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27.10.2017
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UNOM - United Nations Of Music

Week-End Fest #7

Köln, Stadthalle Mülheim
27.10.2017 / 28.10.2017

Julie Byrne
Aus der UNO wollen sich die Amis ja zurückziehen - jedenfalls, wenn es nach Trump geht. In der UNOM sind sie aber wohl noch drin. In der Tat präsentierte sich die siebte Auflage des einzigartigen Festivals für Leute, die keine Festivals mögen, wieder mal von einer betont international ausgerichteten Seite: Aus Argentinien, Frankreich, Japan, Deutschland, Brasilien und den USA kamen dieses Mal die verschiedenen Musikanten, die das bemerkenswert bunt gemischte Publikum unterhielten (bzw. durchaus auch forderten).

An den exponierten Standort, die Mülheimer Tanzhalle (wie Julie Byrne das Gebäude aus den frühen 60er Jahren versehentlich nannte), hat man sich inzwischen ja gewöhnt. Auch an dessen Eigenarten - die besondere Akustik betreffend. Über diese unterhielten sich z.B. Filmemacher, Kurator und Nicht-Genesis-Drummer Phil Collins und die E-Klangkünstlerin Laurel Halo und ihr "menschlicher Drummer" Daniel Wohl bei einer kurzfristig angesetzten Podiumsdiskussion im Keller am ersten Abend. Kurzum: Wie man das Dargebotene als Zuhörer empfand, war stark davon abhängig, an welcher Stelle des Konzertsaales man sich gerade befand, denn Lautstärke und Dynamik entwickeln im Auditorium schnell ein gewisses Eigenleben.

Und dann war da auch noch die Technik: Gleich beim ersten Set der Argentinierin Juana Molino, die mit Bassist/Keyboarder und Drummer im Trio-Format auftrat, nachdem Conferencier Dave Doughman das Publikum mit eher preiswerten Sprüchen auf das eklektische Ereignis einzustimmen versucht hatte, versagte diese. So gab es ein unerwünschtes Brummknacken in der Verkabelung, und die Haustechnik war redlich gefordert, dieses zu finden und zu vertreiben, so dass die Sache gleich zu Beginn mit insgesamt einer halben Stunde los ging. Angesichts dessen, dass die Abreise mit öffentlichen Transportmitteln, die wohl die meisten der Besucher in Anspruch nehmen mussten, ab Mitternacht beginnt problematisch zu werden, sei doch hier für die nächste Auflage angeregt, auch den ersten Festivaltag bereits um 19 statt um 20 Uhr anzusetzen.

Nachdem das Problem dann gelöst war, konnte es schließlich losgehen. Auf ihren Tonträgern versucht sich Juana Molina gerne an einem Mix aus E-, New Wave- und Indie-Pop. Live geht das Ganze sehr viel stärker in eine rhythmische Richtung. Irgendwo angesiedelt bei der Krautrock-Unerbittlichkeit, stark gitarrenorientiert (die Gitarren wurden wie Rhythmusinstrumente eingesetzt) und mit einem gewissen Club-Drive und entsprechenden Beats und Grooves angereichert heißten Juana und ihre Jungs dem Publikum recht gut ein und verwandelte die altehrwürdige Stadthalle in eine Art alternative Disco.

Ein komplettes Kontrastprogramm dazu lieferten die aus San Francisco stammende Klangbiegerin Holly Herndon und ihre beiden Sidekicks. Gänzlich ohne Beleuchtung agierte das Trio um einen Tisch gruppiert, und kommunizierte mit dem Publikum ausschließlich über live eingespielte Visuals - die entweder aus Kamerafahrten um, durch, über oder hinter 3D-Ansichten von zu Kunstobjekten umgestalteten Computerarbeitsplätzen oder Ateliers bestanden - bzw. über live eingetippte Twitter-Nachrichten anstelle von Ansprachen an das Publikum. Dabei befanden sich durchaus Mikros auf der Bühne - die allerdings von Holly & Co. lediglich zum Erzeugen von Stimmfetzen genutzt wurde, die sich in den zuweilen abstrakten, zuweilen rhythmisch strukturierten Klanginstallationen eher verloren als wiederfanden.

