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Konzert-Bericht
 
Bären, Flüsse, Kommunisten

Emily Barker & The Red Clay Halo
Chris T-T

Köln, Studio 672
13.05.2014

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Emily Barker
Es gibt diese Konzerte, an die man als Konsument so ganz ohne besondere Erwartungshaltungen herangeht. Das war auch so eines: Sicher, da hatte die Australierin Emily Barker mit ihrer Band Red Clay Halo ein schönes Folkpop-Album namens "Dear River" herausgebracht und dieses auch schon auf einer Roadshow-Tour u.a. mit Austin Lucas gefeatured - da erschien diese Headliner Tour nun eigentlich nur noch wie das Sahnehäubchen für Fans. Dass dann aber ein nahezu magisches Ereignis daraus werden würde, war aber nicht zu erwarten gewesen.
Das lag dann an den besonderen Umständen: Zwar trat Emily durchaus unter dem vollen Bandnamen auf - aber nur mit einer der vier Damen, die die Band im eigentlichen ausmachen: Kollegin Gill Sander begleitete Emily auf dem Akkordeon, beim Gesang, gelegentlich an der zweiten Gitarre und ein mal auf der Querflöte. Emily selbst spielte größtenteils akustische, gelegentlich elektrische Gitarre, sang und spielte ein verstärktes Kickboard, um die rhythmischen Aspekte emulieren zu können. Dieses Setting führte dann dazu, dass nicht nur für die neuen, sondern auch die alten Songs neue Arrangements ins Spiel kamen und obendrein der übliche Showcase-Charakter solcher Touren insofern aufgebrochen wurde, dass nur ein kleiner Teil der vorgetragenen Songs von "Dear River" stammte. Stattdessen gab es - neben älteren Songs (bis hin zu "Blackbird" von ihrer Solo-Debüt-Scheibe von 2005) - auch solche aus Emilys Arbeiten für Film- und Fernsehen zu hören und eine Coverversion von Bruce Springsteens "Tougher Than The Rest".

Neben Gill Sander hatte Emily aber noch den englischen Songwriter und Komiker Chris T-T aus Brighton mitgebracht (der dereinst seine Karriere als Mitglied der Chemikal Underground-Band Magoo begann), der den Abend eröffnete. Und zwar mit dem Gedicht "The Bear" des britischen Poeten A.A. Milne, dem Schöpfer von "Winnie The Pooh". Normalerweise, so T-T, sänge er ja Songs zu politischen und anderen radikalen Themen, und da habe er sich gedacht, dass es ja nicht schaden könne, bei seinem ersten Besuch in Köln mal etwas Versöhnlicheres zu singen. "Ich bin zum ersten Mal in Köln. Ist Köln gut?", fragte er ins Publikum. Und damit sprang dann der Funke über, der das schlagfertige Publikum zum dritten Protagonisten des Abends machte. Er habe es von 20 Jahren aufgegeben, Deutsch zu sprechen, radebrach T-T auf Deutsch - woraufhin dann jemand aus dem Publikum rief "Ich auch." So ging das dann in etwa weiter. T-T spielte noch einen weiteren auf einem Milne-Gedicht basierenden Song. "Für die Erwachsenen im Publikum ist dies ein Song über Kaninchen, für die Kinder im Publikum ist es einer über Kommunismus", brachte er das politische Element dann doch noch ins Spiel. Währenddessen versuchte er irritiert Emily Barker auf die Bühne zu locken, die mit ihm seinen Song "Gulls" singen sollte. "Mann, es war doch ihre scheiß Idee", grummelte er - bis Emily dann doch nöch gefunden werden konnte. Insgesamt war das musikalisch zwar keine weltbewegende Errungenschaft, aber allerbestes Entertainment - und das soll ja auch für etwas zählen: Man will die Künstler ja nicht immer nur bewundern, sondern gelegentlich auch mal mit ihnen lachen.

Emily schlug dann im Folgenden erst mal ernstere Töne an und begann das Set mit "Ropes" vom letzten Album "Almanac". Es ging dann verständlicherweise auch im gepflegten Folk-Setting weiter, während es auf dem neuen Album "Dear River" ja auch mal poppig oder gar rockig zu geht. Emily ist eine dieser Songwriterinnen, die sich die Mühe machen, ihre Songs - oder deren Bedeutung oder deren Entstehungsgeschichte - dem Publikum zu erklären. Das ist natürlich sehr lobenswert, führte im Folgenden dann aber zu einigen komischen Situationen - weil das besagte Publikum in diesem Fall halt mal schlagfertiger war als die Protagonistin selbst. Es fing damit an, dass Emily nicht wusste, welcher Fluss den an Köln vorbeifließe, als es darum galt "Dear River" und später "The Black Wood" (ein kleiner Fluss in der Nähe ihres Heimatortes) anzusagen. "Heh, Gill - lass uns für die nächsten Termine besser vorher ein wenig recherchieren", rief Emily ihrer Kollegin zu, als sich das Gelächter im Publikum gar nicht mehrt legen wollte. Es ging aber noch besser: 2011 gab es eine Mini-Serie namens "Shadowland" mit Chiwetel Ejiofor, für die Emily den Song "Pause" als Titeltrack geschrieben hatte. "Hat das jemand auf BBC 2 gesehen?", fragte Emily ins Publikum. "Nein - wir schauen hier nur BBC 3", gab es daraufhin die Antwort aus dem Publikum zurück. Solcherlei Geplänkel hätten normalerweise ja auch zu peinlichen Situationen führen können - Emily und Gill nahmen das jedoch mit Humor und so spielte sich der Rest der Show dann in einer gelösten, heiteren Atmosphäre ab - gleichwohl das Gros der Stücke dann eher getragenen Charakters war.

Der Bruce Springsteen-Song ist übrigens Kindheitserinnerungen an 12 Stunden lange Trips zum australischen Strand geschuldet. Für "Fields Of June" wurde Chris T-T noch ein Mal bemüht (der - wie er das zuvor auch versprochen hatte - sein verschwitztes Hemd gewechselt hatte) und ein letztes Highlight gab es, als zur zweiten Zugabe jemand im Publikum den "Almanac"-Track "Calendar" hören wollte. Nicht nur, dass der junge Herr dann auf die Bühne gezerrt wurde, um den "Lala"-Refrain mitzusingen: Am Ende machte das ganze Publikum mit und das ganze endete in einer Art Instant-Party. Fazit: Ohne dass eigentlich etwas Außergewöhnliches passiert wäre, wurde dieser Abend am Ende - alleine der richtigen Stimmung und Chemie wegen - einer der unterhaltenderen und spaßigeren seiner Art.

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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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