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14.04.2018
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Gewusst wie!

Desperate Journalist

Münster, Gleis 22
14.04.2018

Desperate Journalist
"Why are you so boring?" steht in großen Lettern auf dem T-Shirt, das Desperate Journalist-Sängerin Jo Bevan an diesem Abend auf der Bühne trägt. Dem Publikum im Münsteraner Gleis 22 kann diese Frage allerdings nicht gegolten haben, denn das ist vom ersten Ton an hellauf begeistert von der charismatischen Frontfrau und ihren drei Mitreitern. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach ihrem umwerfenden Auftritt im Kölner Blue Shell unterstreichen Desperate Journalist auch beim letzten Konzert ihrer aktuellen Gastspielreise in diesen Breiten, dass sie sich zwar wie viele andere auch die Helden der Post-Punk-Ära der frühen 80er zum Vorbild nehmen, trotzdem aber eine Band wie keine zweite sind.

Schon mit ihrem herrlich wilden selbstbetitelten Erstling aus dem Jahre 2015 hatten die vier Briten aufhorchen lassen, bevor sie letztes Jahr mit dem Nachfolger "Grow Up" durch ein spürbares, aber nicht gewaltsames Update das Tor zum Mainstream weit aufstießen und sich auf der vor wenigen Wochen veröffentlichten EP "You Get Used To It" einige Experimente erlaubten, ohne sich und ihrem raffinierten Sound zwischen Vergangenheit und Zeitgeist untreu zu werden. Auch bei ihrem famosen Auftritt in Münster ist schnell klar: Die wissen, wie's geht!

Desperate Journalist begeistern im Gleis 22 auf der mit Lichterketten simpel, aber effektvoll geschmückten Bühne mit den gleichen Tugenden (und teils sogar mit den exakt gleichen Bühnenoutfits) wie schon vor Jahresfrist: Ohne große Worte zwischen ihren dunkel funkelnden Liedern kommunizieren sie allein durch ihre Songs mit dem Publikum. Dabei zieht die aufregend-virtuose Jo Bevan mit dem um den Hals gelegten roten Mikrokabel alle Aufmerksamkeit auf sich, doch es sind erst die effektbeladenen Klangwände von Rob Hardy an der Rickenbacker-Gitarre und Simon Drowner am Grummel-Bass, die zusammen mit Caz Helberts New Order-Drumming die grüblerisch-dunklen Texte Bevans richtig zum Leben erwecken.

Mit bemerkenswerter Leichtigkeit, großer Leidenschaft und imposanter Entschlossenheit vereinen die vier Musiker in Songs wie dem aufbrausenden "Hollow" die poetische Intimität der Texte und die Wucht der Band-Performance, wenngleich sie an diesem Abend auch punkten können, wenn sie mal den Fuß vom Gas nehmen und den Wumms des Erstlings durch fesselnde Laut-und-leise-Dynamik und packende Stop-und-go-Passagen ersetzen oder manchmal sogar ordentlich Pop-Appeal durchscheinen lassen, etwa, wenn die aktuelle Single "It Gets Better" mit unverhohlenen The Smiths-Anleihen glänzt. Kurz vor Ende wird es dann bei "Radiating" ohne Bass und Schlagzeug sogar für einen kurzen Moment mal ganz klassisch herzergreifend-balladesk.

Soll heißen? Desperate Journalist gelingt das, was viele ähnlich inspirierte Bands beim Spiel mit Versatzstücken aus New Wave, britischem Indiepop und Gothic-Düsternis oft vergessen: Sie stopfen so viel Musikalität und Melodie wie nur irgend möglich in ihre Lieder und suchen so nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten jenseits einer reinen Hommage an ihre Vorbilder. Doch nicht nur auf der Bühne machen sie alles richtig. Während viele Künstler heute ihr Publikum am Merch-Tisch ordentlich schröpfen und Impulskäufern Devotionalien über dem üblichen Ladenpreis anbieten, setzen Desperate Journalist auf fanfreundlliche Mitnahmepreise und bieten unschlagbare Mengenrabatte an. Auch das beweist noch einmal: Die wissen, wie's geht!

Surfempfehlung:
www.desperatejournalist.co.uk
facebook.com/DesperateJournalist

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

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