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Im Parallel-Universum

Emergent Sounds Presents
Orla Gartland/ Gavin James/ Lewis Watson

Köln, Volksbühne Am Rudolfplatz
01.02.2016

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Orla Gartland
Also die Sache ist die: Jenseits der üblichen Mechanismen des Musikbusiness (Label, Vertrieb, Promotion, Booking) hat sich mittlerweile ja ein regelrechtes Parallel-Universum entwickelt, in dem autonome Künstler durch eigene Anstrengungen und ohne große Ressourcen links an o.a. Institutionen vorbei über das Internet eine ganz eigene Bewegung geschaffen haben und durch unermüdliche eigene Bemühungen auch ein ganz eigenes Publikum fanden. Dazu gehört auch das Phänomen der sogenannten Video-Channels, die insbesondere aufstrebenden, jungen Künstlern eine gute Möglichkeit bieten, sich und ihrer Musik einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, indem sie für diese exklusive, meist akustische Live-Videos von einigen Schlüssel-Songs produzieren. Dazu gehört auch das rührige Unternehmen Emergent Sounds aus Köln, das seit vier Jahren neue Akzente in der Szene setzt. Unter anderem dadurch, dass ausgesuchten Künstlern dann wieder die Möglichkeit geboten wird, im Rahmen von kleinen Festival-Abenden ihre Musik live einem interessierten Publikum zu präsentieren.
Der nun anstehende Abend in der Kölner Volksbühne (dem ehemaligen Millowitsch-Theater, das seine Pforten nach der Renovierung auch dem Musikgeschehen geöffnet hat) war bereits das dritte ES-Live-Event und präsentierte drei junge Songwriter(inn)en aus Irland und England, die - insbesondere in ihrer Heimat - auch schon mit Veröffentlichungen und Live-Auftritten für Furore gesorgt haben und somit auch als Next Big Things in Sachen Songwriting gelten dürften:

Die Irin Orla Gartland absolvierte an diesem Abend sogar ihr Deutschland-Debüt. Sie gehört zu jener Riege junger Künstler, die über YouTube zu ihrem Publikum fand. Wie üblich begann die ganze Sache mit einigen Cover-Versionen. Mittlerweile hat sie aber auch ihre erste EP namens "Roots" herausgebracht, die sich auch schon in diverse Charts geschlichen hat und produziert jetzt auch professionelle Videos wie z.B. zu ihrem Song "Whispers" oder dem Titeltrack der EP "Roots". Orla macht das, was man guten Gewissens als Folkpop bezeichnen kann. Das meint hier: Popsongs, die zwar auf den Tugenden handgemachter Folkmusik basieren und einen typisch autobiographischen Storyteller-Charakter haben, sich aber produktionstechnisch keineswegs den Möglichkeiten der Moderne verschließen. Dass sich Orla dabei zunächst als Songwriterin und erst dann als Popkünstlerin sieht, wurde bei der schnörkellosen No-Nonsense-Darbietung in der Volksbühne deutlich, wo sie auf jeglichen Schnickschnack verzichtete und lediglich mit ihrer akustischen Gitarre bewaffnet vor das Publikum trat - und dieses dann durch ihre sympathische, unkomplizierte Art auch gleich entwaffnete. Ganz so, als habe sie schon 1000 x in Deutschland auf der Bühne gestanden, begrüßte sie die Anwesenden wie alte Bekannte und hatte diese schnell in ihren Bann gezogen. Nach drei Solo-Songs bat sie dann ihre Kollegin, die walisische Sängerin Greta Isaac auf die Bühne und beide zusammen präsentierten dann auch Songs, die gemeinsam entstanden sind und für ein - noch namenloses - Duo-Projekt gedacht sind. (Greta bittet übrigens noch um Namensvorschläge für dieses Duo, die dann bitte an Emergent Sounds weiterzuleiten sind.) Auch diese Songs sind in der Folkpop-Tradion zu sehen und vielleicht sogar noch etwas poppiger als Orlas Solo-Stücke - nutzen aber vor allen Dingen die Vokalharmonien der Protagonistinnen aus. Danach ging es mit weiteren Solo-Nummern weiter, wobei Orla dann hier auch zwei bevorzugte Cover-Versionen - Kate Bushs "Running Up That Hill" und Cindy Laupers "Time After Time" einfließen ließ. Insgesamt hätte sich Orla Gartland dem deutschen Publikum kaum souveräner und effektiver präsentieren können. Das war ein Einstand nach Maß.
Gavin James gehört - mit einer CD-Veröffentlichung, die gleich Platin-Status erreicht hat - in seiner Heimat Irland sogar schon zu den etablierten Superstars der jungen wilden Songwriter. Dabei ist er gar nicht so wild: Gavin - als Typ sympathisch bodenständig und selbst gewiefter Musikfan - gehört nämlich zur Kategorie der jungen Romantiker. Das bedeutet konkret, dass er jugendlichen Männerschmerz in meist elegische Klanggebilde packt und in seinem Fall mit einer charakteristischen, hohen Gesangsstimme - fast im Falsett-Stil - möglichst empathisch präsentiert. Natürlich ist auch Gavin James zunächst über YouTube bekannt geworden, dann aber mit seinem Song "Say Hello" und einer vielbeachteten Cover-Version von "Book Of Love" von den Magnetic Fields (wobei er eher nach eigener Aussage von der Peter Gabriel-Interpretation zu einer Neuauflage des Songs wurde) sehr schnell in eine ganz andere Liga aufgestiegen. Ed Sheeran - auch so ein Songwriter-Wonderboy - gehört zu seinen Fans und Förderern, Sam Smith lud ihn ein, ihn in den USA zu supporten und bei uns supportete er James Blunt. Daher ist Gavin James auch Köln (bzw. das Kölsch) bereits bekannt. Anders als aber Ed Sheeran, bleibt Gavin James beim Setting des romantischen Folkpop-Songs (und versucht sich nicht in jeder sich anbietenden Stilart). Das heißt: Der Mann hat bereits jetzt (und hauptsächlich wegen seiner Stimme mit ihrem hohen Wiedererkennungswert) einen ziemlich eigenen, recht markanten Stil - der sich übrigens (wie auch Orlas Material) dezidiert von Irish-Folk-Klischees fernhält. Mit Orla zusammen schrieb Gavin James den Song "Same Mistake", den folglich auch beide zusammen vortrugen. Auch ohne diese nette Geste hatte Gavin kein Problem, sein Publikum zu finden und zu begeistern - obwohl er ja das Genre nun nicht unbedingt neu erfunden hat und auch keine diesbezüglichen Ansprüche stellt. Gavin präsentierte seine autobiographisch gefärbten Lamentos auf eine sympathisch lockere Art und mit jener Art von Selbstironie, die sein Material besonders nachvollziehbar und glaubwürdg erscheinen lässt. Dem Publikum gefiel es jedenfalls und mitgesungen wurde dann auch.

