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Konzert-Bericht
 
Im Schatten des Doms

Julia Holter
Sean Nicholas Savage

Köln, King Ludwig
03.07.2012

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Julia Holter
Ohne das Museum Ludwig und das King Georg wäre Kölns Kunst- und Kulturszene ein gutes Stück ärmer. Diesen Sommer machen die beiden Institutionen sogar gemeinsame Sache, denn auf der Dachterrasse des Museums gastieren - unter freiem Himmel und mit Blick auf den Dom - Musiker, für die das King Georg leider längst zu klein ist. Steve Malkmus brachte Mitte Juni gleich seine komplette Familie mit, um sein einziges Konzert weit und breit zu spielen, die Peaking Lights mussten dagegen zwei Wochen später vor dem schlechten Wetter nach drinnen flüchten. US-Shootingstar Julia Holter hatte mehr Glück: Bei idealem Open Air-Wetter durfte sie ihren Auftritt auf der gut gefüllten Dachterrasse absolvieren.
Den Anfang macht allerdings Sean Nicholas Savage. Rein äußerlich eine Mischung aus Waldschrat und Hipster, der im richtigen Licht womöglich als Steve Buscemi-Double durchgehen würde, hat sich der Kanadier ungemein eingängigen Minimal-Dance-Pop-Songs verschrieben, die er in rascher Folge und vorwiegend auf Tape - "Die Songs gibt es online kostenlos als Download, aber wer ein Tapedeck besitzt: Auf Kassette kosten sie fünf Euro", erklärt er augenzwinkernd - veröffentlicht. Sein Faible für die 80er scheint allerdings nicht nur bei der Wahl des Veröffentlichungsmediums durch. Auch der betonte Minimalismus seiner Musik deutet zurück in eine Zeit, in der Keyboards und Synths nur minimale Möglichkeiten boten und Drumcomputer lediglich monoton vor sich hin ratterten. Seine Bühnenshow erinnert ebenfalls an die Künstler, die vor 30 Jahren im New Yorker Underground unterwegs waren: Mit viel Inbrunst, expressiver Mimik und herrlich ungeschickten Körperbewegungen performt er seine Songs, für die er anfangs nicht mehr als Musik aus der Konserve braucht, bevor dann sein Lebensgefährte zum Bass greift und er in der zweiten Hälfte auch selbst Stromgitarre spielt. So überdreht die Show bisweilen auch ist, so charmant und unterhaltsam ist sie auch. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Auftritt gelungen ist: Am Ende hat Savage gar nicht genug Tapes parat, um die Nachfrage befriedigen zu können.

Bevor dann Julia Holter samt Drummer und Cellist die Bühne betritt, gibt ihr Kasper König, der scheidende Direktor des Museum Ludwig, bei seiner kurzen Ansprache noch den Rat mit auf den Weg, auf jeden Fall so lange zu spielen, bis es dunkel genug sei, dass der Dom hinter ihr beleuchtet würde. So recht zu interessieren scheint das die zierliche Kalifornierin allerdings zunächst nicht, dafür wirkt sie gerade zu Anfang viel zu sehr in sich selbst versunken. Die 28-Jährige präsentiert sich an diesem Abend nicht in erster Linie als Musikerin, der es wichtig ist, mit ihren Songs das Publikum zu erreichen, sondern als Künstlerin, die lediglich das Mittel der Musik gewählt hat, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Obwohl ihr die Zuschauer vor der winzigen, extrem niedrigen Bühne praktisch zu Füßen liegen (bzw. sitzen) und andächtig lauschen, scheint es fast so, als gäbe es eine unsichtbare Wand zwischen Publikum und Künstlerin. Obwohl musikalisch durchaus perfekt vorgetragen, können die auf Platte so einnehmenden, behutsam aufgeschichteten, bisweilen geradezu träumerisch-elegischen Stücke in den neu arrangierten, deutlich raueren Live-Versionen nicht uneingeschränkt überzeugen. Dass das Publikum die drei Musiker dennoch mit reichlich Beifall belohnt, liegt vermutlich nicht zuletzt an der wunderschön entspannten Atmosphäre - Musik ist in diesem tollen Ambiente für einen gelungenen Abend nämlich kaum nötig. Holter steht also an diesem Abend gleich im doppelten Sinne im Schatten des Doms.

Erst gegen Ende des Konzerts taut die Amerikanerin dann etwas auf. Als sich ein Insekt auf ihr Tasteninstrument verirrt, scheucht sie den "green bug" zunächst mithilfe ihrer Setlist zurück in den Nachthimmel, bevor sie - ansonsten zwischen den Songs stumm und hochkonzentriert dreinblickend - die "Rettungsaktion" unerwartet humorvoll erklärt: "Mein Keyboard ist ja nicht nur ein Klavier, sondern auch ein Synthesizer. Damit könnte so ein Insekt ja gar nicht umgehen!" Just in dem Moment, als ihr letztes Lied zu Ende geht, wird dann die Dombeleuchtung hinter ihr eingeschaltet, und als sie beim Abgang von der Bühne die imposante Aussicht bemerkt, ist sie sichtlich ergriffen, dreht kurzerhand um und spielt noch eine ungeplante Zugabe. Es ist ein versöhnliches Ende für ein Sommerkonzert, das musikalisch nicht ganz das halten konnte, was es versprochen hatte, ohne deshalb zu enttäuschen.

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Surfempfehlung:
www.juliashammasholter.com
en.wikipedia.org/wiki/Julia_Holter
www.arbutusrecords.com/?page_id=30
www.seannicholassavage.bandcamp.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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