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"Franzosen mag ich auch"

Coeur de Pirate
Elliot Maginot

Köln, Stadtgarten
14.04.2016

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Coeur de Pirate
Es hat sich einiges getan im Lager Coeur de Pirate, seit Béatrice Martin (damals solo) zum letzten Mal in der Domstadt gastierte: Heutzutage besteht das Programm der Kanadierin zur Hälfte aus englischsprachigen Tracks - so wie es auch auf der aktuellen Scheibe "Roses" zu beobachten ist. Der Grund dafür ist offensichtlich, denn im letzten Jahr hatte Coeur de Pirate ihre erste US-Tour absolviert (auf der sie Sophie Auster als Support-Act begleitete) - und dort wäre mit einem rein französischen Programm ja kein Blumentopf zu gewinnen gewesen. In diesem Sommer wird das Unterfangen wiederholt, so dass davon auszugehen ist, dass ihr mit diesem Konzept einiger Erfolg beschieden ist. Dafür musste Béatrice allerdings ihr Credo aufgeben, dass nämlich CdP ein rein französischsprachiges Projekt gewesen sein sollte, wie sie noch zu den Interviews zu ihrer zweiten Scheibe "Blonde" beteuerte.
Doch es kam dann ja eh alles anders: Töchterchen Romy (deren als Hommage an Romy Schneider gewählten Namen sich Béatrice zusätzlich zu ihrer reichhaltigen Körperbemalung noch aufs Handgelenk hat tätowieren lassen) betrat die Szenerie, es folgte demzufolge eine Babypause und dann - mit der neuen CD - auch eine konzeptionelle Neuausrichtung. Musikalisch hat sich hingegen nicht viel geändert - Béatrice bevorzugt immer noch einen poppigen Ansatz - nur dass die zunächst vorhandenen Folk-Anteile zugunsten eines fülligen, variantenreichen elektrischen Settings, zurückgefahren wurden. Auch war CdP dieses Mal mit einer Band angereist, mit der sie auch in Frankreich die größten Hallen beglückt. Freilich hatte die Bühnenproduktion für diese Tour zurückgefahren werden müssen, denn (zum Glück) bespielt CdP bei uns noch kleinere Venues. Das bedeutete in diesem Fall, dass zum Beispiel auf einen sperrigen Konzertflügel verzichtet wurde und dass die aufwendige Videoproduktion, mit der sie ihre Europa-Tour im Pariser Olympia im letzten Jahr (übrigens eine Woche vor den Anschlägen) begonnen hatte, auf ein improvisiertes Backdrop projiziert werden musste und teilweise auf den Musikanten lag - was der Sache einiges an Wirkung nahm. Im Olympia waren die synchron zur Musik laufenden Videos - unterstützt von einer aufwendigen Licht-Dramaturgie - auf eine geschickt gestaffelte, geteilte Projektionsfläche über den Musikern gebeamt worden, was der Sache eine Art 3-D-Effekt verliehen hatte. Aber es ging ja auch eher um die Musik.
Und diese begann mit dem Deutschland-Debüt des jungen kanadischen Songwriters Elliot Maginot. Wie auch in Frankreich unterstützt Béatrice Martin hier Nachwuchskräfte aus ihrer Heimatstadt Montreal und nimmt diese als Support mit auf Tour - so auch Elliot. Dieser präsentierte sein eher klassisches Songwriter-Material mit nur minimalem Pop-Flair auf eine recht unglücklich gewählte Weise. Elliot spielt nämlich eine Gretsch-Gitarre - schlechthin die Rockgitarre für einen fast orchestralen, druckvollen Sound - leitete diese aber leider komplett durch ein digitales Effektgerät, so dass das prächtige Instrument dann klang wie eine Danelectro Kaufhausgitarre. Nicht nur das: Das besagte Effektgerät besaß auch einen Eingang für das Gesangsmikrofon, was Elliot dazu nutzte, seine Vocals digital zu doppeln. Das Ergebnis dieses Treatments war ein Eigenartiges: Die prinzipiell sympathisch sortierten Songs Elliot Maginots kamen in diesem Setting spröde, distanziert und steril rüber. Was auch daran lag, dass die - eh nicht besonders ausgeprägten - melodischen Elemente seiner Musik in diesem künstlichen Ambiente zusätzlich egalisiert wurden. Dass Maginot als Performer sympathisch zurückhaltend rüberkam, konnte die Sache dann nicht ganz retten. Er hätte sich sicherlich einen Gefallen getan, wenn er schlicht mit einer akustischen Gitarre angetreten wäre (zumal er bei einem Stück dann auch mit einer Mundharmonika auf Dylan machte).

