Fenster schließen
 
13.04.2004
http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=821
 
Alle für eine

Sugababes
Unit East

Köln, Live Music Hall
13.04.2004

Sugababes
Manchmal sind die Querverbindungen zwischen Kunst und Kommerz doch allzu entlarvend: Beim brutal ausverkauften Konzert der Sugababes versuchte eine Gruppe jugendlicher Fans, sich durch das Gewühl nach vorne zu gelangen. Bis einer der erfolglosen Drängler die Schnauze voll hatte: "Ich will gar nicht nach vorne", zeterte er, "ich habe eine Prada Hose an!" Das alleine ist ja schon haarsträubend genug - wenn man dann aber noch weiß, dass der Frontmann der Support-Band, Unit East, ein gewisser Sebastian Hillarion, früher mal als Model für Prada gearbeitet hat, bekommt die Sache ja quasi ganz neue Dimensionen. Das Eine (das Produkt), so die Erkenntnis, ist heutzutage offensichtlich einfach nicht mehr vom Anderen (der Kunst) zu trennen. Dennoch sollte es bei diesem Konzertereignis tatsächlich um Musik gehen. Und nicht bloß um Klingeltöne. Eventuelle Befürchtungen, vielleicht eine Art Retortenshow geboten zu bekommen, bewahrheiteten sich zum Glück nicht. Jeder Ton an diesem Abend war handgemacht - und das war gut so.

Zunächst mal durften sich besagte Unit East mit ihrem recht spröden und geradlinigen New Wave Retro Pop bemühen. Das Projekt der beiden Elektronik Frickler Di Meid und Milan East (die ihre Hörner quasi als Produzenten, Tontechniker und Remixer abgestoßen haben und mit Unit East nun die Sau rauslassen) und ihrem hawaiianischen Sänger Hillarion bot rein optisch und musikalisch allerdings eher auf's Notwendigste reduzierte Schmalspurkost, die zudem mit dem reichhaltigen Sugababes-Pop recht wenig kompatibel erschien. Entsprechend reserviert war dann auch die Resonanz. Der mit wenig Melodiebedürfnis und nöliger Gesangsstimme vorgetragene Elektro-Pop mit Schrammel-Appeal hatte (zu jener Zeit, in der er erfunden wurde) auch schon mal bessere Tage gesehen. Ihr Signature-Song, "These Are The Days We Are Living For", hatte dann auch bereits alles, was die Jungs zu bieten hatten - von scheppernden Schnürsenkelgitarren bis zu blubbernden Spielzeugcomputer-Sounds. Die eher eindimensionale Cover-Version von Billy Idols "Rebel Yell" hätten sie sich sparen können. Denn entgegen ihrer diesbezüglichen Annahme erkannte dieses Stück wohl kaum jemand im Publikum.

