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17.06.2017
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Jugendlicher Drive, althergebrachte Qualität

Marlon Williams

Rees-Haldern, Haldern Pop Bar
17.06.2017

Marlon Williams
"Ich habe schon so viele tolle Sachen über den Laden hier gehört - und sie scheinen alle zu stimmen", begrüßt Marlon Williams sein Publikum in der winzigen Haldern Pop Bar. Dabei hätte der so ungemein sympathische neuseeländische Troubadour eigentlich gar nicht extra erwähnen müssen, wie viel Spaß ihm und seiner Band das zwischen zwei Festivalauftritten eingeschobene Kneipenkonzert am Niederrhein bereitet. Dafür hätte allein ein Blick in die strahlenden Gesichter des 26-jährigen Tausendsassas und seiner Mitstreiter gereicht, die an diesem schwülwarmen Samstagabend im Handumdrehen aus einem kleinen Konzert ein großes Ereignis machen, bei dem jugendlicher Performance-Drive auf althergebrachte Songwriter-Qualität trifft.

Marlon Williams ist gerade einmal 26 Jahre alt, aber längst ein alter Hase, der weiß, was ein guter Country-Song braucht. Schon als Teenager wirbelte er daheim in Lyttelton, einer kleinen Hafenstadt auf der neuseeländischen Südinsel, unweit von Christchurch, mit seiner ersten Band The Unfaithful Ways ersten Staub auf, seine Kollaborationen mit dem ungleich älteren Singer/Songwriter Delaney Davidson heimste erste Trophäen bei den einschlägigen Preisverleihungen der neuseeländischen Musikindustrie ein. Kein Wunder also, dass sein wunderbar abgehangener selbstbetitelter Solo-Erstling, der 2015 beim amerikanischen Qualitätslabel Dead Oceans erschien, nicht wie das Werk eines Debütanten klang, sondern perfekt mit Tragik, Weltschmerz und enttäuschten Hoffnungen jonglierte und dabei soundtechnisch und stimmlich an die ganz großen Performer der 50er und 60er von Roy Orbison bis Elvis Presley erinnerte. Doch beim Gastspiel in Haldern präsentiert Williams solo oder in Begleitung nicht nur alte Highlights, sondern auch gleich ein halbes Dutzend neue Songs und einige umwerfende Coverversionen.

So gibt es zu Herzen gehende Solonummern, bei denen Williams seine umwerfend wandlungsfähige Stimme und sein beeindruckendes Vibrato richtig zur Geltung bringen kann ("When I Was A Young Girl"), ebenso zu hören wie rasante Oldschool-Country-Nummern ("Hello Miss Lonesome") und gedämpfte Folk-Noir-Gänsehautmomente ("Dark Child"). Anders als auf der bisweilen etwas zu nostalgisch nah an der Parodie vorbeischrammenden LP wirkt Williams live und in Farbe auf der Bühne deutlich mehr im Hier und Jetzt verankert, zumal er viele Nummern ohne Pedal Steel und Streicher auch mit etwas mehr Rock'n'Roll-Feeling bringt. Neu ist auch, dass einige der unveröffentlichten Stücke, die Williams an diesem Abend präsentiert, nicht ohne ein deutliches Augenzwinkern auskommen, etwa wenn er in "Vampire Again" über eine einsame Halloween-Nacht in L.A. schwadroniert oder über "Love Is A Terrible Thing" sagt, dass der Song als Scherz gedacht war, "aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher!" Letztere Nummer spielt er solo am Keyboard und muss dabei ziemlich kämpfen, denn es ist erst sein zweiter Auftritt überhaupt, bei dem er ein Tasteninstrument auf der Bühne hat. "Wenn ich nicht weiß, was ich tue, muss ich immer so schwitzen", erklärt er lachend, als er das Lied schweißgebadet beendet hat.

Den krönenden Abschluss bildet dann der fast achtminütige Blues-Showstopper "Portrait Of A Man" von Screamin' Jay Hawkins, bei dem Williams mit einem vor Emotionen geradezu berstenden Gesangsvortrag seine Extraklasse noch einmal unter Beweis stellt und dafür anschließend minutenlang Beifall vom begeisterten Publikum bekommt. Im August ist seine bessere Hälfte, die Indiefolk-Überfliegerin Aldous Harding, an gleicher Stelle im Rahmen des Haldern Pop Festivals zu Gast, aber nach diesem umwerfenden Auftritt dauert es hoffentlich nicht lange, bis auch Marlon Williams wieder in Haldern gastiert.

Surfempfehlung:
www.marlonwilliams.co.nz
facebook.com/marlonwilliamsmusic

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

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