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30.08.2003
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The bards are back in town

2. Celtic Rock Open Air

Bergneustadt, Zentrum
30.08.2003

2. Celtic Rock Open Air
Bereits zum zweiten Mal fanden sich die Barden der Neuzeit zum rockenden Spektakulum in Bergneustadt ein, um sich in Spiel, Gesang und Tanz zu messen, das staunende Volk zu erfreuen und den eher trüben Wetteraussichten zu trotzen. Nach dem Erfolg der letztjährigen Premiere war das Festival auf die andere Seite des Rathauses gezogen, und fahrende Händler konnten das etwas weitläufigere Gelände nutzen, um neben der Musik auch reichlich Speis, Trank und Brimborium feilzubieten. Der Anteil der stilecht gewandeten Besucher war in diesem etwas geringer als vergangenes Jahr, wohl auch aus Furcht vor dem Zorn der Wettergötter, die sich aber weitgehend von der Qualität der Darbietungen erweichen ließen. Trotzdem war das Bild bunt gemischt; zu bestaunen waren allerlei Reisende vom übergroßen Hünen im Moschuslook bis hin zum jüngsten Besucher, der zu Beginn der diesjährigen Festivalsaison des Laufens sicher noch nicht mächtig war - ein Schicksal, das zum Ende der Veranstaltung auch dem einen oder anderen bereits ausgewachsenen Recken widerfuhr...

2. Celtic Rock Open Air
Rein optisch wurde das Ambiente etwas von einer Vielzahl wenig mittelalterlich anmutender Mobilklos getrübt, die Teile des Areals regelrecht umzingelten, aber da sind die germanischen Vorschriftengeber nun mal unerbittlich. Der Veranstalter hatte wieder für einen reibungslosen Ablauf des spätsommerlichen Events gesorgt, und so konnte es kurz nach 13 Uhr auch schon losgehen.

Die schwere Aufgabe des Openers zu früher Stunde hatten Black Arrow aus Köln zu schultern. In klassischer Rockinstrumentierung und -kleidung bot das Quartett bodenständigen Rock; von der Ballade "Dark Angel" über Midtemponummern wie "Don't Fear The Nightmare", erdige Rock- ("Hey Little Dreamer") und Rock'n'Rollsongs ("Foxy Lady") bis hin zum gediegenen Metalbrett ("Black Arrow", "Valhalla") versuchten Shouter Olaf Möger und seine Mannen alles mögliche, um den Platz vor der Bühne etwas zu füllen. Hätten sie auch verdient gehabt, aber offenbar war die Zeit für die meisten der Fans dann doch noch zu unchristlich. Auch einige flotte Soli von Saitenquäler Wilfried Gieraths konnte die "Masse" nicht wirklich zum brodeln bringen. Mag aber auch dran liegen, dass der Festivalbeginn ursprünglich mal für 14 Uhr angesetzt war und die Celticanhänger ein besonders langes Gedächtnis haben... Jedenfalls genossen einige Unentwegte vor der Bühne die Bewegungsfreiheit, wenn auch noch mit müdem Gesichtsausdruck. Derweil sorgte das Wetter für positive Überraschung: es war durchweg trocken, und ab und zu wurde sogar der große Spot hoch oben für kurze Zeit eingeschaltet.

Nach kurzer Umbaupause erklomm die junge Band Sorrowsend aus Engelskirchen, die im vergangenen Jahr das Festival eröffnete, die Bühne. In etwas ausgedünnter Personalstärke haben sie sich jetzt mehr dem metalorientierten Teil des Genres zugewandt, und das gelingt ihnen recht gut. Stilistische Vergleiche lassen sich am ehesten zu den frühen Blind Guardian ziehen, also melodischer Folkmetal in mittelalterlich anmutenden Harmonien, und auch dem Sänger gelingen dererlei Anspielungen recht gut. Anfängliche Probleme mit dem Gitarrengurt des Frontmannes wurden souverän besungen und gelöst. Das Spektrum reichte von richtig schönen Schunkel- und Mitsingparts, bei denen Sorrowsend das langsam wachsende Publikum zunächst zögerlich der immer noch spürbaren Mittagsträgheit zu entreißen bemüht war, bis hin zu flott-groovenden Metalbeats; und hierbei waren doch tastsächlich bei einigen Anwegenden moderate Pogoansätze zu beobachten. Weckruf erfolgreich, und die Sonne scheint dazu. Fein!

