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Konzert-Bericht
 
Angekommen!

Sharon Van Etten
Lyla Foy

Brüssel, Botanqiue
25.05.2014

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Sharon Van Etten
Ein bisschen unheimlich scheint Sharon Van Etten ihr derzeitiger Erfolg schon zu sein. "Es ist sooo toll, ein paar bekannte Gesichter zu sehen", gesteht sie einigen Fans früherer Jahre, nachdem sich der Trubel am Merchandise-Stand etwas gelegt hat. Was sich zuvor abgespielt hat, ist allerdings der allerletzte Beweis dafür, dass die Amerikanerin pünktlich zur Veröffentlichung ihrer umwerfenden neuen LP längst nicht mehr nur "The nextbig thing" ist. Das Album mag "Are We There" heißen, aber fest steht: Sharon Van Etten ist angekommen. Nicht nur, dass die Autogramm- und Fotosession für die Fans nach dem Konzert eine geschlagene Stunde dauert, weil der Andrang so groß ist, am Ende hat Sharon auch sämtliche mitgebrachten Vinylplatten verkauft, die eigentlich für die gesamte zweiwöchige Tour hätten reichen sollen - und das am Auftaktabend!
Auch im wunderschönen Saal, dem Museum des Botanique mit einer auf gusseisernen, prunkvoll verzierten Pfeilern stehenden Empore und edlem Holzfußboden, merkt man schnell, dass dies kein alltägliches Konzert ist. Hier steht eine Künstlerin auf der Bühne, die man zum letzten Mal in so kleinen Lokalitäten sehen wird - und die Besucher wissen das. Bereits 90 Minuten vor Beginn des seit Wochen ausverkauften Konzerts bildet sich eine Schlange vor dem Saal, und als die Türen endlich aufgehen und die Zuschauer hineinströmen, bleiben die letzten Stuhlreihen leer. Das Publikum knubbelt sich dicht gedrängt vor der nicht existenten Bühne und sitzt lieber Sharon zu Füßen als auf bequemen Antikstühlen zehn Meter entfernt. Anders als bei sonstigen Indierock-Konzerten, bei denen beim Erlöschen des Lichtes höchstens die Gespräche verstummen und erst geklatscht wird, wenn die Künstler tatsächlich etwas geleitstet haben, bekommt Sharon zudem praktisch schon die ersten Standing Ovations für ihr bloßes Erscheinen. Auch die ekstatischen Jubelschreie, die die ersten Takte vieler Songs begleiten, unterstreichen, dass es sich hier nicht um irgendeinen Hipster-Hype handelt, den man im Vorbeigehen mitnimmt. Die Lieder, die es hier zu hören gibt, bedeuten den Zuschauern wirklich etwas. Es sind Lieder, die von Herzen kommen und auch direkt auf die Herzen der Zuschauer zielen. Vor zwei Jahren war die zierliche Amerikanerin der unbestrittene Darling in Indie-Folk-Zirkeln, inzwischen ist sie einfach eine der herausragenden Singer/Songwriterinnen unserer Zeit, die sich allen Schubladen geschickt entzieht, wie ihr brillanter Auftritt im Rahmen des mehrwöchigen "Les Nuits Botanique"-Festivals eindrucksvoll beweist.

Ein wenig nervös sind Sharon und ihre runderneuerte Band allerdings schon. Zwar haben Multiinstrumentalistin und Sängerin Heather Woods Broderick, Gitarrist Doug Keith und die beiden Neulinge, Megafauns Brad Cook am Bass und Ben Folds Fiver Darren Jessee am Schlagzeug, Anfang Mai bereits vier Aufwärmshows mit Sharon in der amerikanischen Provinz gespielt, doch der echte Auftakt der "Are We There"-Welttournee ist dieses Konzert in Brüssel und die Musiker stehen mit dem das geliehenen Equipment zunächst noch ein wenig auf Kriegsfuß. Musikalisch läuft - von einer gerissenen Gitarrenseite bei "Serpents" einmal abgesehen - zum Glück trotzdem alles ziemlich glatt. Das Einzige, was der Band derzeit im Vergleich zu der traumhaften Quartettbesetzung der "Tramp"-Tournee vor zwei Jahren noch fehlt, ist die Lockerheit und Leichtigkeit, die nur viel Spielpraxis bringen kann. Wenn man allerdings sieht, wie sich Brad mit geschlossenen Augen im Takt der Musik wiegt und Darren wie ein Honigkuchenpferd grinsend zwischen den Songs zu Sharon hinüberschaut, dann weiß man, dass die fünf auf einem guten Weg sind.

Im Vergleich zur letzten Tournee ist Sharons Programm allerdings auch deutlich ambitionierter geworden. Davon künden nicht nur die beiden riesigen Korg-Keyboards, das zuvor nur bei einem Song genutzte, inzwischen aber fest in der Bühnenmitte auf einem Ständer installierte Omnichord und ein Laptop. Auch am Gesicht von Drummer Darren kann man ablesen, dass die bisweilen sehr komplexen Rhythmen und Fills der neuen Songs selbst einem alten Hasen wie ihm einiges abverlangen. Doch auch wenn mehr Technik aufgefahren wird als zuvor, werden längst nicht nur die Studioversionen reproduziert. Gleich der Opener, "Afraid Of Nothing", der auf dem Album fast einen Tick zu schwelgerisch-poppig geraten ist, überzeugt live mit einem viel erdigeren, handgemachten Sound, und während bei "Taking Chances" auf Platte zunächst noch der simple Beat des Omnichord mitrumpelt, ist auf der Bühne Drummer Darren von Beginn an der einzige Taktgeber. Anders als vor zwei Jahren, als die Band in alter Patti Smith-Group-Tradition ohne Bassisten auskam und zwischen den Songs eifriges Instrumentetauschen angesagt war, sind die Rollen von Sharons Mitmusikern dieses Mal klarer definiert. Vor allem Heather kann sich nun bei einigen Stücken darauf konzentrieren, Sharons fantastische Gesangspartnerin zu sein. Wie gerne die beiden zusammen singen, zeigt auch, dass die Bandchefin bei den gemeinsamen Parts vieler Stücke lieber zu Heather hinüberschaut, als sich dem Publikum zuzuwenden.

