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18.03.2019
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Connection - not perfection

Freya Ridings
JC Stewart

Köln, Luxor
18.03.2019

Freya Ridings
"Das ist erst das dritte Mal, dass ich in Köln spiele - und schon jetzt ist die Show ausverkauft. Vielen Dank dafür!", erklärte Freya Ridings eingangs ihres Konzertes im Kölner Luxor. Das Bemerkenswerte an dieser Aussage war dann eigentlich der Umstand, dass Freya überhaupt schon drei Mal in der Domstadt zu Gast gewesen ist, denn ihre eigentliche Debüt-LP lässt ja nach wie vor auf sich warten. Aber Freya gehört sowieso zu jenen Künstlerinnen, die vieles anders machen als vergleichbare Kolleginnen. So begann sie ihre Laufbahn zwar - wie heute üblich - indem sie einzelne Tracks auf YouTube hochlud - aber sie setzte von vorneherein auf den direkten Kontakt zu ihren Fans, spielte von Anfang an regelmäßig live und so richtig ins Laufen kam ihre Karriere erst dann, als sie das dann auch dokumentierte und zunächst gleich zwei Live-Alben ("Live at Omeara" und "Live At St. Pancras Old Church") herausbrachte. Kein Wunder also, dass die Fans im Luxor mit ihrem Material dann auch bestens vertraut waren.

Freya machte es den Zuhörern dann aber auch denkbar einfach: Der einzige Track, der - bis auf ein paar Demos und Live-Bootlegs - vorher noch nicht verfügbar war, kam in Form der Zugabe "Holy Water" daher - inklusive Gebrauchsanweisung zum Mitklatschen und -Singen und einem furiosen Finale, bei dem die ansonsten im Hintergrund agierende Band auch mal ihre Fähigkeiten zeigen konnte. Aufgrund des Umstandes, dass diese Nummer dann zu den wenigen Power-Pop-Momenten in Freyas Repertoire gehörte, geriet das dann auch gleich zu einem echten Highlight der Show. Ein wenig überraschend war vielleicht der Umstand, dass das Set inklusive der beiden Zugaben aus gerade mal 12 Tracks bestand und längst nicht Freyas ganzes verfügbares Material beinhaltete. Andererseits musste man es ihr auch anrechnen, dass sie bis auf das Yeah Yeah Yeahs-Cover "Maps" (einem der ersten Tracks die sie veröffentlicht hatte) vollständig auf eigenes Material setzte. Und dieses hat mittlerweile dann auch eine bemerkenswerte Bandbreite erreicht. Denn begann Freya Ridings zunächst als melancholische Piano-Prinzessin, so hat sie heutzutage doch diverse Tracks im Angebot, bei denen sie ihre Band effektiv bei Tracks wie "Castles" oder "Ultraviolet" einbindet und so Gebrauch von den verschiedenen sich anbietenden Klangfarben macht. So arbeitet etwa Gitarrist Andrew Smith mit so vielen Effekt-Pedals, dass er ganze Klangwände inszeniert, die kaum noch etwas mit Gitarrensounds zu tun haben und insbesondere James Douglas, der nonchalant zwischen Cello, Bass und Synthesizer wechselte, sorgte für ein reichhaltiges Sounddesign. Auf der anderen Seite stehen da die Solo-Momente, die Freya nutzt, um Songs, die ihr aus diesen und jenen Gründen besonders am Herzen liegen, alleine vorzutragen. Zu dem Song "Unconditional", einem der wenigen positiv gestimmten Songs ihres Repertoires (der aber dennoch immer noch recht gedämpft daher kommt), erhob sich Freya vom Piano und trug den Song auf der Gitarre vor - illuminiert von den Handy-Lampen der Fans (früher nahm man für so etwas Feuerzeuge). Ansonsten gefiel die Show dann dadurch, dass auf produktionstechnischen Schnickschnack (bis auf einige eingespielte Chöre bei "Holy Water") verzichtet wurde und die Veranstaltung somit ganz im Zeichen klassischer Old-School-Handwerkskunst und Freyas bemerkenswert raumgreifender, voluminöser Stimmer stand. Selbstverständlich ist so etwas auf dem Pop-Sektor, dem Freya im positiven Sinne zuzurechnen ist, ja heute nicht mehr und deswegen muss das auch entsprechend hoch angerechnet werden - auch wenn da vielleicht nicht alles perfekt rüberkommt. Aber wie Freyas Mama ihr mit auf den Weg gegeben hatte: "It’s all about connection - not perfection". In diesem Sinne zeigte sich Freya im Kontakt mit dem Publikum - nicht zuletzt durch die persönlichen Geschichten, mit denen sie ihre Songs einleitete - für einen kommenden Superstar dann auch erstaunlich nahbar - und vor allen Dingen absolut glaubwürdig.