2. Celtic Rock Open Air
In der folgenden Umbaupause wurde der Versuch eines Geländerundgangs jäh durch einen kurzen Schauer unterbrochen; Zeit für ein Bierchen unter schützendem Vordach. Aber die Atempause währte nicht lange; schon ein flüchtiger Blick auf den Bühnenaufbau versprach einen deutlichen Stilwechsel in Richtung Mittelalter pur! Statt elektrischer Instrumente wurde eine Unmenge von Flöten, Schalmein, Drehleiern, Zithern, Lauten, überdimensionale Dudelsäcke und viel Schlagwerk samt einer großen Duval (mehrstimmige Basstrommel zum Umhängen) auf die Bühne gekarrt; Zeit für die Spielleute Wolfenmond aus Marburg, die bereits ein Jahr zuvor in Bergneustadt für staunende Begeisterung gesorgt hatten. Die sympathischen Fünf um Christo de Marmedico und Sonja Saltara traten stilecht in mittelalterlicher Gewandung auf und versetzten durch ihr mitreißendes Auftreten die plötzlich sehr zahlreich herbeiströmenden Zuschauer erwartungsgemäß um mehrere Jahrhunderte zurück - nicht nur in der Musikgeschichte. Der mit ständig wechselnder Instrumentierung vorgetragene rhythmusorientierte Folk von Wolfenmond strotzt nur so vor Spielfreude und weiß derartig mitzureißen, dass manchem unvorbereiteten Hörer die Gesichtszüge entgleisen. Neues und überliefertes Liedgut (z.B. über einen Rabenfänger oder das Liebeslied vom Weidenkranz) wird instrumental oder mit Gesang vorgetragen und meist vorher sehr unterhaltsam kommentiert. Ein Genuss für Ohr und Auge - nicht nur für eingefleischte Folk-Fans. Wolfenmond verstehen es, mit ihrer Musik im Zusammenspiel mit dieser Liveperformance - fast schon ein Musiktheater - mehr Drive und Stimmung rüberzubringen als manche gestandene Metalband (und das entfleucht der Feder eines bekennenden Metalheads...). Spätestens jetzt war die Hörerschaft ebenso begeistert wie hellwach.

Ebenfalls in mittelalterlichem Stil ging es nach der Umbaupause weiter, diesmal aber mit lautstarker Unterstützung elektrischer Instrumente: Moskote aus Goslar sind ebenfalls Wiederholungstäter auf dem Bergneustädter Celtic Rock Open Air. Gleich mit sechs Mitstreitern/-innen stürmte Frontman "Versifex" Lars Engelbrecht, dessen herrliche Mimik und Bewegungsdrang fast als eigenes Instrument zu werten sind, die Bühne - und musste direkt gegen den einzigen ernstzunehmenden Regen- und Hagelschauer während der Auftritte anstinken! Kein Problem für die energiegeladenen Harzer Barden, die sofort losrockten wie die sprichwörtliche Sau und das Publikum fast vergessen ließen, nass zu werden. Untermalt von passenden Geschichten feierten sie ein "Fest der Freude", sangen vielstimmig von der "Blutpfingst zu Goslar", huldigten herkunftsgemäß "Walpurgis" oder ließen auch schon mal den Saitenmann als Feuerspucker von der Leine. Mit dem eher ruhigen Stück "Die Münze" verabschiedete sich Moskote nach durch und durch gelungenem Konzert von der Bühne. Well done!

Time to bang your head! Das mit Abstand härteste Brett des Abends wurde von Adorned Brood abgesägt. Das Quintett um Gründungsmitglied Frost als Hoch- und Tieftöner (vocals & bass) und Frontfrau Ingeborg Anna mit Gesang und Querflöte werfen dem Hörer eine höchst appetitliches Menü aus Black Metal mit Thrash-Einflüssen und Gothic vor bzw. zwischen die Füße. Ebenfalls weitgehend gewandet, mit deutschen (z.B. "Totenmarsch" oder "Die Wiederkehr") und englischen Titeln ("Welcome My Friends"), mit Screams und clear Vocals in mittelalterlichen Gefilden grasend, ließen Adorned Brood keinen Zweifel aufkommen, wem an diesem Abend die dunkelmetallische Krone gebührt. Die wurde dem Gig auch noch bei der Zugabe aufgesetzt, von Frost angekündigt mit den Worten "Habt ihr Bock auf Krach?"