Lewis Watson kommt nicht aus Irland, sondern aus Oxford und kannte Köln auch schon von vorherigen Besuchen (und ließ sich sogar dazu hinreißen, zu behaupten, Oxford sei nicht so schön wie Köln - was natürlich Quatsch ist). Zusammen mit seiner Keyboarderin Roxanne beackerte er an diesem Abend musikalisch ein Gebiet, das dem, welches Gavin beackert, gar nicht so unähnlich ist. Er hat aber eine andere Art, dies zu tun - beispielsweise indem er seine Songs wortreich erklärt (und so z.B. erläuterte, warum er nicht mehr bei geschlossenem Fenster schlafen könne (weil seine Ex ihn diesbezüglich konditioniert habe)). Lewis Watson ist sozusagen schon weiter als seine Kollegen - indem er nämlich - nach der üblichen YouTube-Initialzündung - bereits zahllose EPs und sein Debüt-Album "The Morning" in diversen Charts platzieren konnte und nun schon an seinem zweiten Album herumfeilt, von dem er auch einige neue Titel präsentierte. Nun gut: Lewis ist auch schon seit 2010 dabei. Lewis’ Material - beispielsweise der Song "Into The Wild" - schien an diesem Abend noch am ehesten darunter zu leiden, dass - außer einem Keyboard - keine anderen Instrumente zur Verfügung standen, denn offensichtlich leben Lewis’ Songs auch von ihren Arrangements und geraten im Solo-Setting vielleicht ein wenig linearer und lamentöser als jene von Orla und Gavin; jedenfalls dann, wenn man die Originalversionen nicht gewärtig hat und sich die erwähnten Arrangements hinzudenken kann. Da Lewis dazu tendierte, einige Songs ganz a cappella - ohne Verstärkung - am Rande der Bühne zu präsentieren, verstärkte sich dieser Eindruck sogar noch. Auch Lewis Watson outete sich als Musik-Aficinado indem er den Song "Made Up Lovesong No. 43" von der walisischen Band Guillemots um den charismatischen Songwriter Fyfe Dangerfield als Cover-Version auswählte. Dabei gelang ihm ein besonderes Kunststück: Indem er das Publikum in zwei Blöcke einteilte und mit diesen unterschiedliche Gesangsparts einstudierte, schaffte er es, eine Art Publikums-Arrangement aus der Situation hervorzukitzeln.

Fazit: Mit diesem Konzept von Emergent Sounds präsentierte sich eine Riege von Songwritern, die dem konventionellen Musikfreund, der sich vielleicht nicht so sehr der Web-Forschung verschrieben hat, ansonsten vielleicht bis auf Weiteres verborgen geblieben wäre. Die Reihe wird auf jeden Fall fortgeführt (das nächste Event steht im Mai an) und wird auch in Zukunft junge Künstler abseits des konventionellen Mainstream präsentieren.

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Surfempfehlung:
emergent-sounds.com
www.facebook.com/EmergentSounds
orlagartland.com
www.gavinjamesmusic.com
lewiswatsonmusic.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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