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Alles wird gut!

Orange Blossom Special 11 - 1. Teil

Beverungen, Glitterhouse-Villa
25.05.2007/ 26.05.2007

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Orange Blossom Special 11
Dieses Jahr brauchte man gar nicht lange nach einem Thema des Orange Blossom Festivals zu suchen: Der ausgegebene Slogan "Alles wird gut" bestätigte sich nämlich seltsamerweise in vollem Umfang. Das fing schon damit an, dass eine Stunde vor Festivalbeginn ein ungeheures Gewitter über der Region niederging, bei dem Beverungen aber trotz des Anscheins nicht zerstört wurde und das sich dann auch mit dem ersten Gitarrenton brav verzog. Es regnete dann erst am Abend des zweiten Tages - nachdem der letzte Auftritt vorbei war. Normalerweise ist das umgekehrt. Und so blieb das Festival - trotz allerübelster Wettervorhersagen und bis auf einen Pausen-Schauer vor dem Auftritt der Gruppe Sport nahezu Wasserfrei. Daneben hatte sich technisch einiges getan, wie Soundmeister Thorsten Luck erklärte: Die neue, schlankere Anlage brauchte nicht so laut betrieben werden, wie die bisherige, klang trotzdem transparenter, vermied Soundlöcher und beschallte das Gelänge gleichmäßiger. Das meint: Klang überall supergeil.
Auf der Bühne gab es dieses Mal einen Kristallüster zu bewundern. Das sah sehr wohnlich aus und ist gegenüber den bisherigen Stehlampen eine ganz klare Steigerung. Auch schön war die Tatsache, dass Ober-Conferencier Rembert Stiewe den Spickzettel mit den Witzen verlegt hatte und uns somit Sachen wie diese erspart wurden: "Was sagt ein Pferd im Blumenladen? - Ham se mar geritten?" Rein musikalisch gab es dieses Mal eine deutliche Verjüngungskur zu vermelden. Das machte sich auch in Bezug auf die Publikumszusammensetzung bemerkbar. Auch wenn (einer der drei) Irving-Sänger, Steven Scott, darüber resümierte, dass er selten so viele freundliche, ältere Gesichter bei einem seiner Konzerte gesehen habe: So viele jüngere Leute waren bislang noch auf keinem OBS versammelt gewesen. Vielleicht entstand dieser Eindruck aber auch dadurch, dass die Oldtimer sich bei jedem Olli Schulz- oder Lampshade-Auftritt zu einem Nickerchen zurückzogen? Egal: Das OBS 11 war das jüngste bislang.

Das fing bereits am - sehr gut besuchten - Freitagabend an. Wolam, die Band, die sich nach dem Ausspruch eines Pandas benannten, der Wolam Frontmann Mike im Schlafe erschienen war, ist eine der weiteren Bands, die aus Glitterhouse Praktikantentum hervorgegangen ist. Die Jungs überraschten mit einer feurigen Melange aus Brit-Pop-Schrammelpop und amerikanisch anmutendem Energie-Level. Das sah nicht nur professionell aus, sondern hörte sich auch so an. Jedenfalls war das, was hier geboten wurde, keinen Deut schlechter, als die üblichen Gitarrenpop-Hypes, die sich auf den Titelseiten einschlägiger Magazine tummeln. Und in dem Stil ging es dann auch gleich weiter. The Unisex kommen aus Schweden und haben alles drauf, was die großen ihrer Zunft ansonsten in Stadien vor zehntausenden von Fans so treiben: Sänger Jonas Linde ist ein Poser, wie er im Buche steht und versteht es - Kravatte hin oder her - die eh schon auf Effekt angelegten großartigen Melodiebögen und Hooklines seiner Jungs entsprechen theatralisch zu illustrieren. Das hätte man sich zwar lieber des Nachts mit einer schönen Lightshow gewünscht - aber wie Rembert ganz richtig sagte: Es können ja eben nur zwei Bands am Abend spielen. Nach The Unisex hätten eigentlich die Hektiker von Grand Island mit ihrem Amphetamingeschrammel verwirren sollen. Da diese abgesagt hatten, wurde das Quintett Irving aus Los Angeles eingeladen. Dies erwies sich als Glückfall, denn die - mit Keyboards betonten - Westcoast-oerientierten Gitarrenpop-Songs waren um diese Uhrzeit genau das richtige, um die Laune aufrecht zu erhalten. Außerdem erwiesen sich Irving als richtige Kumpeltypen. Mit den anderen Musikern waren sie nach kürzester Zeit befreundet, schauten sich das ganze folgende Konzert von Dziuks Küche an (das ja immerhin auf Deutsch war) und unterschrieben bereitwillig alles, was die Fans ihnen zum unterschreiben hinhielten. Mehr noch: Sie boten sich sogar für Fotos mit den Fans an. Musiker zum Anfassen wie diese hat man selten genug. Dazu gehört Danny Dziuk dann auch nicht wirklich. Vor der Show machte er sich eher rar und auf der Bühne wirkte er eher zurückhaltend. Immerhin war er der erste, der beim OBS mit Nylon-Saiten auftrat, wie Rembert nachher bemerkte. "Ich bin wohl der Quotendeutsche" stelle sich der Mann, der viel für Stefan Stoppok geschrieben hat, dem Publikum vor. Und gefiel dann mit eigenem Material ebenso wie eingedeutschten Cover-Versionen von John Prine und Tom Waits. Musikalisch erinnerte diese Darbietung ein wenig an jene, die Tillmann Rossmy vor acht Jahren an gleicher Stelle ablieferte, obwohl Dziuk im Vergleich dann doch etwas abgeklärter wirkte. Wie dem auch sei: Außer des Umstandes, dass die Americana Freunde an diesem Tag leer ausging, war das ein brillanter Auftakt des Festivals.

