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08.05.2006
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A Kind Of Deliverance

Howe Gelb

Bonn, Harmonie
08.05.2006

Howe Gelb
Also eigentlich war der Plan ein etwas anderer gewesen: Als Howe Gelb weiland Interviews zur letzten Giant Sand-Scheibe gab, erzählte er noch davon, dass er mit einem Gospel Chor zusammen alte und neue Giant Sand-Songs aufnehmen wolle. Das aus diesem Konzept herrührende Album "'sno Angel Like You" geriet dann aber eher zu einer Hommage an Rainer Ptacek. Gleich drei seiner Stücke verewigte Howe hier mit Unterstützung des kanadischen Gospel Chors Voices Of Praise und jenen Musikern, die ihn nun auch auf der Tour begleiteten. So richtig klar, warum es diese Perspektiv-Verschiebung gegeben hatte, wurde es beim Konzert in der Bonner Harmonie: Obwohl es an diesem Abend jede Menge "Oh My Lords" und mindestens ein "Amen" zu vermelden gab, ist Howe natürlich nicht über Nacht zum Prediger geworden. Stattdessen spielte er den Blues.

Mit insgesamt drei Gitarren - Fred Guignon an Slide und Lapsteel und Jim Bryson an der Rhythmusgitarre - aber ohne Bass verlieh Howe fast jedem Track eine ungewohnt bluesige Note, die indes mit der gewohnten Schärfe dargeboten wurde. Die ebenfalls bereitgestellte Orgel diente hingegen eher als Lückenfüller - z.B. wenn es technische Probleme gab, die Howe auf seine typisch heitere Art nonchalant überbrückte. So weit so gut: Im Vorfeld hatte sich dann die Frage gestellt, inwieweit ein gut organisierter Organismus wie ein Gospelchor mit Howes Spontan-Eskapaden zurechtkommen würde. Die Antwort auf diese Frage relativierte sich dann allerdings. Zum einen waren die Gottes-Sänger auch nicht eben ein Kind von Traurigkeit. So versuchten sie z.B. (vergeblich) Howe zu einer Spontanversion von "A Hard Day's Night" zu bewegen und stiegen erstaunlich leichtfüßig auf Howes Regieanweisungen ein. Zum anderen hielt sich der Meister diesbezüglich sehr zurück und hatte stattdessen die Show für seine Verhältnisse sehr starr konzipiert. So gab es z.B. eine feste Setlist - ansonsten ein Howe-Unding - und ein Programm, das nur für etwas über eine Stunde ausgelegt war - was natürlich angesichts des ungewöhnlich hohen Eintrittspreises (der indes aufgrund des zu betreibenden Aufwandes sicherlich prinzipiell angebracht war) von den Fans nicht so recht goutiert wurde. Das Programm des Abends überschnitt sich weitestgehend mit dem der CD. Auch hier gab es mehr Rainer-Cover als Giant Sand-Stücke (wie z.B. das auch auf der CD gegebene "The Chore Of Enchantment"). Und diese wurden auch mit wesentlich mehr Verve dargeboten als der Rest des Programms. Das mit mächtig Druck fast funky dargebotene "That's How Things Get Done" geriet - dank des mit Begeisterung zu Werke gehenden Gospel-Chores - zum Höhepunkt der Show.

Überhaupt schien es, als habe Howe offensichtlich nicht mehr so viel Spaß auf der Bühne gehabt, seit er weiland mit seinem CD Player Kylie Minogue-Stücke in seinen Vortrag eingewoben hatte. Die offensichtliche gute Laune der neun Gospel-Apostel war aber auch zu ansteckend. Wäre die Harmonie aufgrund des erschreckend schwachen Vorverkaufes nicht bestuhlt gewesen, hätte sogar beim Publikum gute Stimmung aufkommen können. So begnügte sich dieses - nachvollziehbar - mit intensiven Beifallsbekundungen und gespannter Aufmerksamkeit. Trotz aller Zugeständnisse an die Gegebenheiten und das Genre: Irgendwo war es dann natürlich auch eine Howe Gelb-Show und so ließ er es sich nicht nehmen, wie gewohnt spontan seine Instrumente und Mikrophone zu wechseln und die Songs mal hierhin und mal dorthin zu lenken - ein bisschen so wie ein angetrunkener Kapitän. Nachdem Howe dann das Schiff mit dem bezeichnend betitelten "Get To Leave" viel zu früh in den Hafen gelenkt hatte, gab es zur Zugabe noch eine dicke Überraschung. "We're gonna try a deliverance of sorts", kündigte er das abschließende Medley an, das - allen Ernstes - aus "Walk On The Wild Side", "My Sweet Lord" und "Oh Happy Day" bestand - und endlich zur Gospel-Messe pur geriet. Fazit: Für jemanden, der sich mittlerweile einen Archivar leistet, nur um den Überblick über seine eigenen Veröffentlichungen nicht zu verlieren, zeigt Howe Gelb immer wieder überraschend kreative Lösungen und Möglichkeiten auf, sich selbst und die Welt zu unterhalten und zu überraschen. Wie auch die zugrunde liegende CD, so war die Show mit den Voices Of Praise eine grandiose Idee, die - wie das bei Genies wie Howe Gelb eben üblich ist - dann im Abschluss nicht bis ins letzte ausgereizt und ausformuliert wurde. Unterhaltsam und mitreißend war die Sache - wie meistens - jedoch immerhin.

Surfempfehlung:
www.giantsand.com
www.giantsand.com/deardiary/diary.html

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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