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23.05.2015
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Fabelhaft!

Orange Blossom Special 19 - 2. Teil

Beverungen, Glitterhouse-Garten
23.05.2015

Rocky Votolato
Beim ersten Act des zweiten Tages - She Keeps Bees aus Brooklyn - entschuldigte sich Maestro Rembert gleich dafür, dass nicht alle Acts im Dunkeln auftreten können und auch für Jessica Larrabee und Andy LaPlant war die Uhrzeit des Auftrittes etwas gewöhnungsbedürftig. "Ich dachte, ich wäre hier alleine mit zwei oder drei Zuschauern", freute sich Jessica kurz nach 11:30 Uhr über das - wie üblich - vollzählig gefüllte Auditorium.

Das (für die Live-Shows um eine Gitarristin/Keyboarderin ergänzte) Duo She Keeps Bees in Worte zu fassen, ohne die Musik zu hören, ist etwas schwierig. Die üblichen Vergleiche mit ähnlich asketisch agierenden Indie-Acts laufen aufgrund der doch sehr eigenständigen Genre-Auffassung der Bienenhüterin nämlich grundsätzlich ins Leere. Probieren wir es mal so: She Keeps Bees agieren eigentlich mit allen Bestandteilen des Blues (Shout & Response, Blue Note, verschleppte Rhythmen, lakonische Lyrics etc. p.p.) - weigern sich aber, Blues zu machen. Da gibt's zwischen den besagten Blue Notes immer wieder Elemente, die in diesem Kontext ungewöhnlich erscheinen (und seien es Keyboard-Sprengsel oder spröde Rock Riffs). Insgesamt war dies ein Auftritt, der musikalisch so einiges an Überraschungen zu bieten hatte, während die sympathisch fahrige Art Jessicas, mit der sie ihre Songs präsentierte, gleich für eine Connection zu den Zuhörern sorgte. Der Höhepunkt des Sets bildete jedoch kein eigener Song, sondern eine emotionale Lesung des Jason Molina Titels "I've Been Riding With The Ghost". Wie Jessica nachher noch erzählte, war sie nicht nur ein Fan des verstorbenen Songwriters, sondern hatte noch versucht, ihn von seiner Downward-Spriral herunterzuholen. Außerdem - und das ist zuweilen der Grund, warum solche Cover-Titel wichtig sein können - wird Jasons Witwe mit jeder Aufführung eines seiner Songs durch die Gema-Gebühren ein wenig unterstützt. Und zum Abschluss standen She Keeps Bees noch am Stand des veritablen Road Tracks Magazins für ein Meet & Greet mit den Fans zur Verfügung.

Der zweite Act waren Husky aus Australien. Vom fünften Kontinent finden ja nicht so viele Acts den Weg nach Beverungen, führte Rembert aus - deswegen sei es erfreulich, dass mit Money For Rope und Husky (sowie indirekt auch den Charity Children) in diesem Jahr gleich mehrere Musikanten den Weg auf die OBS-Bühne gefunden hatten. Besonders spezifisch australisch klingen Husky nun zwar nicht gerade, dafür haben sie sich als Besonderheit indes eine ungewöhnliche Mischung aus US-typischem Folkpop und Prog-Elementen ausgedacht. Zumindest musikalisch zündete das Ganze insbesondere bei jenen Musikfreunden, die auf ausgedehnte Live-Versionen jenseits des planlosen Jam-Gedaddels stehen. Allerdings schienen Husky Gawenda und seine Mannen etwas gehemmt (oder überwältigt?) gewesen zu sein, wodurch die Performance einen leicht distanzierten Eindruck auf den Betrachter machte - bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem Gawenda seine Musiker um ein Mikro gruppierte (was er noch nie gemacht habe) und zusammen mit diesen und dem Publikum Leonard Cohens "Lover Lover Lover" anstimmte. Das war dann einer der wirklich großartigen, memorablen OBS-Momente, an die man sich noch Jahre später erinnern wird. Schade, dass sich dieser magischen Vibes nicht durch den ganzen Auftritt zogen.

