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06.12.2017
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Eine Schande für Gurr

Gurr
Shame

Köln, Gebäude 9
06.12.2017

Gurr
Mal ohne Quatsch: Sich eine Band wie Shame als Anheizer einzuladen, hätte geringeren Acts als Gurr zweifelsohne das Genick gebrochen. Denn das Londoner Quintett besteht aus fünf unbedachten jungen Herren, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, die Rockmusik mal wieder nach eigenen Regeln neu zu definieren. Ein Shame-Konzert muss man sich ungefähr so vorstellen, wie Oasis auf Speed mit Punk-Attitüde - nur lauter, schmutziger und druckvoller. Die Jungs, die ihre Band - nach eigener Aussage - als Witz, der dann aus dem Ruder lief, gegründet haben, geben sich jedenfalls alle Mühe, das Publikum nach allen der Regeln der Kunst junger Wilder zu bespaßen.

Während der hyperaktive Frontmann Charlie Steen seine wortreichen, verquasten Agit-Prop-Lyrics ("Visa Vulture" heißt zum Beispiel seine Schmäh-Hymne an Theresa May) raushaut und dabei den hautnahen Kontakt mit dem Publikum sucht - mal direkt, mal bewaffnet mit dem Mikroständer oder einer Wasserflasche -, spielen sich seine Kumpels die Seele aus dem Leib, hauen einen knackiges Rock-Riff nach dem anderen raus und scheinen es darauf angelegt zu haben, alles mit einer unseligen Energie in Grund und Boden zu spielen. Inklusive sich selbst: Denn mitten im schönsten Post-Punk-Getöse musste das Konzert überraschend abgebrochen werden, nachdem Bassist Josh Finnerty und Gitarrero Eddie Green sich ins Gehege gekommen waren und Green mit einer stark blutenden Platzwunde an der Stirn von der Bühne torkelte. Rein vom Energie-Level her boten Shame also das, was normalerweise auch Gurr so in Petto haben - auch wenn das Ganze stacheliger und Testosteron-trächtiger daher kommt und eben Opfer fordert.

Das man diese Kombination überhaupt gesucht und gefunden hatte, hat aber gleich mehrere Gründe. Zum einen sind Gurr absolute Shame-Fans und haben sich die "süßen Jungs" auch eingeladen, weil sie sie so "jeden Abend sehen können" (so Andreya Casablanca - die dann auch nachweislich mit Kollegin Laura Lee die komplette Shame-Show aus dem Publikum heraus verfolgte und mitfeierte). Und dann geht das auch noch weiter: Im Januar wird das Shame-Debüt-Album auf den Markt kommen und dann geht die Tour sozusagen im April in England mit umgekehrten Vorzeichen weiter: Da spielen dann Gurr für Shame die Anheizer. Und als Tüpfelchen auf dem i der Gurr/Shame-Connection stand dann Shame-Drummer Charlie Forbes mit einem Tambourine bei der obligatorischen Zugabe "Helter Skelter" noch mal mit auf der Bühne und sorgte für zusätzlichen Ramba Zamba im eh schon wilden Gewusel.

Vorher gab es allerdings eine klassische Gurr-Vollbedienung. Das fing schon damit an, dass direkt nach dem Anzählen (bzw. Anquietschen) des ersten Tracks "Atemlos" der Gitarregurt Lauras absprang und hörte noch lange nicht damit auf, dass sich Laura - nach sorgsamer Vorbereitung - zum letzten Track (einer fast ausufernden Version von "In My Head") vom Publikum durch das Auditorium schaukeln ließ. "Dabei sind Sachen passiert, über die ich hier nicht sprechen möchte", meinte sie dazu nachher lakonisch. Überhaupt Publikum: Nachdem das Konzert so zu einem Drittel absolviert war, baten Andreya und Laura dann erst mal die Mädels nach vorne. "Denn wir sind ja schon eine Mädels-Band", kommentierte Laura, "und da sollten dann auch die Mädels vorne stehen." Von da an gab es dann auch kein Halten mehr. In dem Bemühen, ihren Heldinnen kinetisch nachzueifern, wogte vor der Bühne dann im folgenden ein kieksender, quietschender Pogo-Pulk. Bis zu dem Moment, wo Andreya auf die Idee kam, das Publikum wie Moses in der Mitte zu teilen (was dann tatsächlich auch befolgt wurde). Dann wurde das Publikum zu einer Oasis-Hälfte und einer Gurr-Hälfte erklärt, die dann gegeneinander anzugrölen hatten. Dass da die Gurr-Hälfte siegte, war ja vorauszusehen gewesen.

Musik gab es derweil auch. Wie üblich wurden die Tracks dabei im Gegensatz zu den poppigen Studio-Versionen deutlich rockiger, schrammeliger und wilder dargeboten. Dass man mit einer solchen Art von Musik nicht alt werden kann, müssen sich auch Andreya und Laura gesagt haben - ergo wird die ganze Energie, so lange sie eben noch da ist, wohl in jede Gurr-Show investiert - so natürlich auch diese. Zum Glück blieb aber Eddie Green das einzige Opfer des Abends: Alle anderen kamen mit dem Schrecken davon. Da Gurr soeben eine neue LP eingespielt haben - die freilich noch nicht erschienen ist -, war das Set natürlich mit etlichen neuen Tracks gespickt. Wenn sich das anhand der ruppig-wüsten Live-Darbietung erahnen lässt, dann ist das neue Material zumindest strukturell etwas ambitionierter geraten und wartet mit mehr Riffs als Schrammel-Chords auf. Das kann aber auch täuschen - warten wir mal ab. Kurzum: Auch wenn sich das ganze mittlerweile etwas professioneller und routinierter gebiert: Zu den besten (zumindest aber zu den am besten gelunten) Rockbands unserer Tage zählen Gurr immer noch. Punkt.

Surfempfehlung:
www.facebook.com/Gurrband
gurrband.bandcamp.com
www.facebook.com/shamebanduk

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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