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24.06.2018
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Eigentlich

Lied United
Joana Serrat / Who Is Afraid Of The Big Bad Wolf

Köln, Blue Shell
24.06.2018

Joana Serrat
Da war aber einiges durcheinander geraten. Eigentlich ist Lied United eine etablierte Akustik-Reihe im Kölner Blue Shell, die dazu dient, ein Mal im Monat etablierte und weniger etablierte Acts in einem akustischen Umfeld zu präsentieren - kuratiert von dem Initiator Wolfgang A. Noethen, der mit Mitgliedern seines Quartett Who Is Afraid Of The Big Bad Wolf in verschiedenen Konstellationen selbst auch musikalisch an diesen Shows partizipiert. Und da fing das dann auch schon an mit dem Durcheinander. Denn zwar gibt es Ende August mit "The Whisper & The Wave" eigentlich einen neuen Tonträger des (übrigens erstaunlich ungooglebaren) Projektes Who Is Afraid Of The Big Bad Wolf - von dem natürlich bei der letzten Lied United-Show vor der Sommerpause dann auch einige Songs präsentiert wurden - ABER: Soeben ist der Maestro von seiner Freundin verlassen worden, die eigentlich wohl auch mit hätte auftreten sollen. Was dann blieb, war eine Not-Lösung, wobei Wolf dann mit guter Miene (und neuer Gitarre) zum bösen Spiel das Programm alleine mit der bandinternen Cellistin Hanna Roth bestreiten musste. Und dann gab es auch noch einen Haken: Eigentlich hätte das Line-Up an diesem Tag neben WIAOTBBW und der heiß ersehnten Headlinerin Joana Serrat noch durch den Besuch der Schweizer Songwriterin Pamela Méndez bestehen sollen - die aufgrund eines verpassten Anschlusszuges jedoch kurzfristig abgesagt hatte. Das führte dann dazu, dass die eigentlich auf 30 Minuten angesetzten Slots je Act ebenso kurzfristig ausgedehnt werden mussten. Na ja - so etwas wirft ja routinierte Profis nicht aus der Bahn.

Kommen wir mal zum Programm: Als frisch geschiedener Romantiker traf Wolfgang A. Noethen mit seinen überwiegend melancholisch angelegten Folkpop-Songs natürlich zufällig atmosphärisch den richtigen Ton des Abends (obwohl er zuvor gescherzt hatte, nur lustige Lieder spielen zu wollen). Musikalisch orientiert sich der Kompositeur Wolfgang A. Noethen dabei durchaus an den großen des Genres - ohne dabei irgendeine bestimmte Stilrichtung oder gar bestimmte Acts zu bevorzugen. (Nun gut: Einen Track widmete er dem verstorbenen Kollegen Nick Talbot von der Band Gravenhurst.) Das mäanderte alles angenehm daher, wurde handwerklich auch ordentlich in Szene gesetzt (wobei insbesondere Hanna Roth einige schöne uns sogar überraschende Momente hatte) und sogar eine Art Stadion-Hit zum Mitsingen hat Wolfgang im Programm. Allerdings waren da auch noch die eher naiv-banalen, erkennbar nicht muttersprachlich ausgerichteten, englischsprachigen Texte, die Wolfgang dann zudem auch noch mit teutonischem Zungenschlag vortrug (der etwa dazu führte, dass er im eigenen Bandnamen aus dem "Wolf" aussprachlich einen "Wulf" machte). Das minderte dann den Hörgenuss für jene, die auf so etwas achten, in gewisser Weise. Was aber wohl nicht viele waren, denn das Publikum bestand überwiegend aus Hardcore-Fans, die das schon kannten und gewohnt waren. Also wie gesagt: Musikalisch gab es nix zu meckern, aber bei den Texten sollte vielleicht noch mal jemand drüberschauen.