Baby In Vain ist ein Damentrio aus Dänemark, das Rembert ausnahmsweise mal nicht auf einer seiner Live-Club-Exkursionen aufgetan hatte, sondern blind aufgrund des musikalischen Gegenstandes gebucht hatte: Glitterhouse, so Rembert, sei schließlich nicht als Songwriter-Label geboren worden und Baby In Vain böten jene Ausstrahlung, die ihn in seiner Jugend bei Acts wie Mudhoney weggeblasen habe. Das taten nun auch Lola Hammerich, Benedicte Pierleoni und Andrea Thuesen mit ihrer immens druckvollen No-Nonsense-Performance in Sachen Rock, Grunge, Rock, Blues, Rock, Punk, Rock und nochmals Rock. Nicht, dass hier etwas Neues erfunden wurde oder besondere musikalische Feinheiten zu bewundern gewesen wären - aber mit ihren gnadenlos daherpolternden Parallegitarren-Attacken und gutturalem Rock-Gebrüll im besten Sinne schafften es die Mädels sogar Skeptiker wachzurütteln. Also bis auf die Americana-Fraktion, die - wie üblich in solchen Fällen - das Gelände geschlossen zur Mittagspause verlassen hatte.

Diese war dann zum nächsten Act, der Bluegrass-Köstüm-Kapelle The Dead South aus der kanadischen Provinz demzufolge auch noch nicht zurück, sodass die knorrige Mischung aus Bluegrass-Light, Folk und Rockabilly-Andeutungen zielgruppenmäßig ein wenig ins Leere lief. Nate Hilts und seine Gebrüder boten gute Partymucke für Bartträger (die sie selbst ja auch sind) und präsentierten diese mit Verve und filmreifer Bad-Boy-Mimik. Sowohl auf der Bühne wie auch nachher wurde Hilts es nicht müde, jedem der das hören wollte und allen anderen auch, seine Heimat, die Provinz Saskatchewan, zu erklären. Nun - er konnte ja nicht wissen, dass Kanadier (auch solche aus der Provinz) gerne gesehene Gäste auf dem OBS sind und seine Heimat deswegen für uns gar nicht so exotisch erscheint, wie für ihn selbst.

Die Great Bertholinis mit ihrer Genre- und Ländergrenzen-sprengenden, multifacettalen Besetzung gehören zu den OBS-Veteranen, haben sich aber musikalisch im Laufe der letzten Jahre doch ein wenig gefestigt, so dass sich ihr Mix aus Americana-, Euro- (und insbesondere Balkan-) und Brit-Beat Versatzstücken doch zu einem recht eigenen Wesen verdichtet hat. Mit Bläsern, Keyboards und Pedal Steel. Da sich sowieso die meisten Mitglieder von Golden Kanine auf dem Festival-Gelände befanden (z.B. auch bei den Bertholinis), aber kein Slot auf der Hauptbühne mehr frei war, gab es in der folgenden Umbaupause dann den Golden Kanine Ableger Cub & Wolf auf der Minibühne zu bewundern. Merkwürdigerweise waren Linus, Dante und ihre Jungs vor diesem Auftritt aufgeregter gewesen als vor einem normalen Hauptbühnen-Gig. Vielleicht war das dann auch der Grund, warum der Auftritt auf technischem Level auf so ziemlich jede Schwierigkeit auflief, die sich in einem solchen Moment anbietet. Nicht dass das die zahlreichen Fans übel genommen hätten. Diese genossen die Möglichkeit, die (noch) ruhigere Seite der Schweden in einem ungewöhnlichen Setting zu genießen.

