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21.03.2003
http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=549
 
Aus der Einsamkeit auf die Bühne

Brendan Benson
Christian Kjellvander

Köln, Normal Records (In-Store) / Bochum, Matrix
21.03.2003 / 22.03.2003

Brendan Benson
Wenn man sich vor Augen führt, dass Christian Kjellvander, der alte Schwede, mit seiner Band Loosegoats zig Scheiben mit ruppigen, alternativ angehauchten Americana-Pop-Songs fabrizierte, ist diese neue, leise Inkarnation wie die Ruhe nach dem Sturm. Zwar war Kjellvander privat auch bereits bei den Loosegoats eher sanftmütig und schüchtern - jetzt ist er das aber auch musikalisch. Das gezwungenermaßen rein akustische Setting und die aufmerksame Atmosphäre eines In-Store-Gigs kamen den tragischen, düsteren Balladen seines Solo-Debüt-Albums "Songs From A Two Room Chapel" jedenfalls enorm entgegen. Ohne ein Wort ans Publikum zu richten und hinter strähnig ins Gesicht hängenden Haaren versteckt, trug Kjellvander eine Handvoll Songs vor, von denen man den Eindruck hatte, dass sie speziell für diesen Zweck geschrieben wurden - was natürlich Quatsch ist. Aber auch ohne die - oder sogar wegen des Fehlens der - reichhaltigen Band-Orchestrierungen verfehlten die eher simplen, aber effektiven und würdevollen Balladen ihre emotionale Wirkung nicht. So muss ein moderner und zeitgemäßer, kontemplativer und poetisch in sich gekehrter Songwriter klingen, der - wie in diesem Fall - auch den jungen Leuten etwas sagen kann und möchte.

Christian Kjellvander
Brendan Benson nutzte dann die Chance, zusammen mit seinem Keyboard-Spieler Christopher Plum (der indes nur sang und - wie bei den regulären Konzerten - einige lustige Percussion-Einlagen zum Besten gab) gegenüber den Band-Shows ein paar Gänge zurückzuschalten und seine songwriterischen Wurzeln bloßzulegen. Es begann mit "Metarie" - dreistimmig vorgetragen mit zusätzlicher Unterstützung des Bassisten Eric Pott. Langsam indes bekommt man den Eindruck, dass dies wirklich Brendans problematischster Song ist: Jetzt stimmte zwar der neue Mittelteil, dafür kam der Wechsel zum Refrain ganz besonders ungelenk. Vielleicht wäre es besser gewesen, Brendan hätte dieses Stück tatsächlich wie einen normalen Popsong aufgebaut. Egal: Um so etwas auszuprobieren sind solche Events ja da. Es folgten einige schnellere Tracks - z.B. "Good To Me", das gerade auch auf der aktuellen Single der White Stripes als Cover-Version herausgekommen ist, oder "Pleasure Seeker". Als jedoch jemand "House In Virginia" forderte, musste Brendan eingestehen, es immer noch nicht neu eingeübt zu haben. Dafür gabs dann "Crosseyed Girl" vom unterbewerteten Debüt "One Mississippi". Brendan und seine Jungs präsentierten sich bei dieser kurzfristig einberufenen Show trotz Übermüdung in bester Laune und unterhielten das Publikum auf angenehme Weise. Mehr kann man mit so einem Set eigentlich nicht erreichen.

Text: Ullrich Maurer

Tags darauf bewies Christian Kjellvander in Bochum, dass tieftraurige Balladen auch gut eine Portion Humor vertragen. Oder sollte man besser sagen: Galgenhumor? Christians Auftritt wurde jedenfalls von einer Reihe technischer Katastrophen begleitet. Zuerst funktionierte die Monitoranlage nicht, dann verursachte ein angeblich defektes Kabel eine kleine Rückkopplungsorgie, und auch mit dem eilig besorgten Ersatz funktionierte es nicht. Die entstehenden langen Pausen füllte der Schwede mit lakonischen Sprüchen wie "Jetzt wünschte ich mir, ein wirklich guter Stand-Up-Comedian zu sein", aber trotz - unverschuldet - zähen Beginns hatte Christian keine Probleme, das kleine, aber feine Publikum in der Matrix auf seine Seite zu bringen. "Simpel", "würdevoll", "emotional" - die Vokabeln, die der Kollege Maurer für den Kölner Auftritt ins Spiel brachte, trafen es auch in Bochum am besten. Neben den Stücken seines schönen Solodebüts "Songs From A Two Room Chapel" spielte er in Bochum auch ein brandneues Stück - "brandneu aber nicht in dem Sinne, dass ich es heute hier geschrieben habe, 'From Bochum To Stockholm, With Love', nein, das könnte ich nicht. Für diesen Song habe ich fünf Monate in einem kleinen Apartment in Malmö gebraucht!" Das Ergebnis der Bemühungen konnte sich einmal mehr hören lassen. Große Songwriter brauchen bekanntlich keine großen Gesten.

