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Konzert-Bericht
 
Radikalisiert

Dan Mangan + Blacksmith
Cristobal And The Sea

Köln, Gebäude 9
09.04.2015

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Dan Mangan + Blacksmith
Jeder Kanadier, der sich musikalisch nicht als US-Amerikaner verpflichtet fühlt, verdient einen Orden. Einfach deswegen, weil diese Spezies schlicht die Minderheit der Szene ausmachen. So gesehen hat Dan Mangan gleich mehrere Orden verdient: Erstens, weil er zunächst genauso anfing - also als Troubadour mit Americana-Bezug -, sich dann aber recht schnell musikalisch expandierte und zweitens, weil er mit seiner letzten Veröffentlichung "Club Meds" dieses Prinzip nicht nur auf die Spitze getrieben hatte, sondern sich auch gleich noch musikalisch radikalisierte.
Denn das, was Mangan heutzutage mit seiner Band fabriziert, hat nun wirklich mit Americana nichts mehr zu tun. Die Band trägt seit Kurzem auch einen Namen: Heutzutage formiert Dan Mangan als Dan Mangan + Blacksmith - einfach weil es sich seltsam anfühle, weiterhin als Dan Mangan aufzutreten, wenn er doch eine feste Band habe - so erzählte er beim Kölner Konzert. Wenn Mangan sich musikalisch radikalisiert hat, so nahm er dabei sein Publikum wohl gleich mit - denn obwohl das neue Material wesentlich schroffer und anspruchsvoller daherkommt, als alles, was Mangan vorher vorstellte, war der Zuspruch keineswegs kleiner geworden: Das Gebäude 9 war jedenfalls bis auf den letzten Platz gefüllt, als gegen 21 Uhr der Supportact, die Labelkollegen von Cristobal And The Sea die Bühne erklommen.

Das in London basierte Quartett mit internationaler Besetzung (Portugal, Spanien, Korsika und England) passte insofern ganz gut zu dem Programm des Abends, als dass auch diese Combo einen relativ radikalen Ansatz verfolgt. Denn wie bereits anhand der bislang einzigen Veröffentlichung, der EP "Peach Bells", zu erahnen war, sind Cristobal And The Sea keine typische Rock- oder Pop-Combo, sondern mixen die verschiedenen Einflüsse aus ihren jeweiligen Kulturen (wobei dann auch Samba, karibische und afrikanische Elemente hinzukamen) zu einer quirligen, rhythmusbetonten Melange, die sich im Konzert-Kontext als eine einzige, energiegeladene Jam-Session entpuppte. Mit Songstrukturen haben es Cristobal And The Sea nicht so sehr. Obwohl die verschiedenen Tracks - die sich am Ende eigentlich nur durch das jeweilige Tempo bzw. den zugrundeliegenden Basis-Riff unterschieden - durchaus strukturiert daherkommen, mit festgelegten Plätzen für die Vocal-Parts, Intros, Outros, Zwischenspiele, Soli und bloße Jam-Passagen, wirkte das Ganze am Ende ziemlich verspielt, improvisiert, teilweise verdaddelt und zuweilen nickelig unfertig. Der vollkommene Verzicht auf Melodien und das eher autistische Vortragswesen halfen da nicht wirklich. Hätte sich nicht Bassist Alejandro Romero des Öfteren begeistert ans Publikum gewandt und sich die ständig herumtänzelnde Flötistin/Sängerin Leila Séguin nicht erkennbar gutgelaunt gezeigt, wäre das eine sehr introvertierte Angelegenheit geworden - trotz aller zur Schau getragenen Instrumentalen Spielfreude. Wer auf druckvolle, spontane, lebendige, freistilige Musik mit Tanzfaktor stand, kam auf seine Kosten. Freunde gediegenen Songwritings eher weniger.

Es mochte dann ein bezeichnendes Omen gewesen sein, dass dann eine von Dan Mangans Akustikgitarren gleich nach dem ersten Track den Geist aufgab, denn auch bei Mangan trat das - übrigens nach wie vorhandene songwriterische Element - bei der Präsentation des überwiegend neuen Materials deutlich in den Hintergrund. Mangan selbst bediente z.B. zusätzlich zur Gitarre noch ein Keyboard, neben dem Ständer des Trompeters befand sich ein elektronisches Teufelsmodul und das Effektpedal von Mangans langjährigem Gitarristen Gordon Grdina spottete jeder Beschreibung. Was sich gegenüber früher - neben Mangans Geschick als Songwriter - nicht geändert hat, ist die unbändige Energie, mit der sich die Band in ihr Material hineinzusteigern weiß. Insbesondere Grdina spielt sich zuweilen regelrecht in Trance - so dass es Mangan und den anderen Kollegen schwer fiel, mit diesem zu kommunizieren. Das hat er früher auch schon getan - allerdings öfter im direkten Duell mit Mangan - wozu es heutzutage nicht mehr kam. Dafür kanalisierte Grdina seine immense Virtuosität in Sphären, die selten ein Mensch zuvor gehört hatte (wenn man Sphären überhaupt hören kann). In fact war selten auszumachen, woher welche Sounds denn nun gerade kamen.

Mangan & Co. schafften es immer wieder, beeindruckende Sound-Orkane zu inszenieren, die regelmäßig ins Weltall abzudriften drohten. Ob Mangans Vorliebe für die neuen, epischen Soundformate vielleicht von seiner Arbeit als Film-Komponist (für "Hector And The Search For Happiness") herrühren mochte, wurde dabei nicht ganz deutlich, denn Mangan sind seine Inhalte nach wie vor wichtig. So liefert er regelmäßig Ansagen zu seinen Songs und beschreibt auch, unter welchen Eindrücken dieses und jenes entstanden sind. Freilich sucht er heutzutage, seine Inhalte in Schlagworten zu verdichten, die er dann auch gleich zu Titeln seiner Tracks macht: "Mouthpiece", "Vessels", "Kitsch" oder "Forgetry" heißen nun seine Songs. Dabei scheint es schwierig zu sein, die älteren, "konventionelleren" Stücke in das neue Klanggewand zu überführen, denn nur wenige alte Nummern wie z.B. "Road Regrets" fanden den Weg ins Set. Immerhin: Das Konzept funktionierte, erschien schlüssig, war auch live stets überraschend und spannend anzuhören und gefiel auch den Fans - die bislang ja eher anderes gewöhnt waren. Und es hilft, dass Mangan eine durchsetzungsfähige, sonore Stimme hat, sodass er mit den zum Teil orgiastischen, druckvollen Soundscapes als Sänger durchaus mithalten konnte - was wichtig ist, denn irgendwelche Identitätsverluste waren so wirklich nicht zu vermerken. Und wie gesagt: Mangan verdient ja bekanntlich mehrere Orden - eben weil er sich (zumal als Kanadier) so weit aus dem Fenster gelehnt hat.

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Surfempfehlung:
danmanganmusic.com
www.facebook.com/danmanganmusic
www.facebook.com/cristobalandthesea
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Dan Mangan + Blacksmith:
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