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26.11.2004
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The Last Rock'n'Roller

Nikki Sudden
The Furthurs / Kevin Junior

Köln, Blue Shell
26.11.2004

Nikki Sudden
Das war dann wohl so etwas wie das musikalische Äquivalent der Nacht der langen Messer: Zunächst lief auf der Großbildleinwand des Blue Shell noch die Übertragung der zweiten Bundesliga (ob das jetzt eine Andeutung auf das musikalische Niveau der Veranstaltung sein sollte?), dann gaben die Furthurs aus Köln ihr Abschiedskonzert, weil Mastermind Kurt Kreikenbom nach Berlin umzieht, anschließend spielte Nikkis Spezial-Gaststar Kevin Junior von The Chamber Strings ein Solo-Set und erst dann durfte der Meister selber ran, der bis deutlich nach ein Uhr morgens sein Unwesen im pickepackevollen Blue Shell trieb.

Die Furthurs haben im Laufe ihrer langjährigen Karriere ja bereits viele musikalische Inkarnationen durchlaufen: Von Velvet Underground über The Doors bis hin zu Grateful Dead - je nach Stimmungslage haben die Jungs um den traurigen Songwriter Kurt Kreikenbom schon mal wie alle bekannten Rockbands aus den 60s geklungen (zum Teil unfreiwillig). An diesem Abend waren irgendwie Jefferson Airplane dran. Beginnen tat das Konzert auf typische Furthurs Art: Mit technischen Problemen und dem missmutigen Hadern damit. Dann kam die Sache aber doch in Schwung und es folgten nicht nur die Kreikenbom-typischen, sentimentalen Folkballaden (und eine halbwegs gelungene Coverversion von Gordon Lightfoots "Edmond Fitzgerald"), sondern auch einige atypische Up-Tempo Tracks, mittels derer die Furthurs zu ungeahnten musikalischen, ja psychedelischen Höhenflügen ansetzten. Als Abschiedsgeschenk war das keine schlechte Vorstellung. Nun ja: Vielleicht sieht man sich ja zur Reunion in 19 Jahren mal wieder (wie Kurt das in seinem Newsletter andeutet).

Kevin Junior ist ein alter Nikki-Spezi. Der Mann (und seine Band The Chamber Strings) stammt zwar aus Chicago, ist aber im Grunde seines Herzens ein Engländer. So kleidet er sich und so musiziert er. Die melodischen Akustik-Versionen der Chamber Strings Glam-Rock-Tracks waren jedenfalls die richtige Einstimmung auf die dann folgende Tour De Force durch's Nikkiland, bei der Kevin auch als Gitarrist mitwirkte. Nikkis neue Band, die Last Pirates sind zweifelsohne Nikkis bislang solideste Mannschaft. Einfach deswegen, weil seine Rhythmusgruppe mit Drummer Stephane (aus Frankreich) und Bassist John es schaffen, den Rhythmus ohne Torkeln und Schwanken auch mal straight durchzuziehen. Und siehe da: Das wirkte sich dann auch gleich förderlich auf die ganze Chose aus. Nikki bewies bei dieser Show (wie wohl auch auf der ganzen Tour), dass er tatsächlich der letzte verbliebene richtige Rock'n'Roller ist. Ohne irgendwelche Schnörkel oder Feinheiten hauten die Jungs ein Stones-mäßiges Riff nach dem anderen aus dem Ärmel und grölten dazu wie die seligen Small Faces - doch dazu später mehr. Die Tracks des neuen Nikki-Albums "Treasure Island", auf dem er ja u.a. Ian MacLagan und Mick Taylor verpflichtete, bildeten dafür natürlich auch die bestmögliche Basis. Wie z.B. "Wooden Floor" - das ja eh bloß aus einem ungemein mitreißenden Riff besteht. Der ebenfalls als Gaststar engagierte Darrel Bath ersetzte dabei relativ nahtlos Mick Taylor und andere Stones-Gitarristen. Darrel war zwar bereits vor der Show dermaßen zugedrönt, dass er nicht mehr geradeaus schauen konnte, aber Riffs und Soli im Blindflug raushauen war scheinbar kein Problem. Im Zweifelsfall ließ er sich einfach nach hinten kippen und setzte sich hin. Das war noch richtiger, guter, alter Rock'n'Roll. Das sah wohl auch Nikki so, der von der Bühne heraus eine Runde Vodka bestellte und gleich eine ganze Flasche bekam. Außer dem braven Stephane Doucerain am Schlagzeug sprachen diesem dann auch alle tüchtig zu. Insofern war es dann nicht so richtig verwunderlich, dass die Sache dann langsam aber sicher aus den Fugen geriet. Zunächst gab's aber noch mal technische Probleme: Mitten in einer rätselhaften Cover-Version von "I Shall Be Released" fiel Nikkis Gitarre aus. Anders als die Furthurs führte das aber nicht zu einer grummeligen Frickelpause: Der Meister überließ schulterzuckend seinen Gitarreros das Feld und griff anschließend zum Mikro, um das Publikum in der Art eines Las Vegas Entertainers freihändig zu unterhalten. Anschließend entdeckte er noch auf der Rückseite seiner Setlist einen Brief seines Vaters an ihn, den er dem verdutzten Publikum dann auch nicht vorenthielt. Es folgten weitere Klassiker vom Typus etwa des Namensgebenden "The Last Bandit", bei denen Nikki auch stolz seine neue Gitarrensammlung vorführte: Nämlich eine schnieke Gibson Flying V und eine eigens angefertigte fünfsaitige Gitarre im Stile von Keith Richards mit kunstvollen Piraten-Intarsien.

Gegen Ende der Show, im Zugabenblock gab's dann natürlich noch die alten Nikki-Rausschmeißer "Fortune Of Fame", "Back From The Coast" und "Aeroplane Blues" sowie eine ziemlich knackige Version des Stones Tracks "Respectable". Respectable war das, was dann kam zwar nicht gerade, aber irgendwie klasse: Während Nikki - selber schon nicht mehr ganz richtungssicher - an seiner Gitarre herumstimmte, torkelte Darrel Bath zum Mikro und begann "Oh La La - (When I Was Younger)" von den Small Faces anzustimmen - woraufhin die ganze Band lallend einsetzte und das Stück fast vollständig vortrug. "Die Faces wären stolz auf uns gewesen" schrieb Nikki dazu in sein Tour-Tagebuch. Und tatsächlich: Wenn irgendjemand die Fahnen des Pub-Rock im Stile der alten Trunkenbolde noch hochhält, dann ist das Nikki Sudden. Sieht man mal von den Unwägbarkeiten ab, die Vodka nun mal mit sich bringt, war das sicherlich eine der besten Shows auf Kölner Boden, die der unverwüstlichen Mr. Sudden hier je hingelegt hat. Es scheint tatsächlich so, als sei Nikki auf seine alten Tage zur Form seines Lebens aufgelaufen.

Surfempfehlung:
www.nikkisudden.com
www.furthur.de

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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