Brendan Benson And The Wellfed Boys - Zach Shipps an der Gitarre, Matt Aljin am Schlagzeg sowie die bereits erwähnten Christopher Plum und Eric Pott an Percussion und Bass - hatten danach auf der Bühne eine wirklich gute Zeit und hatten so keine Mühe, das Publikum mit ihrer guten Laune anzustecken. Kein Wunder, immerhin legten sie gleich mit den beiden Singles "Folk Singer" und "Tiny Sparks", also mit zwei der besten Songs von Brendans ohnehin ausgezeichnetem aktuellen Album "Lapalco" los. Interessant anzumerken übrigens, dass Brendan den ganzen Abend nur Rhythmusgitarre spielte und fast sämtliche Soli seinen ausgezeichneten Mitstreitern überließ. Und das, obwohl Brendan auf der Platte ja noch alle Instrumente eigenhändig bedient hatte! Zur Mitte des Konzertes gab es ein kurzes Akustikset, bei dem Brendan - wie am Vortag in Köln - nur zusammen mit Christopher Plum auf der Bühne stand und unter Beweis stellte, dass er uns letzten Sommer nicht umsonst erzählt hatte, dass es ihm Spaß macht, seine Songs jeden Abend komplett neu zu arrangieren. Von "Metarie" zum Beispiel gibt es inzwischen mehr als vier verschiedene Versionen auf Platte, und keine davon hatte wirklich etwas mit der Unplugged-Version aus der Matrix zu tun. Besonders dem alten Stück "Me Just Purely" tat das Solo-Arrangement richtig gut, und all diejenigen, die anfangs etwas betrübt dreinschauten, als sie feststellten, dass Brendan allem Anschein nach auch "Pleasure Seeker" akustisch spielen wollte, wurden nach zwei Strophen erlöst, als die Band auf die Bühne zurückstürmte und dem Song noch das angemessene furiose Finale verpasste. Den größten Applaus der Veranstaltung erntete kurz darauf "Good To Me" - vielleicht, weil die Fans um die White-Stripes-Connection wussten, vielleicht aber auch einfach nur, weil es sich um einen Weltklasse-Song handelt. Für den Rest des Abends waren nach dem schönen "I'm Easy" die ruhigen Momente rar gesät, und es wurde mit viel 60s-Flair schwer gerockt. "Insects" war sogar fast schon Punk. The Who und The Kinks hätten garantiert ihre Freude an dem Auftritt gehabt. Dass allerdings wohl nur die wenigsten Zuschauer den Weg zu Brendan und den Wellfed Boys aufgrund der offensichtlichen Vorliebe für den britisch geprägten 60s-Sound gefunden hatten, zeigte sich, als Brendan treffenderweise den alten Brauerei-Keller der Matrix mit dem berühmten Liverpooler Cavern Club (der Geburtsstätte der Beatles) verglich und damit nur auf fragende Gesichter im Publikum traf. Immerhin war das Publikum wenigstens - wenngleich mehr schlecht als recht - dabei behilflich, zusammen mit der Band den Spruch "Hopfen und Malz, Gott erhalt's" ins Englische zu übersetzen. Eines ist dennoch sicher: Die Leute, die an diesem Abend dabei waren, werden nicht nur beim nächsten Mal wiederkommen, sondern auch noch all ihre Freunde mitbringen. Garantiert.



Brendan Benson
NACHGEHAKT BEI: BRENDAN BENSON

Brendan Benson, hat sich nach dem marketingtechnischen Desaster mit seiner ersten CD "One Mississippi" ja mittlerweile wieder gefangen, ist nach Detroit gezogen, hat sich hier ein eigenes Studio eingerichtet und dort die Tracks zu seiner neuen CD, "Lapalco" eingespielt. Gaesteliste.de traf ihn vor seinem Konzert in Köln.

GL: Wenn man sich deine Shows anschaut, fällt auf, dass die Stücke der ersten CD kaum gespielt werden. Hat das vielleicht damit zu tun, dass du viele der Songs auf dieser CD deiner damaligen Freundin gewidmet hast? "Emma J" und "House In Virginia" zum Beispiel? (Und der Bonus Track, "Strawberry Rhubarb Pie", den Benson auf seiner ersten Tour mit den Wallflowers noch als Intro spielte, stammte sogar aus der Feder besagter Emma J.)

