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19.02.2002
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Blues mit Kniebundhose und Gummischuhgesicht

Walter Trout And The Radicals
Peer Gynt

Bonn, Jazz Gallerie
19.02.2002

Walter Trout
Ein kleiner Schritt für die in diesen Dingen erfahrene und geschmackssichere Bonner Jazz Gallerie, die dieses ausgesprochene Vergnügen schon x-mal hatte, aber ein großer Schritt für den Blues: Walter Trout live, the former sidekick of John Lee Hooker, Big Mama Thornton, John Mayall, Canned Head oder B.B. King! Doch bevor der endlich los legte, galt es noch, die Vorgruppe zu observieren, zu fotografieren und.... zu tolerieren...

Peer Gynt sind keinesfalls und niemals mit den auf den Gaesteliste.de-Seiten hoch gelobten, gleichnamigen Saarbrückern, die auf One Take Records veröffentlichen, zu verwechseln. Diese Peer Gynt kommen aus Norwegen, erscheinen wie Walter Forellchen auf Ruf und sind, hm, etwas schwer greifbar. Optisch ist das fraglos ein Knaller: Der namensspendende Gitarrist und Sänger erscheint in einem Phantasiekostüm zwischen Schwarzwaldmädel, Möchtegernkanzler Stoibi auf dem Oktoberfest und ungarischer Volkstanzgruppe am Ort des Geschehens, Bassist Lars Fish (!) mimt mit Übergewicht und Ray Bans den coolen Blues Brother, während Schlagzeuger BP Hovik an der äußersten Bühnenperipherie erfolgreich Abstand vom Treiben auf und vor der Bühne sucht. Mit einem Instrumental, das bis ins Kleinste eine Verbeugung vor dem verblichenen Stevie Ray Vaughan darstellte, stiegen die Jungs aus Norwegen ein, während die für mich gleichfalls nicht identifizierbare zweite Nummer sich eher in Richtung Frank Marino zu verneigen schien. "Life Ain't Easy" war die mit Track Drei verbreitete Erkenntnis, was zu einer Robin Trower-esken Slow Blues-Nummer überleitete, in deren Verlauf Peer G. von Ergriffenheit überwältigt in die Knie brach: Hatte nie gedacht, daß es auch im Blues Poser gibt, seit diesem Abend weiß ich es. Und wie! Nach einem weiteren, heftigst "rollin'" dargebotenen Stück erschienen nun Bo Diddleysche Klänge von der Bühne, was zu der unglaublichen und kaum zu verzeihenden Genialstückfledderei überleitete, die Peer Gynt den Fleetwood Mac der Peter Green-Ära in Gestalt ihrer Version von "Oh Well" antaten. Ganz als wüßte er, welche Strafe darauf steht, Jeff Beck, Peter Green oder Robin Trower schlecht zu covern, überschüttete Peer nun mitten im schönsten Treiben seine Schrammel mit Feuerzeugbenzin und... zündete sie an! Das hat man zwar auch von Jimi H. und Richie B. schon etwas inspirierter gesehen, sorgte aber für ein jähes Hoch an Publikumsaufmerksamkeit, bevor die Norweger ihre Scherben einsammelten und sich wieder empfahlen.

Walter Trout, seit einiger Zeit bekennender Christ und Abstinenzler, nachdem er zuvor viele Jahre lang auch ganz gut unter "Forelle Blau" hätte firmieren können, ist seit Rory Gallaghers (alkoholinduziertem) Ableben der vermutlich größte Bluesgitarrist weisser Hautfarbe. Diesem nie von ihm geäusserten, aber sich u.a. in der Nominierung als "Gitarrist des Jahres" bei den LA Music Awards 2001 abmalenden Anspruch wurde Walter an diesem Abend in Bonnchen mal wieder mehr als gerecht. Wer zwar Blues kennt und mag, aber Trout noch nicht begegnet ist, kommt aus dem Staunen einfach nicht heraus, wenn er diesem Ausnahmekünstler erstmals ausgesetzt wird, weil dieser Virtuose keinerlei Barrikaden zwischen musikalischer Inspiration, sofortiger Umsetzung in Feeling und schier unglaublicher Fingerfertigkeit zu haben scheint. Außerdem ist er der einzige uns bekannte Künstler, der es zu höchsten Leistungen in drei Disziplinen GLEICHZEITIG bringt: Gesang, Gitarrenspiel und Grimassenschneiden mit seinem unglaublichen Gummischuhgesicht (vgl. Foto-Galerie).

"Love So Deep" vom aktuellen Pracht-Album "Go The Distance" eröffnete diesen Fisch-Reigen furios, wenig später gefolgt von einer der schönsten Trout-Nummern aller Zeiten, "The Reason I'm Gone", bei dem er den gitarrespielenden Menschen im Publikum auf völlig selbstvertrauensmordender Weise vorzuführen pflegt, wozu der Volume-Regler an der Strat eigentlich eingebaut worden ist! Wieder etwas später schlägt das auf Studio-CD eigentlich etwas zahmer daherkommende Titelstück der neuen CD mit derartiger Brachialgewalt über uns Bonner Bluesjüngern zusammen, daß es wirklich nur so raucht und einige Kondition erfordert, wirklich "The Distance" zu erreichen. Nun ist es aber Zeit für die erste Slow-Tempo-Nummer: "Faithful" ist Trouts Ehegespons gewidmet, wird auch durchaus liebevoll angesagt, würde aber trotzdem eher in Truck Stop- als in Blueskneipen wirklich gut rüberkommen. Doch dann geht es ja schon mit "Message On The Doorway" weiter, was vermutlich auch allen Anwesenden gut tut. Next Number is "Love So Deep", wieder vom aktuellen Album, John Lee Hooker gewidmet. Hierin enthalten ein Orgel-Solo von Sammy, das sich entschieden mit Persil gewaschen hat. Da weiß man, was man hat. Guten Abend. Oder doch noch nicht ganz: Geboten wurden ja außerdem noch die beste Version von Dylans "I Shall Be Released" seit Veröffentlichung der Secret Policeman's Ball-Fassung mit Jeff Beck, Eric Clapton und Sting, eine auch Nichtschotten mit Ganzkörpergänsehaut versorgende Version von Auld Lang Syne ein B.B. King gewidmetes räudiges Rock'n'Roll-Meddley, zu dem einleitend Mr. Trout erzählte, wie Mr. King ihm beigebracht hat, auch mal nicht ganz so schnell zu spielen, wie es ihm technisch möglich ist. Dieser Abend war eine Blues-Sternstunde.

Text: -Klaus Reckert-
Foto: -Stephan Kunze-
 

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