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Haldern Pop Festival 2016 - 1. Teil

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
11.08.2016

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Damien Rice
Wir alle lieben das Haldern Pop Festival. Wir lieben die nach wie vor überschaubare Größe, die Lage, die Vielzahl der musikalischen Angebote, die zunehmende Anzahl der Spielstätten, die Atmosphäre, das kulinarische Angebot und auch die Eigenarten und Spezialitäten des Festivals. Wir haben uns sogar daran gewöhnt, dass es seit Jahren schon keine knackigen Jahresmottos mehr gibt, konnten damit leben, dass dieses Jahr bereits der Donnerstag zu einem Großkampftag inklusive Bespaßung der Hauptbühne geworden war und hatten natürlich auch Verständnis für ein erweitertes Sicherheitskonzept. Und wir haben uns gefreut, dass die kostenlose, informative Festivalzeitung Dat Blatt einem attraktiven redaktionellen Relaunch unterzogen worden war. ABER: War es denn notwendig, dass ausgerechnet im Jahr des Wechselsommerwetters inklusive einer seit Tagen im Vorfeld vorausgesagten Regenwetterfront, die dazu geführt hatte, dass bereits vor Beginn der Veranstaltung die Zelt- und Parkplatzwiesen versumpft und abgesoffen waren und der Eingangsbereich erkennbar zugematscht war; dass also ausgerechnet in diesem Jahr weit weniger gegen eine mögliche Vermoorung des Festivalgeländes getan worden war, als in den letzten Jahren (in denen es wettertechnisch ja eher glimpflich verlaufen war)? Immerhin ist Haldern weder Wacken noch Woodstock, so dass sich das Schlammverständnis dann auch in Grenzen gehalten haben dürfte. Jedenfalls war - zumindest an diesem ersten Tag ein nonchalanter Wechsel zwischen den Spielstätten, ein Gang zur Toilette oder zur Verpflegungsstätte - geschweige denn ein Besuch der Zeltwiesen - ein waghalsiges, kaum zu empfehlendes Unterfangen.
Zum Glück gab es aber auch noch das Musikprogramm - und das war wieder mal von allererster Güte - und fand sogar großteils in der (überdachten und trockenen) Kirche in der Ortsmitte von Haldern statt. Hier begann das Programm - traditionellerweise - bereits um 15 Uhr mit einer klassischen, liturgischen Note. Nicht irgendeiner, sondern mit einer Fuge bestehend aus Kompositionen des Halderner Komponisten Frost (Heiner), die dieser eigens über bzw. für das Haldern Pop Festival geschrieben hatte und die von klassischen Musikern - auch aus dem Stargaze/Cantus Domus-Umfeld - vorgetragen wurden. Das klang dann nach einer Art Soundtrack für einen imaginären Tempelritter-Film, war aber wunderschön anzuhören, musikalisch spannend und mindestens genauso erhaben, wie das Umfeld. Dass Heiner Frost (der auch als Autor im "Blatt" tätig ist) dabei selbst eher niedlich und desorientiert wie ein zerstreuter Waschbär durch die Kirche stapfte, machte die Sache doppelt sympathisch.

Weiter ging es mit einer Reihe grandioser Neuentdeckungen: Die klassisch ausgebildete Londoner Vollblut-Sängerin Ala.ni, die bereits bei Gott und der Welt als Choristin hinter dem Mikro gestanden hat, bezeichnet ihren Stil als "Dark Disney". Das ist ein wenig irreführend, denn sie bedient sich der Stilistiken des Jazz und Gospel. Die etwas zu gute Laune, die sie mittels Grimassen, exaltierten Bewegungsanfällen und hypernergische Vortragsweise demonstrierte, war dann allerdings tatsächlich ziemlich Disney. Ziemlich ausgebufft ist allerdings ihr Gesangs-Stil und die Art, in der sie eigene oder fremde Kompositionen durch den harmonischen Wolf dreht: Auf eine solch innovative Art muss man jedenfalls erst mal eine Jimmy Webb-Komposition wie "Wichita Lineman" zerlegen können, um seinen Anspruch als Heißscheiß-Neuentdeckung Nachdruck zu verleihen. (Auch wenn da nicht jeder Ton gesessen haben mag.)