Bendan: "Es stimmt, wir sind nicht mehr zusammen, aber wir sind beste Freunde geblieben. Es ist auch so, dass ich die alten Songs nicht in diesem Licht betrachte. Es ist vielmehr so, dass die Songs damals in einer bestimmten Situation entstanden. Ich war jung und unbekümmert, lebte so in den Tag hinein und habe einfach das geschrieben, was mir gerade so in den Sinn kam und nicht großartig drüber nachgedacht. Der Track 'Folk Singer' auf der neuen Scheibe illustriert das sehr schön. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit ich jetzt bei einem kleineren Label bin hat das, was ich jetzt tue, sehr viel größere Auswirkungen und Bedeutung - auch für andere. Es gibt jetzt keinen mehr, der mir sagt, was ich wie und wann machen muss. Das muss ich selbst entscheiden. Mit dieser Situation musste ich erst einmal lernen umzugehen. Das war mein Prozess des Erwachsen-Werdens. Warum wir diese Stücke momentan nicht spielen, hat einen anderen Grund - und eigentlich müssten wir 'House In Virginia' mal einüben. Aber meine Band, The Wellfed Boys, ist... ['Unglaublich süß', sagt der Gitarrist und verlässt schmunzelnd den Bus, in dem das Interview stattfindet]... ja, unglaublich süß. Nein, die sind alle jung und wild, denen geht es nur um Rock N Roll. Das ist ja auch das, was wir auch machen wollen. Ich glaube, die haben noch nie in ihrem Leben ein langsames Stück gespielt..."

GL: Wenn du sagst, du seiest als Songwriter verantwortungsvoller und erwachsener geworden - was wir aus den Ausführungen mal so herauslesen: Welche Auswirkungen hat das denn auf deine Songs? Ist es nicht so, dass du nach wie vor über dich selbst schreibst?

Brendan: "In gewisser Weise ist das so - und dann auch wieder nicht. Gewisse Teile sind sicherlich über mich, aber manchmal schreibe ich auch über andere - obwohl ich dazu tendiere, auch hier 'ich' zu sagen. Das ist schwer zu beschreiben. Ich will es mal so sagen: Meine Welt wird ständig kleiner. Das ist mir aufgefallen, seit ich bei Terminen wie diesen ständig dazu gezwungen bin mit Journalisten über meine Songs zu sprechen. Ich beklage mich nicht, das ist Teil meines Berufes, aber einer, den ich nicht mag. Denn je mehr ich über meine Songs rede, diese erkläre, desto mehr bemerke ich, dass dieses mein Songwriting beeinflusst. Ich kann eigentlich auf Tour gar nicht mehr unbefangen schreiben, denn ständig denke ich: 'Wenn du jetzt dieses oder jenes sagst, was bedeutet das denn? In welchem Kontext ist das zu sehen? Und wie erklärst du es nachher?' Deswegen schreibe ich lieber, wenn ich Ruhe habe. Es gibt zwar großartige Songwriter, die im Team schreiben können, ich fürchte aber, ich bin einer, der besser in der Einsamkeit alleine zurecht kommt."

GL: Heißt das, dass es auch nichts werden wird, mit einem möglichen Projekt mit White Stripes Mastermind Jack White?

Brendan: "Ich habe gerade herausgefunden, dass Jack einen meiner Songs ['Good To Me'] für eine Single aufgenommen hat. In Japan kommt er sogar als Bonustrack auf das Album. Das ist momentan aber alles. Wir haben mal darüber nachgedacht, ein Side-Project zu machen und ich hätte nichts dagegen. Er ist ein sehr netter Mensch und ich bin mit ihm überein gekommen, dass wenn etwas passiert, es gut ist, wir es aber nicht konstruieren wollen. Was dafür spricht, ist, dass ich gerne schnell arbeite. Timing und Schnelligkeit ist für mich die Essenz allen Tuns: Los, los, los - und wenn's nicht klappt, dann schmeiß es weg und mach was Neues. Und so arbeitet er auch - er ist sehr schnell! Aber was wir beide vermeiden wollen, ist das da so ein 'Szene-Gedanke' inszeniert wird. Wir sind einfach nur gute Freunde."

GL: Du hast ja deine Songs alle zu Hause im Studio alleine zusammengefrickelt. (Genau so arbeitet übrigens Jason Falkner, der ihm bei der Produktion behilflich war) Wie geht es denn nun weiter?

Brendan: "Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Die Sache ist die, dass ich keinen genauen Plan habe - was immer mich berührt, werde ich umsetzen. Ich könnte mir ja zum Beispiel nächste Woche ein Akkordeon kaufen, und das würde dann alles verändern. Wer weiß? Aber am Ende des Tages liebe ich halt nun mal Gitarren, Drums und Bass. Im Prinzip wird das neue Material also ähnlich klingen, wie mein jetziges. Ich möchte ein bisschen mehr mit Keyboards arbeiten, weil es da noch einiges zu tun gibt - das kann ich noch nicht so gut und ich möchte mich zwingen, es zu erlernen. Und ich habe mir gerade Pro-Tools gekauft - bislang habe ich auf einem ADAT-Tape Recorder aufgenommen - hatte aber noch keine Zeit, mich da einzuarbeiten. Aber ich denke, sehr viel ändern wird sich dadurch nicht. Ich habe vor, die neue Scheibe im Frühjahr des nächsten Jahres rauszubringen. Ich werde mir jedenfalls nicht noch mal ein paar Jahre Zeit zwischen den Scheiben lassen..."

Surfempfehlung:
www.brendanbenson.com
www.bredan-benson.com
www.christiankjellvander.com

Konzert: -Carsten Wohlfeld-
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
 

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