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12.04.2017
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Control

Desperate Journalist
Precious Few

Köln, Blue Shell
12.04.2017

Desperate Journalist
"Schön, dass heute so viele von euch gekommen sind", meinte Barbara vom Support-Act Precious Few am Ende der eigenen Show als Intro für den folgenden Headliner Desperate Journalist, "im letzten Jahr haben Desperate Journalist im (wesentlich kleineren) Tsunami gespielt - und da waren nicht so viele Leute." In der Tat hat die Band aus London offensichtlich mit der gerade erschienenen, treffend betitelten zweiten LP "Grow Up" jenen Nerv der Zeit getroffen, den sie mit ihrem Debütalbum noch verfehlt hatte.

Das hat auch einen Grund. Denn 2014 hatte sich die nach einem Teil des Cure-Songs "Desperate Journalist In Ongoing Meaningful Review Situation" benannte Band noch als Konglomerat der Vorgänger-Projekte präsentiert: Bassist Simon Drowner und Gitarrist Rob Hardy agierten zuvor als The Drowners und Frontfrau Jo Bevan hatte eine Band namens If..., in der Drowner auch schon mitmachte. Lediglich die neu hinzugekommene Drummerin Caz Hellbent hatte vorher noch keine Band-Erfahrung. Das heißt: Die Band musste sich erst mal finden und als eigenständige Band etablieren. Vielleicht kommt gerade deswegen die neue LP "Grow Up" mit einem besonders kohärenten Post-Punk-Sounddesign daher, das sich im Live-Kontext auch als veritable Wall Of Sound-Dampfwalze entpuppte.

Bevor es aber dann mit "I Try Not To" vom neuen Album tatsächlich los ging, gab es zunächst noch eine musikalische Gedenkpause in Form eines weiteren Auftrittes des Bonner Duos Precious Few. Das aus Sängerin Barbara und Gitarrist Chris bestehende Akustik-Duo - das in Köln regelmäßig als Support-Act auf den diversen Club-Bühnen anzutreffen ist - hatte sich dieses Mal um einen Gast verstärkt, der den gewohnt linearen Femme-Fatale-Blues des Duos mit Mundharmonikaspiel und diversen Gesangs-Passagen auf eine interessante Art und Weise aufpimpte. Dennoch machen Precious Few nach wie vor keine regelgerechte Party Musik: Die Songs des Duos setzen mehr auf Dramatik und Atmosphäre denn auf Melodien und Struktur. Insbesondere die etwas nervige Art Chris' die Gitarre konsequent als Dudelsack- oder Dulcimer-Ersatz zu begreifen und ständig die nicht mitgegriffenen Saiten mitklingen zu lassen, sorgen für ein enorm eintöniges Klangbild, das auch nicht dadurch relativiert wird, dass er von der ersten bis zur letzten Sekunde ununterbrochen durchschrammelt. Sängerin (und Melodica-Spielerin) Barbara hat da echt Mühe, irgendeine Art von Dynamik ins Spiel zu bringen. Aber sei es drum: Das ist ja alles kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis eines strengen Konzeptes - mit dem sich Precious Few - trotz einer gewissen Larmoyanz - wohl zu fühlen scheinen.

Etwas anders sieht die Sache da freilich bei Desperate Journalist aus. Obwohl es auch hier eine Tendenz zu einer gewissen Gleichförmigkeit zu beobachten gibt, quillt da jedoch jede Menge konstruktiv verarbeiteter Power von der Bühne. Allerdings muss die Musik dann alleine für sich sprechen. Außer einiger schüchterner "Thank You"s gab es z.B. von Jo Bevan rein gar keine Bemühungen, sich irgendwie mit dem Publikum auseinanderzusetzen. Die monosyllable Ansage "Control" zu dem gleichnamigen Single-Hit von dem Debütalbum war das einzige, was sie zwischen den Songs äußerte. Ansonsten war die Energie, die Jo Bevan verströmte, eher eine hochkonzentrierte, verinnerlichte Bemühung. Zwar bewegte sie sich energisch und hyperaktiv herumstampfend (und mit dem überlangen Mikrofon-Kabel und dem Mikro-Ständer hantierend) vor sich hin - aber meist mit geschlossenen Augen oder konzentriert entweder auf einen Punkt ungefähr 50 cm über dem Boden oder einen Fixpunkt in weiter Ferne starrend und ohne die Bemühung, eine Verbindung mit den Fans herzustellen. Das mag mit den eher düsteren, von Zweifeln durchzogenen Inhalten liegen, die Bevan in ihren Lyrics verarbeitet - führt dann aber eben auch zu einer introvertierten Haltung. Drowner und Hardy bemühten sich - in Anlehnung an die offensichtlichen Vorbilder aus vergangenen Brit-Pop-Tagen - möglichst cool rüberzukommen (Drowner mit Mod-Charme und Hardy mit Shoegazer-Tendenz) und lediglich Drummerin Caz Hellbent schien wirklichen Spaß an ihrem Tun zu haben. Zwar hatten Drowner und Hardy vor dem Konzert eine gute Viertelstunde darauf verwendet, eine elektrische Christbaum-Leuchtkette zu entwirren und auf der Bühne zu verteilen - trotzdem war dann der performerische Unterhaltungswert des Konzertes doch eher überschaubar. Dafür faszinierte dann die Klangwände, die Drowner und Hardy fabrizierten. Dabei verfügte Drowner (als Bassist, wohlgemerkt) über ein Effektpedal, das mindestens so groß war wie jenes Hardys. Letzterer gefiel durch seinen Ansatz, seine psychedelischen Soundwaves mit einer Rickenbacker-Gitarre zu erzeugen - was in einem solchen Setting eher unüblich ist und für interessante Klangfarben sorgte, die besonders bei den "balladesken" Titeln wie "Lacking In Your Love" oder "Be Kind" für - ebenfalls in diesem Umfeld eher ungewöhnliche - melodische Kling-Klang-Effekte sorgten. Bemerkenswerterweise hatte auch Jo Bevan ein Effektpedal auf dem Boden stehen - obwohl das eigentlich nicht nötig erschien, denn es ist schon bemerkenswert, welch durchdringende, kräftige Gesangsstimme mit enorm viel Sustain da aus dem eher schmächtig/zierlichen Persönchen hervorbricht. Insgesamt überzeugten Desperate Journalist trotz des überschaubaren Kommunikationswertes der Performance - einfach durch die Qualität des Songmaterials. Wobei wir wieder beim Thema wären - denn bei Desperate Journalist spricht die Musik tatsächlich für sich selbst...

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desperatejournalist.co.uk
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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