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26.01.2007
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Spaßvögel

Gabriel Rios
An Pierlé & White Velvet

Köln, Gloria
26.01.2007

Gabriel Rios
"Das war aber ein doofes Konzert", murmelte einer der Besucher der Veranstaltung im Kölner Gloria, bei der der Puerto Ricanische Sonnyboy Gabriel Rios und An Pierlé, die "belgische Kate Bush", aufeinander getroffen waren, seiner Begleiterin zu. "Wieso?", fragte diese zurück, "das war doch alles sehr unterhaltsam." Und irgendwo brachte das die Sache auch auf den Punkt. Wobei "doof" vielleicht noch ein wenig erklärungsbedürftig ist, denn es meint nicht unbedingt "schlecht", sondern eher "gewöhnungsbedürftig". Beide Acts - sowohl Gabriel Rios wie auch An Pierlé - haben musikalisch nämlich durchaus einiges zu bieten. Bei Rios sind dies vorwiegend lateinamerikanische und karibische Einflüsse - bis hin zu kubanischen Rhythmen -, die er mit je einer Prise Funk und Soul sowie einer Band ohne Drummer und Bassisten - dafür aber mit zwei Percussionisten - zu einer letztlich durchaus eigenen Mischung verquickt. Im Falle von An Pierlé sind es reichhaltig arrangierte, dramatische Pop-Songs, mittels derer sie sich in den besten Momenten durchaus mit den großen des Genres messen kann.

Relativiert wurde die Sache dann ein wenig im Vortrag. Rios wandte sich mit albernen Sprüchen und exaltierten Gesten an das Publikum, spielte gleich als zweiten Track einen Song aus Disyneys "Dschungelbuch" und wirkte zeitweise wie eine unfreiwillige Parodie auf Latin Lovers vom Stile eines Enrique Iglesias. Und An Pierlé schoss im Bemühen, auf ungewöhnliche Weise unterhaltsam sein zu möchten, ein wenig über das Ziel hinaus. "Eines der Wörter, die ich auf Deutsch gelernt habe ist 'Spaßvogel'", erklärte sie eingangs, "und ich bin schon ein rechter Spaßvogel." Nur um dann, als sie vor lauter Spaß fast von dem Hüpfball gekullert wäre, auf dem sie hinter ihrem Piano herumwippte, zu bemerken, dass sie nun doch ein wenig zuviel Spaß gemacht habe. Und in der Tat: Ans Vortrag schwankte dann zwischen inspiriert, bewusst theatralisch und eben "doof". Z.B. dann, wenn sie sich mit ihrem Keyboarder zusammen spaßeshalber die Köpfe auf die Tastatur knallte, sich auf selbige setzte, oder sich mit umgeschnalltem Akkordeon und Stroboskop-Beleuchtung zur Walpurgis-Hexe stilisierte. Immerhin muss attestiert werden, dass sie sich durchaus Gedanken darüber machte, wie man die traditionellen Erwartungshaltungen, die der auf gitarrenorientierte Musikanten konditionierte Konzertbesucher heutzutage hat, aufbrechen könnte. Sowohl Rios wie auch An Pierlé waren in diesem Zusammenhang durchaus als "Anti-Rock'n'Roll" zu bezeichnen (mit vielleicht einer Ausnahme, bei der An zur zweiten Zugabe "Sing Song Sally" mit Nirvana-Riffs, röhrenden Gitarren und fast als Parodie die Rocksau rausließ).

Was unter dem Strich blieb, war dann eine seltsame Mixtur aus Stand-Up-Comedy Performance - mit durchaus unterhaltsamen Passagen - und durchaus beeindruckenden musikalischen Darbietungen: Sowohl die Band von Gabriel Rios, wie auch White Velvet, An Pierlés Begleit-Combo, boten durchaus beeindruckende Leistungen. Das war es wohl, was der Besucher des Konzertes als "doof" und seine Begleitung als "unterhaltsam" bezeichnete - je nachdem, mit welchem Anspruch man eben ein Konzert besucht. Rein vom Unterhaltungswert also, das muss anerkannt werden, gehörte dieser Showcase zur absoluten Spitzenklasse. Aber auch musikalisch gab es einiges zu bestaunen: Bei Gabriel Rios war es das perfekte Zusammenspiel von Percussion, Gesang und Rhythmus und bei An Pierlé und White Velvet waren es die geschickt verschachtelten Arrangements und die Instrumentierung mit mehreren Gitarren, Keyboards, Akkordeon und Cello. Und wie gesagt: In guten - oder sagen wir ernsthaften - Momenten entwickelte die Sache besonders bei Ans Vortrag eine begeisternde Eigendynamik mit großartigen Pop-Momenten, je einer Prise Chanson und Art-Rock. Dazu kam dann - wie oben ausgeführt - eine gehörige Portion Vaudeville-Ästhetik, eine ausfeilte Lightshow, Kunsteisnebel bis zum Abwinken und eben jede Menge Spaß. Hinzu kam, dass beide Protagonisten keine Mühe hatten, mit dem Publikum zu kommunizieren (ob nun auf Englisch oder charmantem Belgo-Deutsch) und sich so als Stars zum Anfassen präsentierten. Und so kam es, dass beide Acts dann nicht nur artig beklatscht, sondern am Ende sogar frenetisch gefeiert wurden.

Surfempfehlung:
www.gabrielrios.be
www.anpierle.net

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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