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10.04.2020
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Balsam für die Seele

Courtney Marie Andrews

Quarantine Concerts, Nashville, Tennessee
10.04.2020

Courtney Marie Andrews
Kurz vorab: Hierbei handelt es sich nicht um einen üblichen Konzertbericht, sondern eine Berichterstattung über Quarantäne-Konzerte im Rahmen der andauernden Corona-Situation.

Ein bisschen ironisch ist es schon: Da bestreitet Courtney Marie Andrews in ihrem Musikzimmer daheim in Nashville, Tennessee, ein Livestream-Konzert bei YouTube Live, um Geld für ihre Band und Crew einzuspielen, die anders als sie in der Coronavirus-bedingten Tourneezwangspause nicht auf Songwriter-Tantiemen zählen können, und beweist dabei 70 Minuten lang vor allem eines - dass sie auch allein eine echte Wucht ist, wenn es darum geht, Oldschool-Country-Seligkeit, feingliedrigem Folk und Indie-Attitüde zeitlosen Glanz zu verleihen.

Das Setting für den Auftritt ist angenehm heimelig. Das sonnendurchflutete Zimmer vermittelt mit Holzfußboden, Wurlitzer-Klavier vor dem Fenster und John-Prine-Poster an der Wand eine ähnliche Stimmung wie einst Carole Kings "Tapestry"-Cover. Außer Courtney selbst könnte alles in dieser Szenerie auf den ersten Blick aus dem Jahre 1971 stammen. Auch musikalisch knüpft sie an diese Epoche an, denn auch wenn sie mit jeder weiteren Platte - ihre neue, "Old Flowers", erscheint in der ersten Juni-Woche - mehr zu sich selbst findet, sind in ihren Songs die Jonis und Emmylous nie fern.

Dass viele ihrer Songs von Isolation und Einsamkeit handeln, macht Lieder wie "Table For One" oder "Near You" in der derzeitigen Situation besonders ergreifend, allerdings stehen sie nicht allein deshalb auf der Setlist. Der Großteil des Konzerts besteht aus Songwünschen der Zuschauer, und die hatten sich, neben Alltime-Favorites wie "Irene" oder "How Quickly Your Heart Mends" vor allem auch Lieder aus Courtneys Frühwerken gewünscht, die die Künstlerin selbst am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen würde. Vor "Song For Tourists" sagt sie deshalb: "Ich kann nicht glauben, dass ihr mich überredet habt, dieses Lied zu spielen", und gibt zu, dass sie erst einmal den Text finden musste. "Ich hab nach meinem alten Notizbuch mit dem Text gesucht, bis mir bewusst wurde, dass man seine eigenen Texte googeln kann", gesteht sie lachend. Doch nicht nur die alte Schreibkladde hat sie gefunden, sie singt das Lied auch mit der gleichen Inbrunst wie die brandneuen. Den Zuschauern ist sie dabei nicht nur wegen des knappen Bildausschnitts ganz nah, denn wie auch bei ihren regulären Auftritten verzichtet sie natürlich auch hier auf jegliche technischen Spielereien und Effekte und rückt die natürliche Schönheit ihrer seelenvollen Wahnsinnstimme so ganz in den Mittelpunkt.

Genauso ungekünstelt wie die Performance sind auch die warmherzigen Geschichten zwischen den Liedern, ganz egal, ob sie von ihrem alten Tourmobil erzählt, das zeitweise auch ihr Zuhause war, Scherze über ihr altes Piano und Social Distancing macht ("Hat jemand zwei Meter lange Arme, um mein Klavier zu stimmen?") oder freigiebig über die Inspirationen hinter den Liedern plaudert. Auch ihrem wenige Tage zuvor verstorbenen Helden John Prine huldigt sie - mit einer Anekdote von einem gemeinsamen Auftritt im April des letzten Jahres, der für sie mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus endete und ihrer famosen Version von "Angel From Montgomery", in der Soul-Intensität und Folk-Storytelling bruchlos zusammenfließen. Doch auch mit ihren eigenen Songs gelingt es Courtney fabelhaft, Emotionen greifbar zu machen. Mit ihrer neuen Single "If I Told" transportiert sie brillant das Gefühl, sich nach vielen Jahren in einer Beziehung wieder verletzlich zu fühlen, und als sie ganz am Ende von der Akustikgitarre für einige Songs ans Klavier wechselt, taucht sie beim sonst nur selten gespielten "Only In My Mind" ganz in eine Traumwelt mit Neil-Young-Vibe ein - ihrem verstimmten Piano und einem dem Sustainpedal im Weg stehenden Mikroständer sei Dank. Mit "Ships In The Night" steht ein letzter emotionaler Ausblick auf Courtneys kommendes Album ganz am Ende, der ist, wie das Konzert: Balsam für die Seele.

Der virtuelle Spendenhut für Courtneys Band und Crew ist hier!

Surfempfehlung:
www.courtneymarieandrews.com
facebook.com/CourtneyMarieAndrews
twitter.com/courtneymamusic
twitter.com/courtneymamusic
courtneymarieandrews.bandcamp.com
www.youtube.com/watch?v=gkmcjbdeUT0

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
 

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