Überraschend erdig und organisch wurde es dann mit dem Auftritt der japanischen Pyschedelik-Blues-Legende Shintaro Sakamoto und seiner Band. Das war allerdings nicht Yura Yura Teikoku - jenes Konsortium, dem er 20 Jahre vorstand, was seine Legendenbildung maßgeblich beeinflusste - sondern ein frisch zusammengestelltes Trio, dem der Meister mit unbewegtem Gesicht und relativ emotionslos vorstand, dafür allerdings - wie gesagt - mit einem organischen (und zum Glück wenig experimentellen) Indie-Rock-Blues-Sound überraschte.

Der zweite Tag begann mit einem Auftritt der Songwriterin Julie Byrne. Diese zeichnet sich durch ein rastloses Leben mit ständigen Umzügen aus - inklusive eines ihrer fast meditativ angelegten, gelassenen und atmosphärischen Musik komplett entgegenstehenden Aufenthaltes in New York, der selbst für sie nicht sonderlich befriedigend war und den sie demzufolge in ihren Songs thematisiert. Wie auch die natürliche, blaue Farbe des Himmels. Viel braucht es eh nicht, um Julie Byrne glücklich zu machen: Ihre Gitarre, ein wenig Hall auf der Stimme und ihr Kollege Eric, der einen analogen Synthie durch Sampler und Effektgeräte jagte, bis dieser ebenso besänftige Sounds von sich gab, wie Julies Stimme, reichen da schon aus.

Ein weiteres Kontrastprogramm stellte der Auftritt des Kinderzimmer-Orchesters um Pascal Comelade dar. Comelade ist ein Französischer Musik-Schrat, der mit seinen Musikern alles mögliche "Spielzeug" zu Instrumenten umbiegt und damit dann lustige Minimal-Kompositionen, Kinderlieder, Soundtrack-Emulationen oder Jonathan Richmans "Egyptian Reggae" im kaputten Kirmes-Modus vorträgt. Hauptsächlich geschieht dieses auf einem Kinderklavier, einer Gießkanne, einer Art elektrischer Autoharp sowie einer psychedelisch rotierenden Schrammelsolo-Gitarre, die stets dann zum Einsatz kam, wenn die Musik ins Lächerliche umzukippen drohte - was aber gerade deswegen tatsächlich niemals passierte.

Jherek Bischoff ist derjenige Musiker, der wohl am intensivsten für die zuweilen skurrilen Kollaborationen steht, die den legendären Crossover-Ruf des Festivals zurecht hauptsächlich begründen. Die Kombination du jour sah dieses mal so aus, dass Songs des inzwischen selbst zur Legende gewordenen "Psych-Folk"-Songwriters Devendra Banhart mit Arrangements von Bischoff vorgetragen wurden, der diese für das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld unter der Leitung von Albrecht Schrader und Lorenz Rhode geschrieben hatte. Banhart - übrigens ein Verehrer des am Vortrag aufgetretenen Sakamoto San - nutzte die Gelegenheit, sich im Frack zu präsentieren und sein schrulliges Material mit einer gewissen Sinatra-Grandezza, entsprechenden Gesten und vergleichsweise entsprechend croonend vorzutragen - unterstützt von einer bunt gewürfelten Schar internationaler Fans (darunter dann auch Sakamoto San), die sein Material zuweilen herzallerliebst mitsangen.

Man sagt ja, dass sich Gegensätze anziehen. In Bezug auf die diesjährige Zusammenstellung der verschiedenen Acts und des entsprechend breit gefächerten Publikums kann diese Vermutung anhand des Week-End Fest #7 als durchaus bestätigt attestiert werden.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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