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10.11.2004
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Here - Not There

Ani DiFranco
Gail Ann Dorsey

Köln, Gloria
10.11.2004

Ani DiFranco
Anis letzte Tour in den USA stand ja unter dem Motto "Vote Dammit" - und eigentlich gehörte dieses Konzert im Prinzip sogar noch dazu. Wie wir aber wissen, hat das mit den Wahlen ja nicht in Anis Sinne geklappt und also war es jetzt an der Zeit, die Wunden zu lecken. "It's nice to be here (- Pause -) and not there", begrüßte Ani die Fans vielsagend zur Show im Kölner Gloria. Und dass sie nicht genügend schwarze Kleidung im Kleiderschrank habe, um sich die nächsten vier Jahre adäquat kleiden zu können, fügte sie noch hinzu - das war's dann aber auch schon mit den politischen Statements. Bei dieser Show beschränkte sich Ani schlicht und einfach darauf, die Songs unter's Volk zu bringen.

Als Support hatte sie sich dazu Gail Ann Dorsey geholt. Die Frau, die als Bassistin bereits für so unterschiedliche Leute wie Gang Of Four, Tears For Fears oder David Bowie gespielt hatte, überzeugte hier als Songwriterin von eigenen Gnaden. Zwei Stücke spielte sie auf dem Bass - was ja nicht ganz einfach ist, wie sie einräumte - um dann aber doch zur Gitarre zu wechseln (was ja in diesem Zusammenhang auch Sinn macht). Zum Glück löste sie selber das Rätsel auf, an welche Kollegin denn wohl ihr melodisches Timbre und die Art melancholische Liebeslieder auf emotionale Art zu interpretieren, erinnerte: Als zweites Stück spielte sie nämlich Janis Ians "Jesse" in einer recht ungewöhnlichen (weil eben vom Bass begleiteten) Version. Ansonsten kam die smarte Songwriterin aber auch mit ihren eigenen Stücken gut an; wie z.B. "Nether Land" von ihrer aktuellen CD "I Used To Be" (obwohl sie selber das eher gleichförmige "This Time" bevorzugte). Wenn es überhaupt etwas an diesem Set auszusetzen gab, dann vielleicht, dass es zu kurz war. Und wann kann man das von einem Support-Act schon mal guten Gewissens sagen? Ani ist auch ein Gail Ann Dorsey-Fan, wie sie dann im folgenden erklärte und vielleicht funktionierte diese Kombination deswegen so gut, weil die beiden Künstlerinnen stilistisch so verschieden sind.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Das war nicht unbedingt Anis bester Tag. Zwar erzählte sie uns einmal im Interview, dass sie aufgrund ihres hohen Outputs zwischenzeitlich schon mal "ganze CDs vergesse", das war damals aber eher als Witz gemeint. In Köln jedoch verhaspelte sie sich gleich mehrere Male, sowohl textlich, als auch musikalisch - und das ist für eine Künstlerin wie Ani, bei der es ja stets um die 100%ige Kontrolle geht, doch schon bemerkenswert. Vielleicht war sie deswegen (für ihre Verhältnisse) so unfokussiert, weil am Morgen ihre ganze Crew als erstes losgezogen war, um Bratwurst zu kaufen, wie sie leicht angewidert erzählte. Oder es lag an den kleinen technischen Problemen: "Das ist dann der Moment, in dem ich meine Hand an meinem Knie festklebe", scherzte sie zum Beispiel, als sie den Kleber abwischte, mit dem sie ihre künstlichen Finger, die sich gelöst hatten, wieder an ihrer Hand festklebte. ABER: Selbst eine vergleichsweise unfokussierte, fahrige Ani DiFranco auf Autopilot ist immer noch tausend mal unterhaltsamer, kurzweiliger und überzeugender als so manche perfektionierte Hochglanzproduktion. Musikalisch präsentierte sich Ani, wie auf der US-Tour, auch in Köln zusammen mit ihrem Kontrabassisten Todd Sickafoose. Dennoch zeigte sich hier die purste, nackteste, direkteste Ani seit langem. Nicht nur, dass sie in dem sparsamen Setting wieder mal als sehr körperbetonte, physikalische Gitarristin brillieren konnte und man sich wieder einmal 100%ig auf die Texte konzentrieren konnte, auch hatte man zuweilen den Eindruck, dass hier eher eine kompakte, tighte Einheit als etwa zwei individuelle Musikanten auf der Bühne standen. Hier zeigte sich, dass Ani zunächst und vor allem auf den Rhythmus setzt. Auch ohne Drumset groovte das wie die Hölle und besonders bei den eh schon Funk-orientierten Rausschmeißern (wie z.B. "Evolve", das dann tatsächlich der Rausschmeißer im einzigen Zugabenblock war) ließen Ani und Todd nicht einmal den Gedanken an eine eventuell fehlende Band aufkommen.

Inhaltlich bediente sich Ani quasi bei ihrer ganzen Karriere und konnte es auch nicht lassen, wieder neue Stücke (wie das exzellente "Knuckledown", das auf der nächsten Studio-CD zu finden sein wird) einzustreuen, die dann natürlich besonders aufmerksam verfolgt wurden. Was übrigens bei Ani nie ein Problem ist, denn da sie auch bei der Sprache eher auf den Rhythmus als auf die Melodie achtet, und obendrein eine wasserdichte Diktion pflegt, sind ihre Texte selbst im größtmöglichen musikalischen Tohuwabohu stets einwandfrei zu verstehen. Was nicht wirklich notwendig ist, denn die Ani-Fans können natürlich jedes Wort auswendig. Eigentlich gewannen alle Tracks in den neuen Versionen: "Balladen" wie "Welcome To" gerieten (trotz Texthänger) intensiver, Up-Tempo-Stücke wie "Anticipate" kamen noch punktgenauer als mit Band und besonders die eher eigenwillig arrangierten Tracks der letzten Scheibe "Educated Guess" - wie z.B. "Swim" oder "You Each Time" - kamen OHNE Harmoniser und schräge Akkordfolgen wesentlich überzeugender rüber als auf Konserve (hier gab's dann eben mehr Bauch und weniger Kopf). Nachdem der Gitarrenroadie für die Zugabe die falsche Gitarre vorbereitet hatte, gab's dann die erste Strophe des mittlerweile zum Gassenhauer mutierten "Little Plastic Castle" Dorsey-Style a cappella zum Bass (und mit Unterstützung des Publikums, was durchaus etwas für sich hatte) - aber war's dann aber auch mit den Fehlerchen. Fazit: Das war jetzt zwar nicht die bestmögliche, aber immer noch eine sehr gute Ani DiFranco-Show. Wer diese nun nicht mitbekommen hat, dem sei die Live-DVD "Trust" wärmstens an's Herz gelegt, auf der es zwar nicht die gleichen Stücke zu hören gibt, aber das selbe Setting zu bestaunen ist. Später mehr dazu an dieser Stelle. Dass Ani in Köln wieder mal eine neue (erstaunlich normale) Frisur hatte, muss nicht extra erwähnt werden, oder?

Surfempfehlung:
www.righteousbabe.com/ani/
www.ani-difranco.net
www.gailanndorsey.com

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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