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18.04.2020
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Eis auf dem Speicher

Nicole Atkins

Quarantine Concerts, Nashville, Tennessee
18.04.2020

Nicole Atkins
Kurz vorab: Hierbei handelt es sich nicht um einen üblichen Konzertbericht, sondern eine Berichterstattung über Quarantäne-Konzerte im Rahmen der andauernden Corona-Situation.

Also die Sache ist die: Eigentlich hätte "Italian Ice", das neue Album von Nicole Atkins am letzten Freitag erscheinen sollen. Gleich im Anschluss wollte die Songwriterin aus Nashville dann auch gleich auf Tour gehen. Wie so vieles, steht das ja jetzt erst mal in den Sternen. Die Veröffentlichung des Albums wurde auf Ende Mai verschoben und die Tour wird vermutlich erst im nächsten Jahr realisiert werden können. Weil aber ihre Musiker nun - wie so viele andere - ohne Einkommen sind, kam Nicole auf die Idee, den Speicher in ihrem Haus im heimatlichen Nashville in ein Studio umzugestalten und unter dem Motto "Together We're All Alone" (einer Abwandlung ihres Songtitels "Together We're Both Alone") ihre Version der Quarantine-Concerts als Benefiz-Veranstaltung für eben diese Musiker zu gestalten und bis auf weiteres jeden Samstagabend eine Variety Show mit verschiedenen zugeschalteten Gästen zu streamen.

Nicoles neues Album "Italian Ice" ist zwar in den Muscle Shoals Studio in Alabama entstanden - es ist jedoch nicht als Hommage an den Southern Soul gedacht, sondern eher als musikalische Reminiszenz an ihre Jugend in New Jersey, wo sie aufwuchs und insbesondere fasziniert war von dem Boardwalk-Phänomen. An den Küsten der USA finden sich allenthalben Boardwalks, auf denen vielerorts auch permanente Zirkus-Attraktionen zu bestaunen sind. Daher kommt wohl auch die Idee, die Quarantine-Concerts als Shows mit verschiedenen Attraktionen anzulegen.

Als Musikerin, die ihren Lebensinhalt darin sieht, als Musikerin um die Welt zu reisen und dabei so viele Menschen wie möglich zu treffen, hat Nicole - was die möglichen Gäste für diese Shows betrifft - sozusagen die freie Auswahl. Bei der Show am 18.04.2020 waren das zum Beispiel Puddles Pity Party - ein singender Pausenclown, den Nicole auf einer Tour mit den Eels (nicht den Eagles, wie sie sagte) kennengelernt hat - die australische Songwriterin Ruby Boots, mit der Nicole ebenfalls unterwegs gewesen war und Lola Kirke, die Tochter des Bad Company Drummers Simon Kirke, ist eine bei uns noch nicht so bekannte, aber in den USA immens populäre Schauspielerin, die parallel eine Karriere als Songwriterin (u.a. in Zusammenarbeit mit Matthew E. White) fährt. Nicole hatte diese kennengelernt, als Lola ihr anbot, mal ihre Friseurin auszuleihen.

Wer Nicole Atkins schon mal live erlebt hat, der weiß denn ja auch, dass neben der exquisit auf die jeweilige Situation zugeschnittene musikalische Präsentation auch eine Portion guten Show(wo)manships zu ihrem Repertoire gehört. Dazu gehört dann auch, dass sie die besagte Speicher-Bühne mit Ballons, Disco-Balls, Glitter und Backdrops garniert hat und sich keineswegs darauf beschränkt, die Songs solo zur Gitarre vorzutragen. Zwar begann Nicole die Show zunächst vergleichsweise konventionell mit "The Way It Is" und dem Publikumswunsch "Sleepwalking", griff aber beispielsweise bei den neuen Tracks (zu denen die Musik vom Band eingespielt wurde) zu diversen Hilfsmitteln, um die Tracks dramatisch aufzuwerten. Für den Track "Domino" etwa verwandelte sie das Szenario mit Hilfe einer Bauleuchte in eine Disco (und ließ dabei auch noch eine Madonna-Referenz einfließen), zu "Far From Home" griff sie zu einem Fächer und für "Mind Eraser" nahm sie eine Rassel zur Hand und ließ es sich nicht nehmen, in Crooner Manier direkt in die Kamera zu singen. Freilich waren es dann doch die Akustik-Tracks die letztlich zu den Highlights gehörten. So etwa der "Titeltrack" der Veranstaltungsreihe "Together We're Both Alone" von "Neptune City", der dort ja mit üppig-plüschigen Arrangements glänzt - in diesem Setting von Nicole indes auf den emotionalen Kern reduziert wurde. Dann war da noch die mit Jim Sclavunos geschriebene Tour-Ballade "Never Going Home Again", in der Jim und Nicole all ihre Tour-Erlebnisse in Form einer Mamas & Papas-Ballade zusammentrugen. Und nicht zuletzt der abschließende Track - eine improvisierte Version von Doris Days "Que Sera", die Nicole zu Ehren ihres in dieser Woche verstorbenen Großvaters spielte, der dieses Stück sehr geliebt habe und in dem Nicole einen aktuellen Bezug entdeckte: "Die einzige Sache, die mich zur Zeit wirklich nervös macht, ist, wenn ich an die Zukunft denke", erklärte Nicole nämlich, "weil wir schließlich ja nicht wissen, was uns die Zukunft bringt." Nun: Whatever will be will be...

Ach übrigens noch eins: "Italian Ice" ist Nicoles Spieler-Name bei den Würfelspiel-Sessions, mit denen sich die Musiker während der Aufnahmen der LP in Pausen die Zeit vertrieben.

Die Beiträge der Gäste wurden per Video-Aufzeichnung eingespielt. Dabei gab es technische Probleme, als das Video zu dem Stück "Your Song" von Ruby Boots zunächst durch Aussetzer unterbrochen wurde und bei einem zweiten Versuch der Ton teilweise ausfiel. Der traurige Clown Puddles trug seinen Track vor einem lustigen Zirkus-Backdrop vor und Lola Kirke präsentierte ihre einfühlsamen Reflektionen zu dem Thema, dass Gott ja auch eine Frau sein könne, mit eleganter Coolness von ihrer Terrasse in Nashville aus. Auf der technischen Seite überrascht diese Serie übrigens nicht nur durch einen brillanten Sound, sondern auch die Tatsache, dass die Shows mit zwei Kameras und in hoher Auflösung gestreamt werden. Davon können sich andere, die mit ihren Handies im Selfie-Modus hantieren, gerne mal eine Scheibe abschneiden. Die Serie wird bis auf weiteres mit Shows am Samstagabend (= bei uns ca. Mitternachts) fortgesetzt.

Surfempfehlung:
www.youtube.com/watch?v=09bxfGDi0MY
www.youtube.com/channel/UC7-lRUDTlQuCXzIpefqRjnw
www.facebook.com/NicoleAtkinsOfficial
www.nicoleatkins.com
Patreon.com/NatkinsFunhose

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Screenshots-
 

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