Als dann die CdP-Band den ausverkauften Stadtgarten betrat, war die Stimmung dennoch bestens, denn - wie nicht anders zu erwarten - hatte sich die gesamte französische Kolonie Kölns zum eh schon vorhandenen einheimischen Publikum hinzugesellt, so dass es wieder muckelig warm im dichtgedrängten Auditorium war. Das Programm des Abends lag klar auf den poppigen Songs der drei CdP-Alben. Gleich der erste Track, "Oceans Brawl", wurde dafür zu einer lebendigen Live-Version aufgebohrt (was eher ungewöhnlich für den sonstigen No-Nonsense-Ansatz CdPs ist). Die Musiker agierten effektiv, aber (bis auf den viel zu ambitionierten Drumme, den Béatrice zuweilen mit kleinen Gesten regelrecht bremsen musste) unspektakulär. Nach zwei Tracks wechselte sie für das Stück "Golden Baby" vom Piano zu einem Mikro direkt am Bühnenrand. Während dieses natürlich für die Fans in der ersten Reihe hocherfreulich war (denn so nahe kommt man seinen Stars ja schließlich selten), erwies sich das performerisch vielleicht nicht als die beste Idee. Denn während Béatrice am Klavier sichtlich in ihrem Element ist, fühlt sie sich Center Stage offensichtlich nicht so sehr zu Hause. Denn hier klammert sie sie öfter als nötig regelrecht an das Mikro und die (für einen solchen Club schlicht viel zu großen) Stadiengesten, mit denen sie dann ihre Songs illustriert, wirken eher mechanisch als spontan. Was natürlich auch daran liegt, dass diese eben nicht spontan sind, sondern sorgsam choreografiert.

Andererseits kann man Béatrice Martin keineswegs mangelnde Empathie vorwerfen, denn dass sie sich emotional durchaus in ihr Songmaterial hineinsteigert, war zum Beispiel daran zu erkennen, dass sie (insbesondere am Stand-Mikro) ständig unter Hochspannung stand, oft mit geschlossenen Augen sang und - entsprechend der Textpassagen - sich gar zuweilen vor Intensität verkrampfte. Das legte sich freilich im Laufe der Show und insbesondere dann, als sie gestikulierend über die Bühne tanzte, schien sie selbst auch Spaß an der Sache zu haben. Immerhin: Das wirkt alles mittlerweile organischer als zum Beispiel im Olympia, wo die Sache einen teilweise kuriosen Larger Than Life-Aspekt angenommen hatte. Freilich läuft die Sache noch wesentlich lockerer ab, wenn sie sich - vom Piano aus - in einen Dialog mit dem Publikum begibt.

Das Thema des Abends waren dabei die frechen Zurufe aus dem französischsprachigen Teil des Publikums (dort wurde zum Beispiel um Eile gebeten, Quebec gefeiert oder nach Songs gefragt, die Béatrice nicht spielen wollte), die sie dann entsprechend ruppig, aber humorvoll beantwortete. Das deutsche Publikum konnte sie indes beruhigen: Sowas sei in Frankreich normal (was stimmt) und überhaupt möge sie Franzosen ja durchaus auch. Es sei aber für sie in Deutschland leichter, da es solcherlei Respektlosigkeiten hier nicht gäbe. Zu den Höhepunkten der Show zählten dann auch Momente, bei denen Béatrice eben am Piano saß. Seien es der solo vorgetragene Song "Francis", ihr Mega-Hit "Comme des Enfants" (zu dem sie das Publikum aufforderte mitzusingen), der hochemotionale Vortrag des Stückes "The Way Back Home", den sie für ihre Tochter Romy geschrieben hat ("sie ist ziemlich cool - aber das ist der Song auch") und insbesondere eine haarsträubende Version des Hits "Sorry" ihres ("nicht wirklich") Freundes und Landsmanns Justin Bieber, über dessen infantile Peinlichkeits-Eskapaden sie sich redlich lustig machte. ("Ich hätte gedacht, dass der im Alter von 16 Jahren doch einen Tutor gehabt hätte, der ihm erklären hätte können, was Deutschland ist.") Sie erklärte diese Sache denn auch: Ihre Art mit Coverversionen umzugehen, sei die, sich Stücke auszuwählen, die im Radio besonders nerven und daraus etwas Trauriges zu machen. Nicht übrigens, dass die Version von "Sorry" dann besonders traurig geriet. Denn offensichtlich war Béatrice selbst von den lächerlichen Textpassagen des Stückes dermaßen angetan, dass sie mehrfach kichernd unterbrechen musste.

Die Show endete mit einer dritten Zugabe - und einem weiteren Franzosen-Bashing: Die wollten den Song "Mistral Gagnant" hören, ein Cover des französischen Teenie-Idols Renaud, der über den Umweg einer Cognac-Werbung zu einem kleinen Hit für CdP geworden war, den sie aber gar nicht spielen könne. Dafür gab es dann aber einen neuen Song namens "Silence Be Still" zu hören, wobei Béatrice das Publikum bat, die elektronischen Glühwürmchen der Handys einzuschalten. Insgesamt war das ganze am Ende eine immens unterhaltsame Show mit einer sympathischen Béatrice Martin, die sich auch echt über den Zuspruch freute und auch versprach, beim nächsten Mal ihre Tochter Romy mitzubringen, weil es hier so nett sei. In einem solch intimen Rahmen dürften wir indes CdP wohl zum letzten Mal gesehen haben.

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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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