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CocoRosie
Tez/ Rio En Medio

Köln, Kulturkirche
04.06.2007

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CocoRosie
Die Performance von CocoRosie in der ausverkauften Kölner Kulturkirche war geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie man vollkommen rockfrei (im musikalischen wie im modischen Sinne) einen spannenden, abenteuerlichen, anspruchsvollen und dennoch unschuldig-unterhaltsamen Konzertabend gestalten kann. Die allseits angesagten und mit Lorbeeren übersäten Schwestern Sierra und Bianca Casady hatten nicht nur ihre neue CD "The Adventures Of Ghosthorse And Stillborn" und einen ganzen Koffer voller Spielzeuginstrumente im Gepäck, sondern auch ein entsprechendes Rahmenprogramm: Auf das Nachfolgende einstimmen durfte behutsam Danielle Stech-Homsy - alias Rio En Medio.
Danielles zerbrechliche, zur großen und kleinen Ukelele und sparsamer Ambient-Elektronik vorgetragenen Indie-Folksongs bildeten dabei eine Art gelassenen, straighten und sanftmütigen Gegenentwurf zu den später folgenden verspielten und z.T. nervösen Elaboraten der beiden Hauptprotagonistinnen. Zwar war das Ganze so leise, dass der allgemeine Brabbel-Faktor im gut gefüllten, von den Kirchenbänken befreiten Auditorium schon störte, aber andererseits auch so eindringlich, dass es eine gewisse Faszination ausstrahlte und quasi zum Zuhören zwang. Zum Zuhören zwingen musste die menschliche Beatbox Tez dann niemanden mehr. Denn das, was der Vokalakrobat mit Mikro, Effektgerät und Verstärker da machte, war doch recht laut. Im Prinzip war das auf technischer Ebene alles auch recht eindrucksvoll und einige der Sounds, die Tez seinem Kehlkopf entlockte, waren auch recht innovativ. Nur hatte man den Gag nach spätestens drei Minuten kapiert und im Song-Kontext wirkte das Mundgetrommele dann doch wesentlich spannender als so nackt und als Selbstzweck. Sei es, dass Taz solo eine Coverversion von Princes "Kiss" anstimmte, wobei er es schaffte, neben dem Rhythmus auch den Text des Songs hinzubekommen oder aber später, beim CocoRosie-Konzert, bei dem er ganz alleine - und wesentlich subtiler als bei seinem eigenen Auftritt - für den Rhythmus sorgte.

Viel ist ja bereits geschrieben worden über die abenteuerliche Lebensgeschichte der Casady-Schwestern und deren merkwürdiges musikalisches Projekt, das sie nach ihren Kosenamen benannt haben. Was immer die beiden auch getrieben haben mag, ihre zunächst folk-orientierten und im späteren Verlauf immer freestyligeren Elaborate geräuschmäßig mit allerlei Kinderspielzeugen anzureichern: Erst heutzutage, bei den aktuellen Konzerten, geht das Konzept, die Vision vollständig auf. Denn was auf den Tonträgern zuweilen doch ein wenig über das Ziel hinausschießt und sich in bloßen Ideen-Explosionen verzettelt, funktioniert im Live-Ambiente auf eine überraschend homogene und schlüssige Weise. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass sich die Schwestern hier nicht alleine genügen, sondern im Zusammenspiel mit drei Musikanten an Bass, Beatbox und Klavier koordinieren müssen und sich andererseits auch der Spielzeug-Faktor in Grenzen hält, da hier kein Overkill betrieben wird, sondern der Gesang ganz eindeutig im Mittelpunkt steht. Gewöhnungsbedürftig ist die Sache dennoch, denn der Gegensatz zu Sierras klassisch ausgebildeter Opernstimme und Biancas Micky Maus-Stimme, die sich allerdings in Kombination auf wundersame Weise ergänzen, könnte kaum größer sein. Obwohl ausdrücklich attestiert werden muss, dass beide Schwestern durchaus singen können. Nur wie sie es tun, ist dabei eben das Ungewöhnliche. Ist dieser Initialschock indes erst mal überwunden - was aufgrund der klaren, übersichtlichen Songstrukturen überhaupt kein Problem ist -, dann ist man aber auch schon mitten in der Wunderwelt von CocoRosie gelandet.

Der HipHop-Faktor, der sich vorsichtig auf dem neuen Werk in den Vordergrund drängte, wurde beim Konzert in die zweite Hälfte verbannt, so dass zunächst die verwunschenen kleinen Mini-Opern sowie die verspielten Folk- und Spielzeugpop-Songs im Zentrum des Geschehens standen. Modisch sehr gewagt - mit New Kids On The Block-T-Shirt, Monatsklo-Jeans, Beinschonern und Herren-Unterhosen angetan - hätten die Schwestern dabei auch optisch unterschiedlicher kaum sein können. Während sich Bianca am rechten Bühnenrand mit dem Spielzeug-Tisch herumdrückte und konzentriert, mit geschlossenen Augen und oft mit dem Rücken zum Publikum sang, tänzelte Sierra unruhig und mit merkwürdig kindischer Theatralik unstet über die Bühne und illustrierte ihre Passagen mit großen, ausholenden Gesten. Dabei wechselte sie ständig zwischen Piano, Gitarre, Harfe, Synthesizer und diversen Spielzeuginstrumenten hin und her, während sich ihre Schwester auf einige ungewöhnliche Flöten als zusätzlichem Instrumentarium beschränkte. Das war dann in weiten Teilen irgendwo introvertiert, aber durchaus nicht ohne Unterhaltungswert, denn lebendig ist das quietschfidele Miteinander allemal. Während es im ersten Teil also eher ruhige Tracks vom Schlage "Jesus Loves Me" gab, steigerte man sich gegen Ende in regelrechte Jam-Sessions, basierend etwa auf Tracks im Stile der für CocoRosie-Verhältnisse beinahe epischen Version von "Rainbowarriors" oder des unheilvoll dröhnenden "Werewolf" vom neuen Album. Wobei dann auch mal ein zünftiges Kinderlied im Reggae Modus daraus werden konnte, wie z.B. die nicht enden wollende Interpretation des "Japan" Tracks.

Insgesamt funktionierte die Show allerdings als Gesamtkunstwerk, von dem man als Zuhörer nichts missen mochte - auch wenn die Sache erst nach 22 Uhr losging und dann fast zwei Stunden dauerte. Das aber hatte Methode, denn die After-Show-Party war gleich mit einkalkuliert. Insgesamt hielten die Casadys die Versprechungen, die sie mit "Ghosthorse & Stillborn" gegeben hatten. Ohne ihren ursprünglichen Spleen abgelegt zu haben, haben sich CocoRosie mittlerweile auch zu ernsthaften Songwriterinnen, innovativen Musikantinnen und (trotz aller kindlichen Begeisterungsfähigkeit) ernsthaften Performerinnen weiter entwickelt. Und: Nach den von Kollege Dirk Ducar angesprochenen Irrungen bezüglich der Live Präsentation zur letzten Tour, sind CocoRosie mit dem neuen Konzept ganz eindeutig wieder auf dem richtigen Weg.

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Surfempfehlung:
www.cocorosieland.com
www.myspace.com/cocorosie
www.myspace.com/tezshimer
www.myspace.com/daniellestechhomsy
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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