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11.08.2001
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Glücklich miteinander

18. Haldern Open Air - 2. Teil

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
11.08.2001

Travis
Vormittags, wenn eigentlich noch der sehr große Teil der Publikums entweder komatös im Zelt oder davor schlummert, dürfen dann auf Festivals immer die eher unbekannteren Bands ran oder die, die sich bei Newcomer-Wettbewerben durchsetzen konnten - nur schade, daß sie dann wahrscheinlich nur vor ihren Freunden und Bekannten spielen.

Zur Mittagszeit nahmen dann die zwei Herren von Turin Brakes, jeweils bewaffnet mit Akustik-Gitarren, auf der Zeltbühne platz und wurden mit ihrer minimalistischen Show und ihrem akustisch orientierten Songwriting zum ersten Gewinner des Samstags. Das Zelt war recht gut gefüllt, die hier Anwesenden schienen sich alle auf die beiden gefreut zu haben, wie man an den euphorischen Reaktionen erkennen konnte. Ein "Problem" hatten die beiden dann doch noch - die Zeit: "Tja, wir sollen hier fast eine Stunde lang spielen, wir haben aber Material, das für ungefähr eine 3/4 Stunde reicht - deswegen spielen wir die Sachen einfach etwas langsamer!" Das war natürlich nicht ernst gemeint, und so wurde sie dann auch noch zu einer Zugabe genötigt, bei der sie dann einen bisher nicht veröffentlichten Song darboten. Danach war dann wieder Schluß im Zelt, und die Josh Joplin Group langweilte die Mainstage und Santa's Boyfriend (Gewinner eines Newcomer-Wettbewerbs) mußten dann für My Vitriol einspringen. Bei strahlendem Sonnenschein betraten dann die Herren von Slut aus Ingolstadt die Bühne und begannen ihren Set eher verhalten, haben dann auch noch das überflüssige "Mr. Blake" gespielt - zum Ende des Gigs wurde es dann mit "Sensation", "No Time" und anderen Rock-Nummern dann doch noch etwas lauter. Alles in allem ein solider Gig, der mal wieder zeigt, daß es in Deutschland auch klasse Bands mit tollen Melodien gibt.

Danach durfte die Hamburger Band Kante ran - daß hier auch eher weniger gerockt wird, war klar, und so präsentierten sie gewohnte, anspruchsvolle Klänge aus ihren beiden Alben. Einziges Novum war der letzte Song, den sie im Hip-Hop-Remix darboten - ob das jetzt unbedingt nötig ist, sei mal dahingestellt. Nachdem Phoenix aus Frankreich mit ihrer Party-Mucke für Kurzweil gesorgt hatten, kam das mit Abstand unterhaltsamste Konzerte des Festivals: Ex-Crowded House-Mann Neil Finn mit seiner Band, in der u.a. Lisa Germano im Aufgebot ist. In den 1 1/2 Stunden Spielzeit wurde neben den obligatorischen Songs aus seiner Split Enz- und Crowded House-Zeit (u.a. "Weather With You") natürlich viel Solo-Material gespielt, aber die eigentlichen Highlights passierten zwischen den Songs - so hatte Neil einen kurz vorher komponierten Song dem Pizza-Mann gewidmet, der ihm vor dem Auftritt noch mit einem leckeren Essen versorgte. Eigentlich sollten auch noch Songs für den Döner- und den Waffel-Mann kommen (dem Bier-Mann wollte er kein Ständchen bringen, "denn der verdient schon genug!"), aber das paßte leider nicht mehr in den zeitlichen Rahmen. Da paßte aber dann noch ein Mensch namens Oliver rein, den Neil während des Konzerts im Publikum entdeckt hatte - Oliver war neulich beim Gig in Köln schon auf der Bühne und durfte dort einen Song mit Neil und Band singen. So wurde er auch in Haldern auf die Bühne gebeten, um mit Akustik-Gitarre in "Into Temptation" einzustimmen. Da Oliver sowohl das Instrument als auch den Gesang beherrschte, wurde es keine grausame Karaoke-Nummer, sondern eine schöne Einlage, die vom Publikum gebührend gefeiert wurde. Andere Pausen-Füller waren Finn-Crisps, die er in die Menge verteilte und natürlich andere Improvisationen. Dann trat Starsailor aus Chorley im englischen Lancashire auf, eine Band, die mit soviel Vorschußlorbeeren behaftet ist, daß alle gespannt waren. Gespannt auf eine Band, die nach der Veröffentlichung von nur zwei EPs und vielen Gigs vor allem in England für Aufsehen geregt hat - zurecht, wie man in der Stunde merken konnte, die die Band in Haldern Zeit hatte, die Leute für sich zu gewinnen. Mit ihrem gefühlsbetonten RockPop, der teils an beste Verve-Zeiten erinnert (sei es mit kompletter Band oder einfach nur die "Ein Mann mit Gitarre und großen Gefühlen"-Show), haben sie sich mit Sicherheit viele neue Fans an Land gezogen, die das im Herbst erscheinende Longplay-Debüt kaum erwarten können. Da kommt noch eine Menge guter Sachen von Starsailor auf uns zu. Trotzdem sollte sich Sänger und Gitarrist James Walsh die dümmliche Kichern zwischen den Songs verkneifen, aber daran kann man ja noch arbeiten...

Dann kam das schönste Konzert und damit der absolute Höhepunkt und korrekter Abschluß des Festivals: Travis. Das Gelände war komplett gefüllt, alle wollten die wunderschönen Songs von Fran und Co. hören und vor allem die unterhaltsamen Einlagen dazwischen. Die kamen dann auch in großer Anzahl, u.a. erläuterte Fran seine Theorie über das Songschreiben bzw. Songs an sich ("Ich stelle mir das immer so vor, daß es wie eine Feuerwerks-Rakete ist - unten wird als Treibstoff das Geld in alle möglichen Bereiche wie Plattenfirma, Videoclips etc. gesteckt und oben an der Spitze ist der Song. Dann gehts ab nach oben, es explodiert, alles funkelt wunderschön in allen Farben, aber all das verschwindet nach ein paar Wochen oder Jahren. Das, was noch da oben sein wird, als eine Art von Stern, ist der Song. Der bleibt dort für immer."), dann mußte er sich noch schnell die Fingernägel kürzen ("Ich finde, das fühlt sich immer so an, als ob man ein Stück Knochen abschneidet."), Geschenke von Fans entgegen nehmen und vieles mehr. Songs gab es natürlich auch viele zu hören - klar lag der Schwerpunkt auf den Stücken vom aktuellen Longplayer "The Invisible Band", aber auch die anderen Hits wie z.B. "Why Does It Always Rain On Me" waren dabei, und auch die obligatorischen Cover-Songs. Im Zugaben-Block gab es "All The Young Dudes" von David Bowie (gesungen von Bassist Douglas Payne) zu bestaunen, "Happy" vom Debüt-Album und als krönenden Abschluß "Back In Black" von AC/DC! Großartig. Wie heißt es so schön in "Happy": "I'm so happy, 'cause you're so happy." Paßt. Das 18. Halderner Open Air ist zu Ende, die Landluft immer noch in der Nase, eine schöne Erinnerung an ein tolles Festival bleibt im Kopf. Wie schön, daß Sigur Ros nächstes Jahr dabei sein werden.

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Text: -David Bluhm-
Foto: -David Bluhm-
 

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