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25.01.2016
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Die Oma spielt

Nicki Bluhm & The Gramblers
Jason Serious

Köln, Blue Shell
25.01.2016

Nicki Bluhm
Um es gleich mal vorweg zu nehmen: Die Oma im Titel dieser Story ist natürlich nicht Nicki Bluhm selbst, aber seit ihrem zweiten Album von 2013 agiert die aus San Francisco stammende Dame nicht mehr alleine unter ihrem eigenen Namen, wie noch auf dem Debüt "Driftwood" von 2011, sondern als Nicki Bluhm & The Gramblers - so auch auf der aktuellen CD "Loved Wild Lost", die indes in unseren Landen erst am 12.02.16 erscheinen wird. Die Gramblers sind ihre Begleitband minus Ehemann Tim Bluhm, die aus langjährigen Jugendfreunden besteht. Was aber ist eigentlich ein Grambler? "Das ist kein richtiges Wort", gesteht Nicki Bluhm, "sondern so eine Art Kunstbegriff, unter dem man sich alles mögliche vorstellen kann." Wie vielleicht einen "Rambler", der "gambelt"? (Also ein Streuner, der spielt?) "Ja, vielleicht - oder aber eine Oma, die spielt", schlägt Nicki vor. Kurzum: Im Kölner Blue Shell spielte dann sozusagen im übertragenen Sinne eben die Oma. Genug des philosophischen Überbaus.

Die Show eröffnete - ziemlich bodenständig - der in München lebende Amerikaner Jason Serious mit seiner deutsch/holländischen Band. Trotz des internationalen Flairs gab es vor allen Dingen solide Americana - anteilig mit Singer/Songwriter Touch, Country-Folk und sogar einem Rockabilly-Track. Jason Serious hat sich zumindest mal interessante Themen ausgesucht. So singt er zum Beispiel für die Comedienne Tina Fay, die in den USA zur Zeit Furore wegen einer Parodie auf Sarah Palin macht, die ja bekanntlich im Zuge der Donald Trump-Kandidatur wieder an die Oberfläche gespült wurde und er singt von den verrückten Sachen, die er in seinem Leben so alle gemacht hat (Bohnen kochen zum Beispiel). Leider tut er das nicht besonders verrückt, sondern ziemlich genrekonform. Das ist alles recht ordentlich strukturiert und wird handwerklich auch wirklich ansprechend dargeboten. Allerdings machte Serious an diesem Abend nicht den enthusiastischsten Eindruck, so dass die Sache am Ende verblüffend leblos dahin plätscherte - obwohl das Material ja durchaus Charakter hat.

Aber so ist das halt manchmal mit der Tagesform - die bei Nicki Bluhm und ihren Jungs deutlich positiver ausgeprägt erschien. Nicki Bluhm und ihre Gramblers bieten dabei einen faszinierenden Mix aus eigentlich gar nicht auf den ersten Blick zusammenpassenden Stilen. Während es zum Beispiel auf "Loved Wild Lost" klassischen Old-School-Country Rock mit 70s Touch zu bestaunen gibt (und sich die Band am Nachmittag noch bei einer Video-Session als akustisches Folkpop-Outfit empfohlen hatte), gab es auf der Bühne dann den totale Rundumschlag in Sachen US-amerikanischer Rockkulturen. Was als erstes auffiel, war der Umstand, dass sich Nicki & Co. keinen Deut um irgendwelche Regeln scheren. So fanden nur wenige Tracks von der aktuellen CD den Weg ins Set - der Rest bestand aus Material der Vorgänger-Alben, Non-CD-Tracks und beseelten Coverversionen. Da die Band aus der Bay Area kommt, ist es ja sicherlich erklärlich, dass sie sich mit dem klassischen Westcoast-Sound auskennen und diesen entsprechend implementieren. Hinzu kommt dann aber noch eine gewaltige Prise Southern Rock (bis hin zur frisch einstudierten Allman Brothers-Nummer "Statesboro Blues"), sowie mehr als je eine Prise Memphis Soul und Blues. Der Country Touch der neuen CD hingegen kam nur am Rande vor. Bei dem allen hilft es natürlich, dass die Gramblers - allen voran Gitarrist Deren Hey - aus ausgezeichneten Virtuosen (vor allen Dingen aber aus hemmungslosen Musikfans) bestehen, die sich auf der Bühne in Begeisterung für ihr Tun geradezu in Trance spielen als ginge es um ihr Leben.

Nicki Bluhm selbst verzichtet - bis auf die punktgenaue Handhabung eines Tambourins - auf eigene instrumentelle Beiträge, sondern konzentriert sich ganz auf den Gesang. Dabei stellte sich wieder mal die Frage, wie aus einer so vergleichsweise schmächtigen Person wie Nicki Bluhm es nun mal ist, eine solch mordsmäßige Stimme rauskommen kann. Nur damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Nicki Bluhm röhrt dabei keineswegs, vermag es aber sich mit ihrer vergleichsweise mädchenhaften Stimme mit mächtig Druck erstaunlich souverän zwischen den Gitarrenlicks von Deren Ney und Rhythmusgitarrist Dave Mulligan (der in Sachen Begeisterungsfähigkeit und Trance-Spielen seinem Kollegen in nichts nachsteht) durchzusetzen. Dabei outete sie sich in diesem Setting als geborene Performerin und Rampensau a la carte. Musikalisch zu sehen war das Ganze als Fest für alle, die sich für klassische, amerikanische Old-School-Mucke begeistern können. Das hörte sich zuweilen an, als seien die seligen Little Feat (inkl. Lowell George, aber ohne Bill Payne und mit Nicki Bluhm als Vokalistin) wieder auferstanden. Das war insbesondere deswegen interessant, weil alle Acts und Stile, die Nicki und ihre Mannen referenzierten, prinzipiell Männerdomänen darstellen. Es gab hier also sozusagen die weibliche Sicht auf das Ganze. Dabei emulieren Nicki & Co. das alles eigentlich nicht wirklich, denn songwriterisch brauchen sie sich hinter nichts zu verstecken, was in den o.a. Genren vorväterisch tummelte. Sie sind schlicht und ergreifend genauso gut.

Höhepunkte gab es so viele - das bedrohlich schleppende "Ravenous" etwa, das poppige "Only Always" vom neuen Werk, der schneidende Blues von "Jetplane" und dann natürlich die Coverversionen - etwa "You're No Good" in der Art der Version von Linda Ronstadt und dann - als besonderes Bonbon - als Zugabe eine Kombination des neuen Tracks "Waiting On Love", der dann mittels eines wagemutigen Bass-Solos von Steve Adams in eine Jam-Session zum Thema "Somebody To Love" von Jefferson Airplane überging, wobei hier noch ein Mal alle Register gezogen wurden - und sogar neue Aspekte in dem alten Rausschmeißer gefunden wurden. Kaum zu glauben, dass das Ganze fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, denn aufgrund dessen, dass die CD eben noch nicht erschienen ist, hatten nur eingefleischte Fans und Genre-Kenner den Weg ins Blue Shell gefunden (was wieder mal für ein intelligenteres Timing von Veröffentlichung und Tour-Booking spricht). Die, die den Weg gefunden hatten, wurden indes mit einem grandiosen, intensiven Konzerterlebnis belohnt, das so schnell nicht in der Erinnerung verblassen dürfte.



Surfempfehlung:
www.nickibluhm.com
www.facebook.com/NickiBluhmandTheGramblers/
www.jasonserious.com

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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