Eingeleitet wurde die Veranstaltung übrigens durch den Beitrag des irischen Songwriters JC Stewart. Der Junge Mann aus Cork überraschte dann als humorvoller Entertainer mit seiner lockeren, selbstironischen Art und präsentierte sich mit den lockeren Sprüchen als begnadeter Verkäufer seiner selbst. Leider sind seine eher generisch angelegten, melancholischen Folkpop-Songs und Piano-Balladen im Romantik-Setting dann noch nicht so unterhaltsam, wie sie es seiner Präsentation entsprechend eigentlich hätten sein müssten. Immerhin hatte Stewart mit "Girls Just Wanna Have Fun" eine eher überraschende Coverversion im Gepäck. Alleine durch seine Bühnenpräsenz gelang es Stewart am Ende dann aber doch, das Publikum auf unterhaltsame Art auf seine Seite zu ziehen. Und das zählt ja.

Freya Ridings
NACHGEHAKT BEI: FREYA RIDINGS

GL.de: Könntest du mal kurz deine bisherige Laufbahn darlegen?

Freya: Ich bin im Norden von London aufgewachsen. Meine Eltern sind beide Schauspieler - lieben aber auch Musik. Mein Vater spielt Gitarre und meine Mutter Piano. Ich hatte in der Schule meine liebe Mühe - wurde gehänselt, weil ich rote Haare habe und groß bin und ich bin Legasthenikerin, wodurch ich nicht richtig lesen und schreiben konnte - was ziemlich schwierig für mich war. Ich wollte dann Klavier lernen - wobei man mir sagte, dass das nicht ginge, weil ich ja die Noten nicht richtig lesen könne. Ich habe mir dann aber gesagt: Wenn ich das hören kann, dann kann ich es auch lernen. Das habe ich dann getan und begann dann auch gleich eigene Songs zu schreiben. Das ist dann das, was ich seit dem Alter von neun Jahren hauptsächlich gemacht habe. Ich wollte seither nie etwas anderes machen. Das ist mein Plan A und einen Plan B habe ich auch gar nicht.

GL.de: Wie ist die Sache mit dem Video von "You Mean The World To Me" zustande gekommen - bei dem die Schauspilerin Lena Headey ihr Debüt als Regisseurin absolvierte und in dem unter anderem Maisie Williams und Steve Waddington als Schauspieler mitwirken?

Freya: Lena Headey hat tatsächlich mich kontaktiert und mir erklärt, dass sie meine nächste Single möge und vorhabe, sich als Video-Regisseurin zu versuchen. Das hat mich natürlich umgehauen, weil ich sie - und "Game Of Thrones" - sehr mag. Sie hat dann Maisie Williams mit an Bord geholt und sie und ich spielen dann in dem Video zusammen. Das war sehr emotionaler Prozess über einen Drei-Tage-Dreh. Es war ein bisschen seltsam, weil ich Maisie erstmals getroffen habe und wir uns dann drei Stunden später weinend in den Armen lagen. Ich habe den Song ja für meine Mama geschrieben, als sie im Krankenhaus lag - das war also sowieso schon sehr emotional. Das Musikvideo hat dann noch mal eins draufgesetzt.

GL.de: Heißt das, dass du es demnächst auch als Schauspielerin versuchen willst?

Freya: Zu Hölle nein! Das ist so lustig, weil wirklich jeder in meiner Familie schauspielert - meine Eltern, mein Bruder, seine Freundin... Ich bin da eher das schwarze Schaf - aber auf eine gute Art, weil ich ja eine Sängerin bin. Ich könnte einfach nicht auf die Bühne gehen und nicht ich selbst sein - das wäre zu seltsam für mich.

GL.de: Im Frühstücksfernsehen hast du ja erzählt, dass du wohl kaum demnächst fröhliche Songs schreiben würdest. Wird es denn in Zukunft aber zumindest vielleicht mehr Up-Tempo-Songs wie "Castles" geben?

Freya: Ja, das ist ein bisschen komisch, weil ich mich generell zu melancholischem Material hingezogen fühle; einfach deswegen, weil ich das mit dem Herzen fühle, wenn ich am Klavier sitze. Bei Live-Shows mag ich aber auch diese schnellen, von Beats getragenen Nummern. Ich mag es auch, schnelle Songs zu singen. Ich denke, ich muss mich aus dieser Verfassung lösen, dass ich NUR traurige Songs schreiben kann. Ich bin in diesem Fall schon eine zwiegespaltene Person. Auf dem Album gibt es dann definitiv einen Mix - auch von alten und neuen Stücken. Ich möchte natürlich meine Favoriten draufpacken - aber es ist fast wie bei den "Hunger Games", dass nämlich die Songs um ihren Platz auf der Scheibe kämpfen müssen.

GL.de: Du bist ja eine recht lebenslustige Person, wenn man das mal so sagen darf. Bedeutet das vielleicht, dass du all deine negativen Emotionen in deine Song packst?

Freya: Total. Ich finde auch, dass das generell so ist. Ich habe ein paar Onkel, die alle Heavy Metal-Fans sind. Und das sind die nettesten Menschen in der Welt. Ich denke, sie lassen all ihre Wut und ihre Traurigkeit in der Musik raus. Das ist bei mir genau so. Wenn ich zum Beispiel mit meiner Band zusammen bin, dann lachen wir ständig, weil wir uns amüsieren. Und wenn ich dann auf die Bühne gehe, wird alles ganz emotional und ernst. Ich denke also, dass an deiner Theorie was dran ist.

