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21.03.2003
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Beinhart

Damo Suzuki & Cul De Sac
Zeitloop

Bonn, Harmonie
21.03.2003

Damo Zuzuki & Cul de Sac
Die eher beschauliche Harmonie in Bonn war an diesem Abend ein Ort, wo musikalische Welten aufeinanderkrachten und ganze musikalische Universen geboren wurden. Nicht, dass hier etwas wirklich Neues entstand, aber den o.a. als Allegorie angeführten Prozess konnte man streckenweise in erschlagender Fülle miterleben. Zeitloop aus Köln haben sich ja bekanntlich den Krautrock als Messlatte hingelegt. Dass sie bei dieser Show mehrmals darüber hinweg hüpften oder drunter her krochen, lag zuweilen schlicht an den Umständen. Z.B. stand Bassist Joseph Weninghaus am Anfang schlicht am falschen Platz, wodurch er dann beim recht druckvollen Opener "Invisible Man" über den Keyboarder Alexander Mayen klettern musste, wodurch er aus dem Takt geriet und dem Song so eine zwar unfreiwillige, aber mitreißende Dynamik verlieh. Dass Chris Toyotas Gitarre dann auch noch richtig laut durch die Gegend sägte, verlieh dem Song dann dar eine punkige Note.

Zeitloop
Der Unterschied zwischen Zeitloop und anderen Krautrock-Bands ist ja u.a. der, dass die beteiligten Musikanten aus ganz unterschiedlichen Ecken kommen: Toyota vom Rock und Schlagzeuger Klaus Maaß vom Jazz und der Weltmusik. Und so lebt die Musik dann auch davon, dass hier allerlei Zutaten - nicht immer perfekt, aber doch zumindest sympathisch - nebeneinander gestellt werden. Neben den üblichen Tracks des Debüt-Albums "Weihnachten in der Sahara" gab's dann auch noch neues Material - alles effektvoll illuminiert vom sich ständig drehenden Mirrorball. In der dann stets zahlreicher auflaufenden Fangemeinschaft von Altmeister Damo Suzuki fanden die Jungs dann auch eine dankbare Zuhörerschaft, denn Damos Fans wissen ja was von improvisationsbetonter Mucke mit langem Atem. Kritik sei dennoch erlaubt: Die Texte der Musikanten erreichen nicht immer das Level, das notwendig wäre, diese der bloßen Lautmalerei zu entheben. Aber man versprach, daran zu arbeiten.

Damo Zuzuki & Cul de Sac
Es gab dann eine relativ lange Umbaupause, in der Cul De Sac aus Boston sich auf der Bühne einrichteten. Das lag daran, dass Gittarist Glenn Jones und Keyboarder Robin Amos zunächst ihre Höllenmaschinen tunen mussten. Im Falle von Amos war dies eine Koffer mit etlichen Gitarren und eine ganze Kommode mit Effekt-Pedalen, die dieser im Folgenden fast wie eine Tastatur bediente. Amos hingegen (der das Publikum in Deutsch mit den Worten "wir sind glucklich hier zu spielen" willkommen hieß) verbarg sich fast die ganze Zeit kapuzenbewehrt hinter einem hölzernen Kasten, der offensichtlich einen oder mehrere analoge Synthesizer und Soundmodulatoren enthielt, mit deren Hilfe sich alle möglichen Sounds erzeugen ließen - außer properen Tönen. Jedenfalls stellten sich Amos hochfrequente White-Noise Orgien im Verlaufe des Konzertes als Prüfstein heraus, an dem sich zuschauertechnisch die nervenschwache Spreu vom stoischen Weizen trennte. Cul De Sac spielen eine teilweise faszinierende und teilweise unverantwortliche, immer aber respektlose und immer provokative und absolut frei improvisierte Musik zwischen Avant-Garde, Jazz, Elektronik und Rock, die jeweils an die Grenzen des möglichen geht. Der Free-Jazz-erprobte Drummer (und exzellente Techniker) Jon Proudman und Jones stellten sich hierbei als der rhythmische Motor heraus, der das Unternehmen davor bewahrte, im beliebigen Chaos zu versinken. Mit einigem Erstaunen erlebte das Publikum dann gleich beim ersten Track den Lebenszyklus eines Songs mit - von den ersten rhythmischen Zuckungen in der musikalischen Ursuppe, über die Pubertät unter erschwerten Bedingungen (keine Mädels!), die orgiastische Herrscherphase, und das langsame Vergreisen und Auseinanderfallen in die alzheimerischen Bestandteile bis hin zum siechenden Tod im blanken Feedback-Chaos. So oder ähnlich funktionieren alle Cul De Sac Tracks - mal schneller, mal langsamer, mal ganz ohne Rhythmik, statisch verharrend, mal losstolpernd und mal umkehrend. Kaum zu glauben jedenfalls, dass diese Band mal ein Album mit Altmeister John Fahey zusammen gemacht hat.

Schön und gut - aber was hatte das mit Damo Suzuki zu tun? Alles und nichts. Der agile ehemalige Can-Sänger hatte die Scheibe 'I Don't Want To Go To Bed' der musikalischen Anarchisten eher zufällig beim Aufräumen gefunden und dann - impulsiv, wie das so seine Art ist - beschlossen, man müsste doch mal eine Tour zusammen machen. Gesagt getan: Dieses Unterfangen in den USA war offensichtlich so fruchtbar, dass man dieses in Europa einmal wiederholen wollte. Nach also ungefähr einer halben Stunde einstimmender Instrumentals kletterte Damo, der sich vorher schon vorsichtig in Trance geschaukelt hatte, auf die Bühne und begann auch sogleich mit seinen - ebenfalls frei improvisierten - Texten und seiner Variante des Instant Composing. Wie man weiß, hört Damo, wenn er denn erst mal begonnen hat, so schnell nicht wieder auf. Und so gab es im Folgenden dann noch 1,5 mehr oder minder anstrengende Stunden, in denen Damo und Cul De Sac nicht immer aufeinander eingingen, sondern sich scheinbar beweisen wollten, dass man durchaus mehrere musikalische DNS-Stränge gleichzeitig gebären kann, die nicht unbedingt miteinander verwoben sein müssen. Wesentlich härter - ja brutaler - als man das von von Damos sonstigen musikalischen Begleitungen so gewohnt ist, griffen Cul de Sac dem Unbeirrbaren unter die Arme und hievten ihn auf Plateaus, von denen er dann so ohne weiteres nicht mehr runterkam. Und so litt diese Show dann - trotz aller tontechnischen Wucht und trotz Damos unbändiger Energie - ein wenig unter paralysierender Eintönigkeit. Zumal die Elaborate aufgrund des introvertierten Charakters aller Beteiligten und trotz des aufmerksamen Publikums doch streckenweise recht selbstverliebt und katatonisch daherkamen. Dennoch: Hier entstand Lebendiges und Genresprengendes zum Anfassen. Nicht immer ganz verständlich, schon gar nicht leicht konsumierbar und auch nicht immer gelungen. Vielleicht aber auch gerade deswegen irgendwie besonders wichtig und unverzichtbar.

Surfempfehlung:
www.culdesac.org
www.damosuzuki.de
www.zeitloop.de

Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
 

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