Für den nun angekündigten Co-Headliner (und offenbar maßgebliches Zugpferd des Festivals) Schandmaul aus dem tiefsten Bayern musste man ein paar Gänge zurückschalten. Allerdings erwiesen sich Befürchtungen einzelner Besucher, jetzt sei für eine Stunde lupenreiner Pop angesagt, als völlig unbegründet (bei einigem, was Schandmaul so auf Konserve gezwängt hat, wenden sich härtere bzw. dunklere Gemüter in Assoziation an Achim Reichel und ähnliche Schmusebacken mit Grausen ab). Auf der Bühne jedenfalls boten die Schandmäuler feinsten, deutschsprachigen Folkrock in gutem Sound. Einen wesentlichen Anteil hat dabei das optische Geschehen auf der Bühne. Oberschandmaul Thomas Lindner an Gesang und Akkordeon wird dabei eingerahmt von zwei Mitstreiterinnen, die nicht nur Geige, Drehleier und verschiedene Blasinstrumente perfekt beherrschen, sondern auch ein geradezu unverschämtes Talent zu anmutigem Bühnentanz an die Nacht legen - was die vier männlichen Barden vermutlich auch tun, aber das fällt einem männlichen Schreibknecht natürlich nicht so auf. Das begeisterte Publikum ließ sich mitreißen von so bekannten Tracks wie "Das Seemannsgrab", "Dein Anblick", "Die zwei Brüder", dem "Hexentanz", "Vogelfrei" oder der "Walpurgisnacht". Eine wahre Hüpfparade auf und vor der Bühne; sehr eindrucksvoll und zur vollen Zufriedenheit der mittlerweile gut 1 500 Fans.

Zeit für den eigentlichen Headliner und (aus Sicht des Rezensenten) das Hightlight des Festivals: Subway To Sally gehören wie die letztjährigen Headliner In Extremo zu den Topacts des Genres, auch wenn es nach der letzten Veröffentlichung in Fankreisen einige Irritationen ob der stilistischen Ausrichtung gab (hin zu weniger mittelalterlich geprägtem Metal). Doch zunächst musste noch in einer eher halsbrecherischen Aktion das Markenzeichen des Festivals, ein riesiger Drachenkopf mit leuchtendroten Augen, der zwar noch kein Feuer spucken kann, aber schon mal mit Rauch kräftig übt, von der Bühne entfernt werden. Das Risiko sei wegen der Pyros von STS zu groß; man werde sonst schlicht und ergreifend nicht spielen. Schade eigentlich! Das Nachfolgende machte aber ein gewisses Unverständnis darüber schnell vergessen. STS gaben alles und übertrumpften damit mühelos beispielsweise ihren an sich schon guten Gig bei diesjährigen Wacken Open Air. Laut, hart, martialisch, trotzdem sehr stimmungsvoll, mit intelligenten und subtilen Texten, rockten sie knapp zwei Stunden durch die oberbergische Nacht. Altes und neues Songmaterial reihen sich live fast nahtlos aneinander - kein Grund zur Klage also für Fans des einen oder anderen Lagers. Der unverwechselbare, äußerst akzentuierte Gesang von Eric Fish ist ein ideales Bindeglied. Den Anfang machten einige Tracks der neuen Scheibe ("Geist des Kriegers", das Aids-Drama "Unsterblich"), mit dem großartigen "Die Schlacht" knüpften die Untergründler die Verbindung zur älteren Stilrichtung. Bei "Kleine Schwester" wanderte eine Geburtstagstorte unfallfrei quer durchs tobende Publikum von der Bühne zum Mischpult - sehr diszipliniert. Für das "Kleid aus Rosen" artet die Bühnenszenerie in einen regelrechten Derwischtanz aus. "Das Opfer" verwandelte die Bühne in ein Flammenmeer. Quasi als Wunschdenken stimmten STS das mystische "Herrin des Feuers" an, als dessen Erfüllung die Beschwörungen mittels "Abrakadabra". Als Zugaben gab es noch den hypnotischen "Veitstanz". Und als zum Abschluss kurz vor Mitternacht aus vielen Kehlen erklang: "Blut, Blut, Räuber saufen Blut, Raub und Mord und Überfall sind gut", mag sich mancher Bergneustädter ungläubig die verschlafenen Augen gerieben haben. Trotz solcher Gesänge war der Event das, was Festivals dieser Prägung fast immer sind: Rundum friedlich!

Damit ging eine gelungene Celtic-Party - und für viele sicherlich auch die Open Air Saison 2003 - in der spürbar kälter werdenden Spätsommernacht zu Ende und hinterlässt einen rundum positiven Eindruck. Die Premiere des letzten Jahres wurde in Zuschauer- und Artistenzahl übertroffen, und so bleibt zu hoffen, dass diese Bardennächte in Bergneustadt langsam zur Tradition werden. Zu wünschen bliebe ein mehrtägiges Celtic Rock Open Air, so richtig mit mittelalterlichem Camping und allem Pipapo. To be continued...

Surfempfehlung:
www.celticrock.org

Text: -Stephan Kunze-
Fotos: -Stephan Kunze-
 

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