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Konzert-Bericht
 
Tablet(ten)sucht & Revival

Headway Festival

Amstelveen, P60
27.04.2013

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Freak Kitchen
Das Headway hatte seit seinem Start 2003 immer ein besonderes Flair. Speziell das Billing des Jahres 2004 war nahezu unwiderstehlich, da hier u.a. die deutsche ProgMetal-Sensation Sieges Even erstmals auf ihre US-Vorbilder Watchtower stieß. Seither konnte man u.a. Fates Warning auf dem niederländischen Festival sehen, außerdem 7for4, Jonas Hellborg, Sleepytime Gorilla Museum, Mörglbl oder auch Redemption. Hier wurde also bis zum vorläufigen Aus im Jahr 2007 stets mit exzellentem Geschmack gebucht. Der bewährte sich auch bei der diesjährigen Wiederbelebung im P60 in Amstelveen. Leider ließen manche der Zuschauer die Geschmackssicherheit der Veranstalter deutlich vermissen. Dem Menschen, der - mit zugegeben beeindruckender - Ausdauer fast jeden Gig mit seinem Tablet direkt vor dem Bühnenrand wedelnd mitgeschnitten hat, hätte man beim W:O:A stark vermutlich seinen eigenen Flachrechner zu futtern gegeben - und zwar quer...
iPad Guy
Doch die Handvoll Leute, die das Festival generell genug interessierte, um schon am frühen Samstagnachmittag die gefühlt 2.000 Treppen hinauf zum P60-Konzertsaal zu erklimmen, schienen dafür zu friedlich und tolerant gestimmt. Vielleicht dämpften aber auch die auffallende Dunkelheit und die selbst für ProgMetal-Verhältnisse schlicht übertriebene Lautstärke bereits bei der ersten Band, den Local Heroes Trip Trigger, die Reaktionen. Der Sound war dabei überall im Raum so schrill wie immer kurz vor dem Clipping - ein Effekt, den die FOH-Leute bedauerlicherweise das ganze Festival über nur selten in den Griff bekamen. Ohne Gehörschutz ging also leider gar nichts. Und für den TT-Sänger nichts ohne sein Sakko. Schade, dass er so schlecht zu verstehen war. Die sich von Tool, Rush oder Porcupine Tree beeinflusst zeigende Formation spielte u.a. "Trial & Error" und "Newsfeed" und endete mit dem epischen "Overflow" - in Summe nicht verkehrt als Einstieg.

Next in line waren Pigeon Toe. Das deutsche Quinttet hat vergangenes Jahr sein Debütalbum "The First Perception" an den Start gebracht und überzeugte mit besonders wuchtigen Grooves, für die u.a. der Dreadlock-gezierte Bassist verantwortlich ist. Leider kam aufgrund der Soundproblematik der ohnehin nicht besonders tragende Gesang zu wenig über die Rampe. Schade um u.a. rhythmisch so interessante Kompositionen wie das Titelstück, "The Man With The Cat" oder "The Wizard".

Auch bei den Finnen Oddland, die immerhin erst um halb fünf die Bühne enterten, blieb es noch überschaubar im Publikum, das sich bei der schön zwischen sanften Passagen und Heavy-Attacken aufschaukelnden Musik aber immerhin erstmals zum Head(way)bangen animieren ließ. Auf der Bühne flogen die Matten, soweit vorhanden, bei Stücken wie "Flooding Light", "Sewers" oder das spannend aufgebaute "In Endless Endeavour" ohnehin untentwegt.

Für einen eindeutigen ersten Höhepunkt sorgten nun Obsidian Kingdom aus Barcelona. Das wurde ganz allgemein so erlebt. Auch wer wie wir die Musik der Spanier zwischen Psychedelik, Post- und ProgRock sowie Ultraheavy Metal erstmals erlebte, wurde sofort in den Bann gezogen. Dazu trugen der erstmals gut auszumachende Gesang - klar und mit markerschütternden Grows, dann wieder nur ein Flüstern -, die lebhafte Bühnenshow und die teils gruseligen Projektionen erheblich bei.

Nächste Steigerungsstufe: Leprous. Auch sie hatten mit dem Übelsound zu kämpfen, doch ihr so sympathischer wie melodramatischer Bombastprog geriet dadurch nicht weniger unwiderstehlich: "Chronic" und "The Valley" vom zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten "Coal"-Album oder "Restless" vom wunderbaren "Bilateral" erwiesen sich als ebenso unverwüstlich wie die Bühnenpräsenz der Norweger um Einar Solberg, der in bandscheibenmordender Haltung über sein sehr tief aufgebautes Keyboard geneigt spielt. Zugaben wurden verlangt und gewährt: "Coal" - Cool. Allerdings hatten die Leprösen vorher eine gute halbe Stunde überzogen und somit das bis dahin völlig nach Schedule laufende Festival etwas aus dem Plan gebracht.

