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Beyond The Harbour Of The Dolls

New York Dolls
Tralala

New York, South Street Seaport
18.08.2006

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New York Dolls
Eigentlich hätten an diesem Abend Alex Chilton und die Box Tops auf der Freilicht-Bühne im South Street Seaport am berühmten Pier 17 in New Yorker Hafen spielen sollen. Aufgrund einer krankheitsbedingten Absage wurden von den Veranstaltern der beliebten "Umsonst und draußen"-Reihe indes kurzerhand die New York Dolls engagiert. Was zur Folge hatte, dass der überschaubare Platz auf dem Anlegesteg schon gegen 19 Uhr restlos überlaufen war (was für das punktgenaue New Yorker Publikum durchaus ungewöhnlich ist). Die Fans - eine gesunde Mischung aus alt gewordenen Ur-Punks, jung gebliebenen Yuppies, neugierigen Teenies und den dortzulande allgegenwärtigen rüstigen Rentnern - durften sich jedenfalls auf einen trashigen Rock'n'Roll-Abend der allerersten Güteklasse freuen.
Die Support Band hätte passender kaum ausfallen können. Tralala sind eine Spaßpunk-Band aus Brooklyn, deren Besonderheit darin besteht, dass sie gleich vier sympathisch unaffektierte Sängerinnen ihr Eigen nennt. Das, was die drei Jungs dazu musikalisch hinlegten, war nicht weiter der Rede wert, passte aber irgendwo zum selbstironischen Geist des ganzen Abends. Dass die Mädels als "Pop-Act" angekündigt worden waren - worüber sie sich köstlich amüsierten -, machte unter dem Strich sogar Sinn, denn die schmerzlos kurzen, schrammeligen Poper-Pop-Juwelen lebten sichtlich von den rudimentären 50er-Harmonien im 80er Outfit und letztlich überzeugten die Damen auch durch einen - im Vergleich zur Musik - ausgefeilten Harmoniegesang, jede Menge Attitüde und Spaß auf der Bühne. Dazu gabs Cover-Versionen von Bands wie den Wipers, coole One-Liner en Masse und einen Song für David Johansen. Einen besseren Support Act hätten sich die Dolls jedenfalls kaum wünschen können.

Als dann die Dolls nach einer vergleichsweise langen Umbaupause die Bühne betraten, kannte die Begeisterung jedenfalls kaum noch Grenzen. "Au Mann, ihr habt uns ja wirklich lieb!", witzelte David Johansen - stilecht mit langer Rock'n'Roll-Mähne, Piratenhut und riesiger Sonnenbrille versehen, noch bevor es mit der treffend betitelten, mitreißenden Hymne "We're All In Love" vom neuen Album "One Day It Will Please Us To Remember Even This" richtig losging. Die Sache mit den Dolls ist ja die, dass sie in ihrem ersten Leben nie so richtig gut waren - sondern lediglich unglaublich legendär. Wie der Titel ihrer diesbezüglichen CD aussagte, boten sie eben "Too Much Too Soon". Die krude Mischung aus Glam-Rock, Rhythmn & Blues und dem, woraus später der Punk entstehen sollte, war zwar damals seiner Zeit voraus, hätte allerdings ein wenig des Ausfeilens bedurft, um musikalisch wirklich überzeugen zu können. Dieser "Verantwortung" waren sich Johansen, Sylvain Sylvain und vor allen Dingen die neuen (jüngeren) Band-Mitglieder durchaus bewusst, als sie nun ins Studio gingen und besagte CD einspielten. So gelang ihnen dann das Kunststück eine Scheibe abzuliefern, die zugleich charmant Retro im Stile der alten Zeit rüberkommt und dabei auf subtile Weise die verpassten Chancen der frühen 70er aufgreift und durchaus ordentliches, variantenreiches Songmaterial bietet, das zwar solide, aber immer noch nicht perfekt dargeboten wird. Genau unter diesem Stern stand auch die Show.

Obwohl sich z.B. Johansen im Laufe der Jahre zu einem regelrechten Musikprofessor entwickelt hat, ließ er hier einfach wieder den ungehobelten Bad-Boy heraushängen und zeigte, dass nicht nur Mick Jagger die Jahre ganz gut weggesteckt hat. Bevor es mit einer gesunden Mischung aus alten und neuen Tracks dann weiterging, hatten die Dolls indes noch eine Überraschung parat: "Es wird ja oft gesagt, dass die Dolls eine Menge Leute beeinflusst haben", grummelte Johansen ins Mikro, "aber wir alle auf der Bühne sind uns einig, dass die größte Performerin Janis Joplin war." Sprachs und lieferte eine erstaunlich werkgetreue Version von "Another Little Piece Of My Heart" ab. Es folgte dann die Rock'n'Roll-Revue, die sich alle erwartet hatten. Wie zu vermuten fügten sich die neuen Tracks vom Schlage etwa "Fishnets & Cigarettes" oder "Punishing World" nahtlos in den Reigen der alten Tracks ein. Was die Reaktion des Publikums ausmachte, war jedenfalls kaum ein Unterschied auszumachen. Auch die Band hatte ihren Spaß dabei. Johansen poste wie ein Weltmeister und Sylvain Sylvain unterhielt mit Anekdötchen aus der Welt der Mode und des Savoir Vivre. "Sylvain ist ganz gut heute abend, oder?", schmunzelte Johansen mehr als ein Mal und tätschelte seinem alten Kumpel den Kopf - wobei nicht so richtig klar wurde, ob er das ernst meinte oder als Witz. Sylvain gab sich jedenfalls Mühe, steuerte das eine oder andere Schweinerock-Solo bei und war sich natürlich ebenso wie der zweite Gitarrist Steve Conte, durchaus bewusst, dass es nicht darum gehen konnte, Johnny Thunders zu emulieren. Rätselhaft blieb indes, wieso ausgerechnet dessen "You Can't Put Your Arms Around A Memory", das einzige Stück, das von Sylvain Sylvain gesungen wurde, nicht ausgespielt wurde, sondern in einem Medley versank. Wie dem auch sei: Als die Show nach einem Curfew-bedingten überschaubaren Zeitrahmen gegen 22 Uhr mit der einzigen Zugabe "Personality Crisis" zu Ende ging war klar, dass die New York Dolls durchaus eine Zukunft als Rock'n'Roll-Band haben. Angeblich ist ja sogar eine Tour in unseren Breiten im Gespräch. Eine pikante Note sollte vielleicht nicht unerwähnt bleiben: In den vergangenen Jahren verdiente sich David Johansen mit seinen Harry Smiths als Gala Band für betuchte Upper-Class Twits auf beschaulichen Hafenrundfahrten (Midnight Blues Cruises) an gleicher Stelle eine goldene Nase. Hier und heute jedoch kehrte er auf sympathische und glaubwürdige Art und Weise zu seinen Wurzeln zurück.

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Surfempfehlung:
www.nydolls.org
en.wikipedia.org/wiki/New_York_Dolls
www.tralalatheband.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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