Warum Rachelle Van Zanten, die den zweiten Tag pünktlich um 12:30 Uhr gut gelaunt und bemerkenswert energisch eröffnete, bislang noch nicht auf dem OBS aufgetreten war, wusste auch Rembert Stiewe nicht so recht. Jedenfalls war der virtuos und einfühlsam vorgetragene Bluesrock der Kanadierin genau das Richtige, um die letzte Müdigkeit aus den Gehörgängen der Anwesenden zu pusten. Was auf CD ein wenig zu linear klingt, kommt - alleine wegen Rachelles sympathischer Bühnenpräsenz - live sehr viel organischer und kurzweiliger rüber. Auch deswegen, weil Rachelle ihr Programm mit einfühlsamen Folksongs auflockerte. "Wow, das ist ja wie Woodstock hier", meinte sie dann, "wer von euch war denn da?" Das saß dann wieder mal in Bezug auf den Altersdurchschnitt des Publikums. Rachelle war übrigens der einzige weibliche Act unter eigenem Namen. Da könnte langsam doch auch mal ein Umdenken stattfinden, oder? Al DeLoner ist natürlich als ehemaliger Midnight Choir-Chef ein alter OBS-Hase. Und knüpfte auch gleich an alte Traditionen an. Die ersten Tracks trug der Mann - wie gewohnt als in sich ruhender Pol - alleine vor, bevor er dann (gerade noch rechtzeitig) seine brillanten Musikanten, darunter auch einen Saxophonisten, dazu bat. Laut eines Kritikers sollen Als Auftritte zuweilen ja gar eine kathartische Wirkung haben. Wikipedia erklärt das so: "In der Psychologie die psychische Reinigung durch affektive Erschütterung." Interpretiert man jetzt "affektive Erschütterung" durch "gelegentliche laute Gitarrenpassagen", kam das halbwegs hin. Im Grunde seines Herzens ist und bleibt Al DeLoner aber doch irgendwo ein kleiner Langeweiler. Sein Konzert hatte - neben Momenten der Brillanz - jedenfalls auch die auch von Midnight Choir noch bekannten stattlichen Längen.

Das konnte man von Olli Schulz und dem Hund Marie dann tatsächlich nicht mehr guten Gewissens behaupten. Weiß der Teufel, wer Rembert geritten haben mochte, als er Olli für das OBS buchte, aber das saß! Rein vom Entertainment her steckte Olli Schulz alles Vorangegangene und Folgende in die Tasche. Das war Spaßkultur pur. Da machte es auch nix aus, dass der Mann mehr redete als Musik spielte, denn gerade die abenteuerlichen Geschichten aus seiner Jugend, seinem Leben als semi-bekannter Musikant, als ehemaliger Heavy Metal-Fan, als Roadie oder verhinderter Rapper ließen das Publikum vor Begeisterung ausrasten. "Uns ist es egal, ob ihr unsere Songs aus dem Netz ladet", scherzte er schließlich, "wir verkaufen am Merchandise-Stand das Artwork für drei Euro. Da könnt ihr die CD-Rohlinge reintun und tut uns wenigstens etwas Gutes." Die Krönung kam dann in Form eines Kurzauftrittes als Hardrock-Star - mit Gasmaske, Plastiksäge und Publikums-Anmache. Da gab es kein Halten mehr: Der Glitterhouse-Garten verwandelte sich in die Monsters Of Rock-Arena. Jedenfalls für einen Augenblick.

Angesichts einer solchen performerischen Urgewalt (oder "Rampensau", wie Rembert es formulierte), hatte es die Kölner Spaßkapelle Skurilli natürlich schwer, überhaupt wahrgenommen zu werden. Die Jungs zogen mit ihren Instrumenten - hauptsächlich Blaszeug, aber auch einen Batterie-Verstärker und ein Taschen-Drumkit - während der Umbaupausen durch die Gegend und spielten - vorwiegend im hinteren Teil des Geländes - und in der schönsten Tradition von Straßenmusikern, mitten im Publikum auf. Das war dann die Party in der Party...


Weiter zum 2. Teil...



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Surfempfehlung:
www.orange-blossom-special.de
www.glitterhouse.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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