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10.10.2003
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Attentäter und Osterhasen

Fink
Tom Jessen

Köln, Gebäude 9
10.10.2003

Fink
"Vielen Dank", bedankte sich Nils Koppruch artig beim Publikum, "das ist der einvernehmlichste Tourbeginn, den wir jemals erlebt haben." Und in der Tat, das hätten wohl auch Fink sich nicht träumen lassen, dass sie gerade im spröden Köln einmal geradezu gefeiert werden würden! Gerade letztlich bei dem gegenüber diesem Konzert soundtechnisch enttäuschenden Popkomm-Auftritt war der Empfang ja noch eher reserviert gewesen. Vielleicht lag das an der guten Laune der Band, vielleicht an der ausgezeichneten neuen Platte, "Haiku Ambulanz", vielleicht am neuen Label, Trocadero, das tüchtig die Werbetrommel gerührt hatte und sogar bis in den Spiegel vorgedrungen war; vielleicht lag es am genremäßig erfreulich breit gefächerten Publikum (will meinen: Alle Bevölkerungsschichten waren repräsentativ vertreten) - oder vielleicht lag es schlicht an allem: Dieses Konzert gehörte sicherlich zu den besten der Bandgeschichte, da stimmte schlicht alles.

Erkaufen musste man sich dieses erfreuliche Erlebnis indes mit einem Auftritt des Labelkollegen Tom Jessen. Tom ist einer jener typischer US-Songwriter, der mehr als eine Prise vom großen Boss geschnuppert hat. Das, was dann kam, hatte man also schon ahnen können: So ganz ohne Band macht Tom Jessen nicht viel her. Er ist ein ungemein staubtrockener Typ, der sich hinter einer großen Brille verbirgt und kaum mal ein Wort zwischen den Zähnen hervorbekommt. Es überraschte nicht wirklich, dass unter seiner Steppjacke, derer er sich dann irgendwann entledigte, ein kariertes Holzfäller-Hemd zum Vorschein kam. In seinen Songs geht Tom ganz in der Tradition der Working-Class-Heros auf und beackert den Boden des kleinen Mannes - sprichwörtlich gesehen. Leider hat er aber so gar nichts vom Charisma seines großen Vorbildes. Auch das Songmaterial - das mit Band-Arrangement zumindest solide US-Unterhaltung darstellt - kam im doch eher langweiligen No-Nonsense-Vortrag zur (zugegebenermaßen technisch einwandfrei gespielten) Akustischen nicht besonders gut zur Geltung. Auch wenn Tom ziemlich nervös erschien, weil dies sein erster Auftritt in Deutschland war und man diesen Umstand anrechnen musste: Sein Gig war über weite Teile schlicht langweilig und ermüdend. Einen richtigen Gefallen tat sich der Mann damit in diesem Umfeld jedenfalls nicht wirklich. Und dieses Umfeld meint Fink.

Es ist ja schon erstaunlich, mit welcher Penetranz der Band bei jeder neuen Scheibe wieder versucht wird, den "Country-Musik mit deutschen Texten-Stempel" aufzudrücken. Dabei sind Fink heutzutage weiter von Truck Stop entfernt, als Gunther Gabriel das je sein wird (auch wenn er mit John und Laura Carter-Cash auf Tour geht!). "Wenn wir heute Country-Elemente verwenden", so erzählte Nils Koppruch erst jüngst noch mit einem ironischen Unterton in der Stimme, der recht deutlich machte, dass er diese präventive Erklärung für notwendig hielt, "dann setzen wir diese so verfremdet und überhöht ein, das sie nun wirklich nichts mehr mit der ursprünglichen Country-Musik zu tun haben." Und in der Tat: Wenn z.B. Oliver Stangl - eines der momentanen Mitglieder der lockeren Fink-Familie um Nils und dem "alten Krautrocker" Andreas Voß ist (was Nils gesagt hat, nicht wir!) - seine Pedal-Steel-Guitarre anwirft, dann hat das mit Country soviel zu tun wie DSDS mit Musik! Nein, nein: Fink haben mittlerweile einen ganz soliden eigenen Stil entwickelt, in dem zwar allerlei Versatzstücke aus allen möglichen Genres herumschwirren, letztlich aber niemals die Oberhand gewinnen. Letztlich bestimmt bei Fink der Groove, wohin es gehen soll. Bereits beim Opener, dem Instrumental, "Kein Wagen", war das klar: Das federte, wummerte, swingte vor sich hin, dass es eine reine Freude war. Es folgten dann einige Tracks vom neuen Album - "Fliegen", z.B. oder "Shuffle mit Kompott" und auch das vielleicht schönste Stück der Scheibe, "Wohin du gehst" in einer besonders seelenvollen Version, während derer sich das Publikum schon mal einstimmte. Die eigentliche Überraschung des Abends waren dann allerdings die alten Stücke, die nicht nur erstaunlich gut gealtert schienen, sondern im neuen Ambiente geradezu aufblühten. So konnten dann die Jüngeren im Publikum Kleinode wie "Herz aus Holz" für sich neu entdecken oder gewisse angetrunkene ältere Herrschaften lallend nach "Oklahoma" verlangen. "Oklahoma ist ein Ort in den USA wo viele Attentäter herkommen, die Regierungsgebäude in die Luft sprengen", meinte Nils hierzu lakonisch. Und dann kündigte er ein weiteres Schmankerl an: "Dieses Stück haben wir auch schon mal auf eurer ehemaligen Musikmesse gespielt", grinste er dem Kölner Publikum entgegen, "damals haben wir uns verspielt und wurden nachher getadelt. Deshalb spielen wir es jetzt in einer neuen Version." Es folgte "Fisch im Maul" von "Loch in der Welt" - als Reggae mit Ennio Morricone-Twang. Auch das funktionierte tadellos und machte Sinn.

Ach ja: Noch ein wichtiger Faktor, der zum gelingen der Show beitrug, war der Umstand, dass alle tierischen Spaß an ihrem Tun hatten und dies - soweit das hanseatische Temperament das zuließ - auch zeigten. Besondere Freude bereitete dabei Andreas Vossens immer organischer werdendes Bassspiel, das variantenreiche Drumming des bei Veranda Music ausgeliehenen Schlagzeugers Christoph und natürlich Oliver Stangls Beiträge auf Pedal-Steel und Normal-Gitarre. Noch mal richtig los ging's dann anlässlich der Zugaben. Da kramten die Jungs wieder ihre Kopflampen heraus, die sie schon bei der Popkomm eingesetzt hatten, es gab Trockeneisnebel zum Mitnehmen und Seifenblasen. Und schließlich schlüpfte der von Missouri ausgeliehen Multiinstrumentalist Red noch in ein Osterhasenkostüm und spielte ein bemerkenswertes Funk-Banjo. Das Publikum war dann durch das normale Programm aber nicht totzukriegen, so dass die Band noch ein paar Mal auf die Bühne musste. Unter anderem gab's dabei noch ein norddeutsches Volkslied namens "Tüdelband", das die Band für einen Dokumentarfilm vertont hatten. Fazit also: Fink ist es mit diesem Album (und wohl offensichtlich mit dieser Tour) gelungen, aus der Nische der intellektuell missverstandenen Nicht-Deutsch-Country-Band auszubrechen und hat damit offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen. Denn wer ein solches Publikum wie Fink hat (das sich um o.a. Stil- und Genre-Diskussionen eh nicht zu scheren scheint), der braucht eigentlich keine Kritiker mehr.

Surfempfehlung:
www.finkmusik.de
www.tomjessen.com

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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