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06.06.2001
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New Jersey's meiste Progrocker

Symphony X
Dyslesia

Bochum, Zeche
06.06.2001

Symphony X
'Tschuldigung, eigentlich verabscheue ich ja Superlative; und falsche gleich gar: Das beim morgigen Haus verlassen unfehlbar hässlich aufglänzende Schild der hiesigen Muckibude "Die maximalste Fitnesswelt" quittiert der Magen ja noch (je nach Frühstück) mit probiotischen Bäuerchen, aber wenn mir Sachen wie "Deutschlands meiste Kreditkarte" begegnen, überkommt den gewöhnlich sogar ein Würgen. Doch nun zu Angenehmeren, also zu dem Superlativnotstand auslösenden Ereignis: Der Auftritt von Symphony X in einer von Deutschlands urigsten Rockschuppen, der Bochumer Zeche zählt mit der '89er Tournee von Queensryche (heute sind sie dagegen ja eine eher jammervolle Enttäuschung) und dem Auftritt der Beat Farmers in Köln an dem Tag, an dem ihr viel zu früh verstorbener Schlagzeuger, Sänger und Cheftrinker Magic Dick Geburtstag hatte, zu den drei schärfsten Konzerten, die Endesunterzeichneter bislang erleben durfte.

Dyslesia
Und das ging - ebenfalls äusserst ungewöhnlich! - bereits mit der vorzüglichen Vorgruppe los. Ausser der ca. zehnköpfigen, wohl im Bandbus mitgebrachten und vom ersten Takt an beigeistert mithüpfenden "Hausmacht" der jungen Franzosen kannte wohl kaum einer der Besucher Dyslesia, die denn auch mehrheitlich mit verschränkten Armen und blasiertem Kennerblick empfangen wurde. Durch ihr überaus symphathisches Agieren, den in etwas über dreissig Minuten demonstrierten allerheftigsten Spieltrieb und durch das Material, das schon mal gelegentlich erfreulich an Edguy bis Helloween gemahnte, hatten die Jungs die Zeche bald angesteckt und auf ihre Seite gebracht. Ein phantastischer Aufwärmer also für die Hauptgruppe...

Auch wenn deren 2000er Album "V - The New Mythology Suite" nicht nur für mich zu einem der besten (Autsch, schon wieder ein Superlativ...) Werken aus dem Bereich Progressive bis Power Metal überhaupt zählt, blieb mit ca. 300 Menschen die Zeche nur sehr locker gefüllt - Spock's Beard z.B. am nächsten Abend haben die sehr angenehme Halle ausverkauft. Aber ich habe noch selten so wenige Menschen so johlen und röhren höhren, wie beim Auftritt der Symphoniker. Jedes der komplexen, vielteiligen und doch immer so melodieseligen Stücke wurde aus vollem Hals mitgesungen.

Eine Überraschung auch das Erscheinungsbild der Musikanten: Man entwickelt ja oft, wenn man sich mit einer Musik sehr auseinandersetzt, eine innere Vorstellung davon, wie die Erzeuger wohl aussehen (und draufsein) mögen. Doch statt der imaginierten Lichtgestalten sprangen ein paar deutlich vom Leben gezeichnete Gestalten auf die Bühne, denen in mancher Disco der Zutritt verwehrt werden mag, wie sympathisch. Besonders Gitarrist Michael Romeo kam mir wie ein 160-Kilo-Rumpelstilzchen vor, der aber, gehüllt in sein flatterndes Seidenfädchenhaar, eine der lodernd-flüssigsten Lead Guitars, die ich kenne, am Start hat. Sänger Russel Allen sieht aus wie einem "Die drei Musketiere"-Film entsprungen, war wie für's Fitness Studio gewandet, agierte denn auch auf der Bühne wie ein schattenboxender Kampfsportler, schlug aber alles mit seiner majestätischen Ausnahmestimme in den Bann. Interessanterweise wurden vom aktuellen Album nur die Highlights (erschütternd schön: "Egypt", "Communion And The Oracle") geboten und dann eine Vollbedienung aus älterem Material nachgeschoben. Die Fans fanden es wunderbar. Ein Abend der Superlative.

Text: -Klaus Reckert-
Fotos: -Pressefreigaben-
 

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