreiten. Dass sich die Musiker tierisch freuten, in einem solchen Rahmen spielen zu können, übertrug sich dann durch positive Vibes auf das Publikum. "Davon hätten wir niemals zu träumen gewagt, als wir vor ein paar Jahren in Manchester anfingen, unsere Songs zu schreiben", meinte ein honigkuchengrinsender Rob Goodwin am Ende des Konzertes.

Unter dem Eindruck des dann wieder stärker werdenden Redens geriet der Auftritt der Haldern Veteranin Laura Marling auf der Hauptbühne dann zu einer zwiespältigen Angelegenheit. Es fiel einfach schwer, sich auf die viertelstündigen musikalischen Kontemplationen der Protagonistin einzulassen, die diese - mit ihrer Band - dort anstelle der erwarteten, rockigen Rausschmeißer der brillanten neuen Scheibe "Short Movie" (ziemlich rockig zwar und mit elektrischen Gitarren) präsentierte. Nicht nur, sondern auch, weil Frau Marling bereits winterlich gekleidet erschien, die durchnässten Fans vor der Bühne aber nur hilflos mit den Zähnen klappern konnten. Immerhin: Laura lächelte gleich mehrfach während des Vortrages ihres Materials. Während sie ansonsten das Publikum weitestgehend ignorierte, war das doch insofern bemerkenswert, als dass sie mehrfach erklärt hatte, darauf zu achten, beim Vortrag eben nicht zu lächeln. Zwischenzeitlich war es dann technisch auch echt schwierig geworden, sich auf dem Festivalgelände zu bewegen, da sich der Boden weitestgehend verflüssigt bzw. verschlammt hatte, weswegen die Berichterstattung dann hier auch enden muss. Insgesamt wäre noch zu sagen, dass Haldern Pop 2015 das Festival mit der bislang beeindruckendsten stilistischen Bandbreite gewesen war - und in rein musikalischer Hinsicht wieder ein Triumph allererster Güteklasse.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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