Rocky Votolato tauchte nach einer längeren kreativen Auszeit zuletzt eher überraschend auf dem Glitterhouse-Label wieder aus der Versenkung auf. Warum - das wurde nicht nur mit der grandiosen neuen CD "Hospital Handshakes" deutlich, auf der Rocky seine bislang besten Tracks versammelt hatte, sondern auch mit diesem Auftritt auf dem OBS, den er - erstmals in Europa - mit einer Band bestritt. Es gab druckvollen No-Nonsense Rock, der dadurch, dass Rocky selbst konsequent eine Akustikgitarre spielte, auch musikalisch eine besondere Note erhielt. Des Weiteren überzeugte Rocky mit seiner gewohnt freundlichen Art, die den zuweilen doch recht düsteren Inhalten seiner Songs ein wenig entgegen steht. Eine Sache überraschte dann aber vielleicht doch noch, als Rocky nach der Show für die Fans Autogramme gab: Der Mann gehört zur Gattung der Scheinriesen, die auf der Bühne doppelt so groß wie im richtigen Leben erscheinen. Nun ja: Musik ist ja bekanntlich größer als das Leben.

East Cameron Folkcore schließlich machten dann ihrem Namen alle Ehre, denn das, was das Jesse Moore und sein Kleinorchester hier veranstaltete, war schon ganz schön East Cameron! Die Band wird ja immer wieder gerne für ihre radikale Haltung gelobt und verehrt. Das gilt zum einen für die Inhalte - denn statt Herzschmerz gab es hier orthodoxen Agitprop der härtesten Gangart - wie auch musikalisch, denn East Cameron Folkcore machen keine Gefangenen. Gedudelt wird woanders - hier wird musikalisches Holz gefällt, bis nix mehr da ist. Die Frage ist aber dann doch, ob sich wirklich alle Zuhörer gerne anderthalb Stunden lang anschreien lassen und dann auch noch zum Mitschreien bewegt werden wollen. Für eine halbe Stunde geht das ja noch - aber vielen war es ab dann einfach zu viel des Guten. Auch wenn attestiert werden muss, dass es selten Musiker auf der OBS-Bühne gegeben hat, die mit dermaßen viel gutgelaunter Inbrunst gesegnet sind.

All das sind dann Vorwürfe, die man dem letzten Act des Abends, Sivert Høyem, nicht gerade machen kann. Der lange Kerl schlich vor dem Konzert konzentriert in einem meditativem Gesamtzustand durch den Backstage Bereich und bereitete sich so intensiv auf seinen Auftritt vor. Høyem war ja bereits vor 15 Jahren mit seiner Band Madrugada beim OBS zu Gast gewesen - und hatte damit eine hoffnungsvolle Karriere begonnen, die jedoch durch den Tod seines damaligen Partners Robert Buras schwer eingeknickt war. Heutzutage macht Høyem unter eigenem Namen solo weiter und präsentierte bei seinem Auftritt Songs seines letzten Albums "Endless Love" - spickte das Set aber immer wieder gerne auch mit Madrugada-Nummern. Interessant war dabei das Setting, denn Sivert hatte für das Konzert am späten Samstagabend nur seinen Gitarristen Christer Knutsen mitgebracht und entschuldigte sich quasi dafür, dass das Konzert leiser werden würde, als das normalerweise der Fall sei. Irgendwie war es das denn aber doch nicht, denn Christer drehte nicht nur mächtig am Volume, sondern bediente auch - quasi beidfüßig - ein monströses Basspedal und eine beachtliche Effektsammlung. Dass man Sivert Høyem und Madrugada übrigens keineswegs vergessen hatte, zeigte sich daran, dass es im Publikum nicht wenige gab (alte wie junge), die die Texte sowohl von Siverts aktuellen Songs wie auch Madrugada-Klassiker wie "Strange Colour Blue" mitsingen konnten. Und auch wenn Høyem jetzt nicht ausdrücklich um die Zuneigung der Fans buhlte, war er doch locker genug drauf für ein paar schnippische Bemerkungen und ein paar warme Worte. Emotional mag dieser Auftritt nicht das gewohnte Großereignis des zweiten Tages gewesen sein, aber stimmungsmäßig und musikalisch passte auch das.

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www.orangeblossomspecial.de
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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