Gleiches galt wohl auch für die ersten Töne, die nach einer dann doch zu langen Umbaupause aus dem Dunkel der großteils leeren Bühnenlandschaft knallten - als die Sugababes nämlich mit Verzug zum Zuge kamen. Zumindest dürfte kaum jemand damit gerechnet haben, dass die Show ausgerechnet mit einer instrumentalen Version von Led Zeppelins "Kashmir" beginnen würde. Gerade das zeigt aber, dass die Mädels doch irgendwie eine Stufe über dem üblichen Wegwerf-Pop schweben, der heutzutage vor allem die Charts bevölkert. Und das ist ja auch irgendwie deren Aufgabe. Als eine der letzten momentan amtierenden Girl-Groups erfüllen die Sugababes heute ja auch so etwas wie eine Repräsentationspflicht und Platzhalterfunktion. Girl-Groups hat es immer schon gegeben und immer schon waren diese wichtig und einflussreich (Doch, stimmt wohl: Schon die Beatles haben Cover-Versionen der Shirelles auf ihren ersten Scheiben gehabt). Meist allerdings sind besagte Acts die 100%igen Produkte grauer Eminenzen. Wenn eigene Ideen und Ansprüche ins Spiel kommen, dann gibt's umgehend "kreative Differenzen", die zur Auflösung führen. Oder wer erinnert sich noch an die All Saints? Deshalb sind die Sugababes wichtig: Gegen alle Odds haben sich die Damen durchgebissen, nach dem offensichtlichen Aus ein Comeback gefeiert, stehen heute besser da, als je zuvor - UND schreiben eigene Stücke. Zumindest teilweise. Aber wo waren wir eigentlich stehen geblieben? Ach ja, beim Konzert in der Kölner Live Music Hall. Nach "Kashmir" ging es dann auch gleich Schlag auf Schlag los: "Freak Like Me" und "Overload" gab's gleich zu Beginn. Und damit auch nix zu meckern. Der Aufbau der Show war ziemlich clever und rund: Die Hits waren strategisch und paritätisch genau zu Beginn, in der Mitte und am Ende plaziert, sodass man sich durchaus auch auf das Zwischendurch und Drumherum konzentrieren konnte. Das Konzept war dabei recht einfach: Eine messerscharfe Band aus versierten Cracks lieferte ein solides Brett als Grundlage, und dann durften sich Keisha, Mutya und Heidi stimmlich austoben. Dabei zeigte sich - allen Trennungsgerüchten zum Trotz -, dass das Trio als Einheit eigentlich am Besten funktionierte. Erfreulich zurückhaltend präsentierten sich die Damen als versierte, aber keinesfalls perfekte Gesangsmaschine, bei der offensichtlich die Summe höher anzusetzen war, als die einzelnen Teile. Es galt: Alle für eine und eine für alle. Das, was man in Erinnerung behielt, war eine einheitliche Gesangsdarbietung. Jegliches Kokettieren mit gesanglicher Virtuosität oder Solo-Showcases - wie man das bei amerikanischen Kolleginnen immer wieder sieht -, fehlten hier erfreulicherweise ebenso wie kräftezehrende, dämliche Tanzeinlagen. D.h.: Die Sugababes bewegten sich durchaus - nur mit Bedacht und eher langsam. Alles zusammen erinnerte so durchaus positiv eher an einen modernen Gospelabend als etwa an eine Top-Of-The Pops-Sendung. Dazu gehörte auch, dass die meisten Tracks doch für den Live-Auftritt deutlich umarrangiert worden waren. Anstatt beispielsweise zu versuchen, die opulente Eleganz etwa von "Too Lost In You" zu reproduzieren, wurde quasi die Hälfte vom Bombast weggelassen. Was natürlich für diejenigen, die auf sterile Reproduktionen stehen, schade war, für alle anderen aber eher erquicklich - denn die so hörbaren kleinen Haken und Ösen sorgten für einen höchst lebendigen Vortrag. Es menschelte da dann doch recht schön. Andere Beispiele für frisches Blut waren z.B. die als Jam-Session angelegte Disco Version von "Round Round", bei der die Band vorgestellt wurde, die akustische Cover-Version von Stings "Shape Of My Heart" oder die gelungenste Ballade des Abends, "Stronger". Obwohl: Bei dieser, wie bei allen anderen Tracks, die nicht auf dem Funk-Prinzip beruhten, ließ die Band die Mädels im Stich. Rocken konnten die nämlich nicht - weder richtig, noch im Power-Balladen-Modus. Was dann noch erschwerend hinzu kam, war, dass der Mixer es einfach nicht fertig brachte, die drei Stimmen auszubalancieren - eine war einfach immer lauter oder leiser als die anderen. Und die für solche Zwecke nicht eben förderliche Akustik der Live-Music-Hall, in der im hinteren Bereich jeweils der Druck fehlt, so dass dort alles schlapp und dünn klingt, unterstützte diesen Eindruck dann noch.

Was gab's sonst noch? Die Erkenntnis, dass sich Heidi Range (mit charmantem Liverpudlian Dialekt) quasi als Wortführerin outete und mehr als ein Stück als "my favorite" ankündigte, dass Keisha Buchanan die souligste und kräftigste Stimme vorzuweisen hatte (was dazu führte, dass sie überhaupt die einzige war, die erkennbar ad-libte) und dass die Idee, drei "Sexy Boys" aus dem Publikum als Poser zu "Virgin Sexy" auf die Bühne zu holen, vielleicht doch zu viel des Guten gewesen zu sein schien. Als die Show dann nach etwas über einer Stunde mit einer treibenden Version von "Hole In The Head" zu Ende ging und die Musikanten noch in mit dem ausufernden Outro beschäftigt waren, wurden die Babes bereits nach Elvis-Manier mit einem japanischem Mittelklassewagen vom Gelände bugsiert. Es haben übrigens alle drei zufrieden gelächelt. Fazit: Wenn schon massenkompatibler Gebrauchspop, dann bitte nur so: Mit Niveau, Herzchen, Bäuchlein, Köpfchen und der Bereitschaft, auf Netz und doppelten Boden zu verzichten...

Surfempfehlung:
www.sugababes.com
www.sugababesuk.com
www.sugababes.de

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

Copyright © 2004 Gaesteliste.de
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Gaesteliste.de