Wie man sowas besser machen kann, zeigte im Anschluss Joana Serrat. Die Katalanin war von Wolfgang spontan gebucht worden, nachdem er sich von deren letzter LP "Dripping Springs" beeindruckt gezeigt hatte. (Und dabei war Wolfgang bei Joanas letztem Besuch im Blue Shell als Support von der Handsome Family noch nicht ein Mal zugegen gewesen). Auch Joana spricht Englisch nicht besonders gut - hat sich dann aber zum Beispiel bei der Produktion ihres letzten Albums mit Israel Nash Gripka zusammen getan, von dem sie sich dann beraten ließ, was unter anderem dazu führte, dass ihr Gesang bei der Produktion lautmalerisch bearbeitet wurde. Das ist dann auch im Solo-Live-Setting so. Manch ein Tontechniker hätte da sicherlich den Einwand gehabt, dass eigentlich zu viel Hall auf Joanas Stimme gelegen hätte. Das gehörte dann aber zum Konzept, denn einerseits legt Joana viel Wert auf Atmosphäre und hat eine angenehm einfühlsame Art, ihre Gesangmelodien auszuleben - und andererseits hatte sie auch für ihre Gitarre einige Effekte parat, die sie geschickt einsteuerte und damit einige schöne, dramatische Effekte erzielte. Ansonsten gehört Joana Serrat zu eher seltenen Spezies von Performern, die in der Reduktion geradezu aufblühen und dem Prinzip "weniger ist mehr" auf eindrucksvolle Weise Vorschub leisten, indem sie das Solo-Ambiente als Chance sehen, die Perspektive auf ihr Material zu schärfen. Das wurde etwa dadurch deutlich, dass Joana die Geschichten erzählte (etwa einen Spaziergang durch den heimatlichen Nebel bei "Trapped In The Fog"), die zu ihren Songs geführt haben. Und das ließ diese dann in einem zuweilen ganz anderen Licht erscheinen, als jenem, in dem sie - eigentlich - auf der Konserve erscheinen. Besonders eindrucksvoll geriet das, als Joana die Einleitung zu ihrem Track "Black Lake" (vom Vorgänger-Album "Cross The Verge") für eine leidenschaftliche politische Ansprache nutzte, in der sie das Recht auf Selbstbestimmung für Katalonien einforderte und sich bitterlich darüber beklagte, dass nicht nur ihr Präsident im Exil zu leben habe, sondern auch Musiker, die sich kritisch der spanischen Monarchie (nach der auch niemand gefragt habe) gegenüber geäußert habe, in ihrer Heimat im Gefängnis säßen.

Trotz des erwähnten, reduzierten Settings bot Joana Serrat einige Überraschungen. Nicht nur indem sie Coverversionen von Interpol und Naughty Boy ins Programm einsortierte, sondern auch, weil sie erstaunlich viele Up-Tempo-Versionen ihrer Songs im Programm hatte, die sie zudem in einem kompakten, effektiven Pop-Song-Format auf den Punkt brachte. "Ihr mögt aber schon traurige Lieder?", fragte sie eingangs aber noch zur Sicherheit - denn "Up-Tempo" bedeutet bei Joana Serrat nicht gleich "fröhlich". Tatsächlich ist die Spanierin ja durchaus für ihre melancholische Note bekannt - die sie dann auch nachdrücklich im Blue Shell demonstrierte, nur eben auf eine zauberhaft abwechslungsreiche Weise. Das war jetzt bereits das zweite Mal, dass Joana Serrat im Blue Shell zeigte, was man als Solo-Künstlerin alles erreichen kann, wenn man nur auf die richtigen Details und Techniken setzt. Jetzt wird es aber wirklich langsam mal Zeit, dass sie ein Mal Material in dieser Art auf Tonträger veröffentlicht. Das hatte sie ja bereits bei ihrem letzten Besuch versprochen. Eigentlich.

Surfempfehlung:
www.lied-united.de
facebook.com/JoanaSerrat
www.wolf-music.net
www.facebook.com/whoisafraid

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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