GL.de: Was macht denn einen guten Song für dich aus?

Freya: Für mich? Ich denke es ist die Ehrlichkeit der inhaltlichen Aussage. Wenn du einen Text nur konstruierst, dann hast du das Publikum ganz schnell verloren. Man muss - auch unbewusst - emotional aufrichtig und ehrlich sein in seinen Texten. Das machen auch die Künstler, die verehre wie Adele, Florence oder Hozier.

GL.de: In dem Zusammenhang: Du hast ja den Hozier-Song "Work-Song" in deinem Programm. Das ist ja eine Gospel-Nummer, die dir gut zu Gesicht steht. Wäre das nicht ein Rezept für die Zukunft?

Freya: Da triffst du aber den Nagel auf den Kopf. Ich bin nämlich von Gospel-Musik fasziniert - und das sind auch einige meiner Freunde, mit denen ich zusammen produziere. Ich möchte gerne in dieser Richtung experimentieren, den Sound expandieren lassen, mehr mit Stimmen arbeiten und vor allen Dingen echte Instrumente verwenden. Es ist ja heutzutage einfach, am Computer zu Erfolgen zu kommen. Aber es ist etwas anderes mit richtigen Leuten und richtigen Stimmen zu arbeiten. Das fühlt man und das ist es, was ich auch möchte.

GL.de: Die meisten deiner Songs sind ja sehr persönlich. Hast du dir schon überlegt, worüber du in Zukunft schreiben möchtest? Denn du musst ja alles erst mal erleben, bevor du darüber schreiben kannst.

Freya: Das ist eine sehr gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe - denn du hast Recht: Es geht da ja um mein Leben und ich hatte bisher eine Menge Zeit, darüber zu reflektieren. Jetzt gibt es ja gar nicht mehr die Zeit, mich mit diesen steinigen Beziehungen zu beschäftigen, die ich bisher erlebt habe. Ich habe schon mal versucht über andere Dinge zu schreiben - aber interessanterweise kommen die Songs, die ich über mich schreibe immer am besten beim Publikum an. Es ist aber so, dass zum Beispiel das Reisen auch sehr inspirierend ist - vielleicht auf einer anderen emotionalen Ebene, denn du vermisst die Leute, die dir nahe stehen. Man fühlt auch die Isolation und die Einsamkeit - stärker vielleicht noch als früher. Aber: Man tut das, was man liebt - und das gibt dann diesen bittersüßen Zustand in dem sich mein Leben zur Zeit befindet. Ich finde also schon noch etwas, über das ich schreiben kann - keine Sorge.

GL.de: Was ist denn für dich, als jemand, der in einem Genre tätig ist, das es schon lange gibt und in dem vieles schon ausprobiert worden ist, die größte Herausforderung als Songwriterin?

Freya: Also für mich ist die größte Herausforderung konstruktive Kritik von anderen anzunehmen - ohne sich dabei selbst verleugnen zu müssen. Es ist ja relativ einfach, die Leute zufriedenzustellen, indem man macht, was cool ist. Was ich aber gemacht habe, war nie cool. Aber ich wusste, dass es das repräsentierte, was ich bin und wollte mir immer treu bleiben - auch gegen Widerstände. Das zeigt, dass es sich lohnt, seinen Weg zu gehen - ohne dabei aufzuhören an sich zu arbeiten. Das ist besser als zu versuchen, cool zu sein - denn das funktioniert nämlich nicht.

GL.de: Was für dich das wichtigste, wenn du auf der Bühne bist?

Freya: Es ist wichtig, sich auf der Bühne in den Zustand zurückversetzen zu können, in dem die Songs entstanden sind. Die Songs selber lösen diesen Prozess dann für mich aus - auch wenn das wie eine Achterbahnfahrt sein kann. Dabei mag sich die Stimmung zwar ändern - davon abhängig, wie man den Raum und das Publikum und die Situation spürt oder ob die Leute mitsingen oder nicht - aber es ist dann auch ein interessanter Mix aus Emotionen, der sich so ergibt. Dabei kommt es mir nicht darauf an, dieses Pop-Roboter-Ding durchzuziehen. Ich bin ein Mensch und ich mache Fehler - aber ich fühle - und das wissen die Menschen zu schätzen. Wichtig ist, was mir meine Mutter mal gesagt hat, wenn ich vor einer Show nervös war: "It’s all about connection, not perfection." Da habe ich mir gedacht: Cool! Denn Perfektion alleine reicht ja wirklich nicht - weil dazu niemand einen emotionalen Bezug aufbauen kann.

Surfempfehlung:
freyaridings.com
www.facebook.com/freyaridings
www.instagram.com/imjcstewart
soundcloud.com/imjcstewart
www.youtube.com/watch?v=cJt8RDOjKBU
www.youtube.com/watch?v=IB41mHabvCc
www.youtube.com/watch?v=FbH5_JpFYQg

Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
 

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