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Music is medicine

The Frames

Berlin, Postbahnhof
14.02.2005
The Frames
Ja, die Frames haben schon einmal in Deutschland gespielt. Das war vor ca. zehn Jahren, kurz nach Erscheinen ihres zweiten Albums "Fizzcarraldo". Frontmann Glen Hansard zufolge eine Tour mit Wohnzimmeratmosphäre, was in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist: "Manchmal waren da eben nur so sechs Leute beim Gig. Da haben wir uns gedacht: Warum nicht gleich in richtigen Wohnzimmern spielen?" Und so tourten sie denn von Privatparty zu Privatparty. Lang, lang ist's her, und viel hat sich in der Zwischenzeit verändert. Mit sechs weiteren Alben, vier Plattenfirmenwechseln, etlichen Ab- und Neuzugängen innerhalb der Band, Touren und Festivals rund um den Globus, musikalischen Stileskapaden in alle Richtungen und dem 2004 gewonnenen "Meteor Award" für "Best Irish Band" scheinen die Frames zum "act" geworden, und damit der einstigen Wohnzimmeratmosphäre entwachsen zu sein. Oder vielleicht doch nicht?
Bereits beim Betreten des kargen Berliner Postbahnhofs weiß man: Dieser Abend wird kein "event" werden. Jedenfalls keins im Sinne eines Bright Eyes oder Adam Green, der diesen Ort drei Tage zuvor gebührend eingeweiht hat. Wer sich auf hysterische Massen, eine Menge Arme in der Luft, und den Kampf um die erste Reihe gefreut hatte, der muss leider enttäuscht werden, denn hier gibt es niemand, der um 19:00 Uhr schon vor der Bühne campt, niemand, der nach der Setlist fragt, bevor sie überhaupt geschrieben ist, und auch keine Männer, die man mit dem Frontmann verwechseln könnte. Dafür gibt es die unverkennbaren Irland-Freaks, die sich darauf freuen, ihr graues Berlin gegen ein grünes Dublin einzutauschen, ein paar "native speakers" in Urlaubslaune, die offensichtlich Berliner (das Bier und die Leute) kennen lernen wollen ("Hi...are you from Berlin?") und dann natürlich die üblichen Verdächtigen, denen man sowieso bei jedem Konzert begegnet. Da spielt das Genre gar keine Rolle mehr. Ein bunt gemischter Haufen. Wohlwollend und angenehm. Als die Frames gegen 22:00 Uhr die Bühne betreten, geht ein leises Raunen durchs Publikum. Hansard, ein Mann von kräftiger Statur, mit rötlich-blondem Lockenschopf und Wikingerbart, bestätigt das Klischee vom "son of nature". Ruhig und konzentriert richtet er sein "clean pair of blue eyes" in die Menge, so als wolle er sich vergewissern, dass auch alle zuhören. "The most important thing is to be present, to be there. If you play a gig, that's basically all you have to do. Be there." Und fast unmerklich sind wir mittendrin. Sie spielen "Happy" und sie sind es auch. Jedenfalls scheint es so. Und die Fans? Rechts und links von mir wiegen sich die Irland-Freaks in selbstvergessener Trance, lassen ihre Köpfe kreisen, und wenn sie nicht nach guter irischer Manier aus voller Kehle mitsingen, so machen sie doch zumindest ein paar Photos oder bewegen ihre Lippen. "Lay me down, in the hollow ground...". Jeder kennt sie, die ultimative "Publikum Lieblingsromantik in die Arme fall"-Hymne" der Frames. Die dazugehörige Entstehungsgeschichte dürfte dem ein oder anderen jedoch neu gewesen sein: "Den Song hab ich für meine erste Freundin geschrieben. Zu ihrem Geburtstag wollte ich ihr etwas ganz besonderes, etwas romantisches schenken. Da dachte ich mir: Ich schenk ihr einfach ein Grab. So nach dem Motto: Ich will für immer neben dir liegen. Auch noch wenn wir tot sind. Deshalb dieses lay me down..." Und kurz darauf: "Lay me down...da war alles noch in Ordnung. Das war der Anfang der Beziehung. Jetzt kommt das Ende. Stellt euch vor: Ich...betrunken...in ihrem Garten...liege in den Büschen...beobachte das Haus, in dem ich nichts mehr zu suchen habe...What happens when the heart just stops." Es folgt ein weiterer "Trennungssong", nämlich das fetzige "Fake", das Hansard mit den Worten einleitet: "Wir sind keine Band, die Lieder übers Zusammenkommen schreibt. Einseitigerweise schreiben wir meistens über Trennung, aber dafür in allen möglichen Variationen. Böse, traurig, gleichgültig..." Gut, denn so kommt kein Grund zur Langweile auf. Neue und alte Lieder wechseln sich ab, entspannte Folk-Klänge münden in brachial psychedelische Band-Outros und umgekehrt (Kein Wunder, dass die Frames bereits des Öfteren mit Radiohead verglichen wurden), zwischendurch reißt Gitarrist Rod versehentlich eine Saite, woraufhin Hansard die Stille mit einem spiritual-ähnlichen "Liedchen" überbrückt, das er, so erzählt er uns, von einem "homeless man" in London gelernt hat und seither gern in sein Set einbaut. Mit "Everybody now, come on!..." werden wir erneut zum Mitsingen aufgefordert. Ein wenig wie im Bibelkreis hört sich das an. Zaghaft, aber ehrlich. Und ziemlich harmonisch. Obwohl man sich kurzzeitig fragt, ob Gott hier wirklich von Nöten ist (reicht nicht die musikalische Unendlichkeit?), weiß man andererseits, dass es darum nicht gehen kann. Die Irland-Freaks würden sagen: Es geht um die Interaktion. Um die Magie und die Mystik. "Let your soul and spirit fly..." Aber ist das möglich? Gibt es wirkliche Ausgeglichenheit im Rock'n'Roll? Vielleicht schon. Denn: Ja. Es ist noch da. Dieses Gefühl von Wohnzimmer. Kein Zweifel. Dreizehn Jahre haben die Frames auf dem Buckel, doch Erfolg hin oder her - Glen Hansard hat nicht vergessen, wie sich ein Teppich unter den Füßen anfühlt. Die Wohnzimmer sind bloß größer geworden.
Surfempfehlung:
www.theframes.ie
Text: -Shatzy Shell-
Foto: -Shatzy Shell-

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