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13.04.2010
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Freistil im Quadrat

Nicolai Dunger
John Alexander Ericson

Köln, Gebäude 9
13.04.2010

Nicolai Dunger
In den 70er Jahren gab es im Kölner Karneval neben dem überregional bekannten Colonia-Duett eine feste Größe: Den Trötemann. Das war ein beamtenmäßig ausstaffierter Clown mit einer Tuba, dessen Act darin bestand, zu erklären, welche Lieder er an diesem Abend nicht spielen werde. Ein bisschen so führte sich Nicolai Dunger bei seiner Solo-Show im Kölner Gebäude 9 auch auf.

Aber der Reihe nach. Obwohl Dunger mit seinem aktuellen Werk "Play" im Prinzip zu alter Höchstform aufgelaufen ist, was das Songwriting betrifft, fanden gerade mal 30 Fans den Weg ins Gebäude 9. Auch wenn man in Betracht zieht, dass das Set als Solo-Show angekündigt war und die neue Scheibe gerade eben erst erschienen ist, dürfte das für den Schweden doch eher enttäuschend gewesen sein, denn immerhin spielte er an gleicher Stelle auch schon vor der dreifachen Anzahl von Zuhörern. Das Set eröffnete Dungers Landsmann, der in Berlin ansässige John Alexander Ericson. Ericson ist in unseren Breiten bereits seit einiger Zeit aktiv - allerdings eher in der Funktion als "Anheizer", wie auch hier. Dabei ist der Begriff "Anheizer" bei John Alexander eher unangebracht, denn er gehört zu den ganz unaufgeregten Vertretern seiner Zunft. Immerhin: Zu diesem Anlass hatte er zusätzlich zu seiner akustischen Gitarre noch eine Orgel und einen Computer mitgebracht, von dem er einige eigens für solche Zwecke aufbereitete Backingtracks abrief. Es gab also keine Reproduktion von Studioaufnahmen, sondern "echte" Live-Versionen seiner Songs. Bisher fiel Ericson eigentlich als klassischer, melancholischer Songwriter mit typisch nordischer Note auf. Hier jedoch outete er sich als Mann mit Vision. Es gab nämlich hier fast tanzbare Elektronik-Operetten zu bewundern, bei denen sich Ericson beinahe selbst in Trance spielte (nun gut - so gut das eben mit einer Orgel und drei Fingern geht). Insgesamt war das Set jedenfalls kurzweiliger, als anhand von Johns bisherigen Auftritten zu erwarten gewesen wäre - auch wenn der sehr schüchtern agierende Mann so richtig kein Kapital daraus zu schlagen wusste.

Nicolai Dunger, der nach einer Phase des musikalischen Experimentierens (etwa auf dem Jazz-Sektor) und der Selbstfindung (nach dem Tod seiner Mutter) mit dem aktuellen Album "Play" songwriterisch wieder zu altem Glanz und Glorie fand, zeigte sich beim Kölner Konzert dann allerdings als zerstreuter Professor. Dunger hatte sich - die strähnigen Haare unkonzentriert im Gesichtsfeld baumelnd - mit einer 12-saitigen akustischen Gitarre bewaffnet, auf eine Setlist aber verzichtet. Stattdessen spielte er einfach das, was ihm gerade so in den Sinn kam - unterbrochen von allerlei instrumentalen Fingerübungen, die oft genug aber zu nichts weiter führten. Mit der klassischen Präsentation der aktuellen CD hatte das nicht viel zu tun. Aber auch Fans durften sich die Zähne ausbeißen bei dem Versuch zu erraten, was der Meister da eigentlich spielte. "Diesen Song habe ich in Ägypten geschrieben", erzählte Dunger zum Beispiel anlässlich eines jazzigen Fragmentes, "Er ist süß, gell? Aber ich spiele ihn nicht." Und so ging das dann weiter. Allerdings war das alles nicht unbedingt langweilig. Denn so konnte man Dunger praktisch beim Ausprobieren zuschauen. Und das, was er machte, war ja auch nicht schlecht. Als Gitarrist überzeugte er durch Fingerfertigkeit und eine ganz eigene Sensibilität - das war weder Fingerpicking noch klassisches Akkord-Geplänkel, sondern saß souverän und virtuos irgendwo dazwischen. (Aber wie gesagt: Das galt für das Gitarrenspiel - was den Vortrag betraf, gab Dunger an diesem Abend eher einen Howe Gelb.) Und was den Gesang anging, so hat Dunger entweder geübt oder es schlicht gelernt, seine früher gerne unpassend wegrutschende Intonation halbwegs in den Griff zu bekommen. Und er ist heute auch nicht mehr so bemüht, Van Morrison gesangstechnisch zu emulieren. Das, was er da im Gebäude 9 intonierte, erinnerte in seiner Kopfstimmenlastigkeit eher an den seligen Jeff Buckley - was durch Dungers jazziges Gitarrenspiel sogar noch unterstrichen wurde. Und auch lyrisch machte das fragmentarische Andenken irgendwo Sinn - eröffnete sich doch so Dungers fantasiereiches, wortgewaltiges Parallel-Universum am besten. Wenn bei ihm ein "Love Song" angestimmt wird, dann sind es zum Beispiel Tiere, die diesen anstimmen. Wenn er früher als wir stirbt, dann weist er uns den Weg und nimmt uns an der Hand. Oder er bietet einen Ozean, in dem man sein Verlangen ertränken kann.

Es fanden sich dann aber doch einige neue Stücke, deren sich Dunger erinnerte und schließlich bat er auch um Vorschläge aus dem Publikum und versuchte sich dann an alten Großtaten wie etwa "Old Lovers" oder "Last Night I Dreamt Of Mississippi" - die er dann zumindest anspielte. ("Das geht ungefähr so" beendete er solche Eskapaden). Schließlich setzte er sich auch noch an die Orgel und gab dort ähnliche Ergüsse zum Besten. ("Robert Wyatt hat so ein Stück geschrieben. Es handelt von Katzen - es geht so und so - aber ich möchte es nicht spielen.") Auch bei der Zugabe setzte sich dieses Herumstochern fort. Dunger versuchte gar, die verbliebenen Zuhörer anstelle eines weiteren Songs, auf ein gemeinsames Bier an der Bar herunterzuhandeln. Es blieb da eigentlich nur eines übrig: Diesen Auftritt im Zusammenhang mit dem restlichen Tun von Nicolai Dunger zu sehen und als amüsante Anekdote für eingeweihte abzuheften.

Surfempfehlung:
www.myspace.com/nicolaidunger
www.myspace.com/johnalexanderericson

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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