Und der brachte uns nun Freak Kitchen und einen bald völlig entnervten Mattias IA Eklundh. Der Übergitarrist und Sänger war um vier Uhr in Paris aufgestanden, um sich die Haarpracht zu waschen und dann mit Leihwagen und Gitarren nach Amstelveen zu knattern, wie er seinen mitfühlenden Zuhörern anvertraute. Das sonstige Equipment hatten also die Veranstalter gestellt. Und das machte Zicken. Bei "God Save The Spleen" (hinreißend) und "Porno Daddy" (nice audience participation part) funzte noch alles halbwegs, doch bei "Speak When Spoken To" fühlte sich der Leih-Marshall (Mattias spielt und endorsed sonst Laney) nicht mehr angesprochen. Während schwedische Diven wie beispielsweise Daniel Gildenlöw schon mal (Pain Of Salvation @ ProgPower Europe 2005) ihr Publikum allein schon wg. einer nicht nach Gusto funktionierenden DVD-Einspielung zur Geisel ihrer miesen Laune nehmen, hat Mattias für so etwas einfach zu viel Humor und Professionalität. Doch beides wurde hart geprüft, als auch der Ersatz-Amp Aussetzer produzierte. Dennoch geriet der "Teargas Jazz" brillant, nicht weniger als "Murder Groupie", bei dem sich der Künstler in komischer Verzweiflung über Haare in seinem Mund beklagte. Höchste Zeit also für "My New Haircut" mit wunderbaren Gesangsharmonien. Das knackige "Razor Flower" singt der mit Helm und Schutzbrille angetretene Bassist Christer Örtefors. Mit dem "Propaganda Pie" geht ein trotz Technikmucken zumindest für das Publikum hinreissender Auftritt zuende. Mattias hat zwischendurch doch mal die Gelassenheit verlassen, er schwor lieber auf das kommende neue Album und eine "richtige" Europatour im November ein.

Was konnte danach noch kommen? Na, Philm, die neue "Supergroup" aus Dave Lombardo (drms; Slayer, Fantômas, Grip Inc.), Gerry Nestler (guit, voc; Civil Defiance) und Pancho Tomaselli (bss; War). Wenn man mal die Slayer-Buben beim Wacken Open Air mit überwiegend dem Publikum zugewandtem Rücken mehr labern als spielen gesehen hat, ist es eine durchaus positive Überraschung, dass Philm am vordersten Bühnenrand agiert und auch der berühmte Drummer sein Kit in Reichweite der Fans aufgebaut hat. Apropos publikumsnah: Unser Frühstück nahmen wir am nächsten Morgen direkt neben Philm, but that's another story...

Was von Konserve (Debüt "Harmonic", 2013) noch nicht so ganz den Sprung ins Lustzentrum geschafft hatte, ließ sich hier gleich viel besser an. Die Band klingt naturgemäß Civil Defiance nicht unähnlich, aber mit einem gerade live ganz erheblich höheren Lautstärke- und Aufmerksamkeitsanteil für das Schlagzeug. Mr. Lombardo spielt ungemein kraftvoll, muss dafür aber nach jedem Stück an einem Becken links am Kit 'rumschrauben. "Vitriolize" (ein Energieausbruch), "Mitch", "Area", "Held In Light", sogar die Baudelaire-inspirierte "Meditation" - Philm entpuppten sich als vielseitige Wanderer zwischen Thrash, Garage, Punk und Psychedelik und daher als würdiger Abschluss des Festivals, bei dem sich übrigens jeder auf einem Headway-"Thron" verewigen konnte.

Headway Thron
NACHGEHAKT BEI: Freek und Onno (Veranstalter)

GL.de: Wie viele Gäste waren da und wie viel fasst das P60?

Es waren leider nur 175, wir hätten 650 unterbringen können und wollen.

GL.de: War das dann nicht eine wirtschaftliche Katastrophe und was bedeutet das für eine Fortsetzung?

Das wirtschaftliche Risiko hat das P60 getragen. Glücklicherweise haben wir aber eine Mischkalkulation mit noch anderen von uns gebuchten Konzerten im P60 (z.B. Periphery, TesseracT and Syqem). Da hier der Vorverkauf gut läuft, sind wir zuversichtlich. Und ja, die Besitzer des P60 wollen mit uns weitermachen.

GL.de: Wie war die Presseresonanz dieses Jahr?

Wir hatten einige Veröffentlichungen im Vorfeld und mit euch beiden zehn Pressevertreter zu Gast, darunter Aardschok (wichtiges niederländisches Metal-Medium, d. Red.).

GL.de: Was wollt ihr kommendes Jahr verändern?

Wir träumen davon, wieder ein mehrtägiges Festival zu machen und zusätzliche Goodies wie Clinics, Akustik-Shows oder sogar nichtmusikalische Events anzubieten. Dieses Jahr waren wir ja offensichtlich noch eingeschränkt, vielleicht nicht nur durch das Budget, sondern auch durch unsere eigene Vorstellungskraft. Eventuell müssen wir noch mehr Mut und Experimentierfreude zeigen...

GL.de: ...denn schließlich bedeutet "Headway" auch Fortschritt. Weiterhin viel Erfolg!

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Surfempfehlung:
www.headwayfestival.com
www.youtube.com/watch?v=IMD5WUHy4xQ&feature=share&list=PLdgT_jyy3S7Op5AvPnZF6VFJ77nmQzWLK
www.youtube.com/user/Headwayfestival
www.facebook.com/PHILMOfficial
www.freakkitchen.com
www.leprous.net
obsidiankingdom.com
www.oddlandband.com
www.pigeontoe.de
www.triptrigger.nl
Text: -Klaus Reckert-
Fotos: -Tobias Berk-


 
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