Während ihre Mitstreiter kein Instrumenten-Roulette mehr spielen, wechselt Sharon selbst von der Strom- an die Akustikgitarre, vom Omnichord ans Keyboard. War sie vor zwei Jahren kaum mehr als ein Teil ihrer fabelhaften Band, ist sie nun die unbestrittene Frontfrau, die die Zügel fest in der Hand hält. Ungefähr nach der Hälfte des Konzerts fällt dann auch die anfängliche Nervosität von ihr ab und sie lässt sich sogar zu ein paar Witzen zu den ungeschminkt autobiografischen Lovesongs ohne Happy-End hinreißen, die im Zentrum von "Are We There" stehen. So sagt sie todernst: "Das nächste Lied handelt davon, ein Optimist zu sein. Es heißt: 'Nothing Will Change'", oder kündigt wenig später ein Lied als Popsong an: "Es ist vollkommen positiv und erhebend, ihr kennt mich ja", um dann "I Love You But I'm Lost" zu spielen... Unter die neuen Stücke, die den Löwenanteil des Sets ausmachen, mischen sich vereinzelt Nummern der vorangegangenen zwei Alben, oder anders gesagt: Ohrwurmalarm bei "Save Yourself", Gänsehaut bei "Give Out", ungebremste Rock-Wucht bei "Serpents" und pure Emotionen bei "Don't Do It".

Nach dem niederschmetternden Siebenminüter "Your Love Is Killing Me" verlassen Sharon und die Ihren zum ersten Mal die Bühne und die Menge hält es nicht mehr auf den Sitzen. Zurück kommt Sharon zunächst allein, denn ist es Zeit für eine Weltpremiere. In Brüssel spielt sie zum allerersten Mal das Piano-Solostück "I Know", doch obwohl sie ihr Publikum vorwarnt ("Ich werd's gegen die Wand fahren, das sag ich gleich vorab!"), gelingt ihr der Song absolut perfekt. Allerdings merkt man gerade nach dieser gewissermaßen nackten Performance auch, wie viele Emotionen die neuen, das Auf und Ab ihres Liebeslebens thematisierenden Lieder in der Künstlerin aufwühlen. Einige Sekunden steht sie sichtbar mitgenommen am Klavier und für einen Moment scheint sie sogar den Tränen nah. Zum Glück kommen dann ihre Musiker zurück auf die Bühne und brechen mit einigen albernen Scherzen die Spannung, bevor ein Zuruf aus dem Publikum Sharon wieder zum Lachen bringt. Dass auf ihre Frage "Wir wollen uns mit einem weiteren neuen Stück verabschieden. Ist das ok?" ein "Kommt darauf an!" aus dem Saal zurückschallt, damit hatte sie wohl nicht gerechnet! Mit "Every Time The Sun Comes Up" geht das Konzert auch musikalisch nach rund 75 Minuten geradezu leichtfüßig zu Ende.

Zum Gelingen des Abends trug auch Sub Pop-Hoffnung Lyla Foy mit ihrer dreiköpfigen Band als geradezu idealer Supportact bei. Die Britin war nah genug dran am Vibe des Hauptacts, um das Publikum von Anfang an auf ihrer Seite zu haben, gleichzeitig war sie aber auch eigen genug, um nicht als schlechte Kopie des Headliners durchzugehen. In Brüssel präsentierte sie ihr unlängst erschienenes Debütalbum "Mirrors The Sky" mit luftig-zarten Indiepop-Songs, die den Folk streifen, ohne deswegen retro oder traditionell zu sein - dafür sorgten ihre Liebe zum Minimalismus genauso wie ihr Faible für melancholisch gefärbten Pop. In diesem Klanguniversum passte es ausgezeichnet, dass sich unter die Highlights ihres Albums - das unverhohlen poppige "Father Tongue", das mit dezentem 70s-Flair kokettierende "Rumour" und das beeindruckende Solostück "Someday" - mit "Something On Your Mind" auch eine Nummer von 60s-Folk-Ikone Karen Dalton mischte, die Lyla interessanterweise viel straighter interpretierte und damit dem unschlagbaren Original ganz neue Seiten abgewinnen konnte. Dass sie darüber hinaus Teenage Fanclub, Jenny Lewis, Rosetta Tharpe und Chuck Berry zu ihren Idolen zählt, hörte man dem Auftritt aber nun wirklich nicht an. Schon eher beschwor sie Vergleiche mit Kate Bush oder St. Vincent herauf und kredenzte uns feinen, ungekünstelten Pop im Sound der Zeit.

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Surfempfehlung:
ww.sharonvanetten.com
www.facebook.com/SharonVanEttenMusic
en.wikipedia.org/wiki/Sharon_Van_Etten
www.lylafoy.com
www.facebook.com/LylaFoy
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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