Jeder Ton sitzen tat dann allerdings bei dem Auftritt der jungen Australierin Kaity Dunstan, die sich merkwürdigerweise Cloves (Gewürznelken) nennt. Gerne - und nicht zu Unrecht - wird Cloves aufgrund ihres voluminösen und überraschend sonoren Timbres mit entsprechend agierenden Kolleginnen wie Fiona Apple (die sie auch selbst als Inspirationsquelle bezeichnet) oder Adele verglichen. Nur dass Cloves bestenfalls ein Drittel der Körpermasse Adeles zu bieten hat und dass sie es versteht, ihre Stimme auch in höheren Stimmlagen zu kontrollieren und effektiv zu steuern. Und - anders als viele Sanges-Kolleginnen (auch Adele!) - weiß Cloves, was ein guter Song ist, bzw. welche Songs zu ihrem Gesang passen. Schön, dass es Künstlerinnen wie Cloves gibt, die genau wissen, was sie tun, wie sie es machen müssen und die erkennbar aus den richtigen Gründen und mit erkennbarer Begeisterung Musik machen.

Der Kirchentag endete dann mit zwei speziellen Projekten: Die Haldern Veteranen This Is The Kit (hier die ganze Band unter Führung der Chefin Kate Stables) und Loney Dear (hier nur repräsentiert durch Frontmann Emil Svanängen) hatten ihr Programm unter tätiger Mithilfe des Arrangeurs und Komponisten André De Ridder aufgepimpt. André hatte den Kompositionen Stables und Svanängens wunderbar typische Streicher- und Bläserarrangements hinzugedichtet, die von den Musikern des Stargaze-Orchesters (und später Cantus Domus) mit dem üblichen Enthusiasmus dargeboten wurden und die den Songs ganze musikalische Dimensionen hinzuaddierten, die so vielleicht gar nicht systemimmanent erkennbar gewesen wären. Mit den typischen De Ridder-Stilmitteln (die im wesentlichen auf Elementen beruhen, die auf ein "o" enden - also z.B. Pizzicato, Martellato, Stakkato und in dem Fall sogar im wörtlichen Sinne Bel Canto) hatten die beiden Acts ein Szenario auf die Beine gestellt, wie es begeisternder und spannender kaum vorstellbar gewesen wäre. Tatsächlich hatte man als Zuhörer das Gefühl, aktiv an einer musikalischen Schnitzeljagd beteiligt zu sein, bei der man sich nie sicher sein konnte, was als nächstes passierte. Und Musiker, die vom eigenen Tun so begeistert sind wie die hier versammelten, muss man auch erst mal finden. Großartig.

Als das Programm in der Kirche zu Ende ging, hatte das auf der Hauptbühne und im Festivalzelt bereits begonnen. Dort spielte dann der junge Schwede Elias und zeigte, dass man mit einer richtigen Band im Hintergrund und zwei attraktiven Gospelsängerinnen zur Unterstützung auch als eher anämischer Wikingertyp durchaus so etwas wie Soul versprühen kann. Das war insofern eher überraschend, als dass sich Elias bislang eher immer als Soundfrickler zwischen Club-, R'n'B-, E-Pop und Jazz-Ästhetik präsentiert hatte. Sei es drum: Hier funktionierte das auch als Live-Act - auch mit Ausdruckstanz.

Ähnlich liegt der Fall bei dem Londoner Jack Garratt, der mit seiner irren One Man Show auf der Hauptbühne einen echtes Highlight im Programm darstellte. Denn: Auch Jack Garratt entspricht nicht unbedingt dem Bild, das man sich von einem reinrassigen Live-Musiker macht. Er begann seine Laufbahn als elektronischer Soundfrickler und DJ mit einem eher autistischen Live-Ansatz. Das hat sich inzwischen aber stark geändert. Angekündigt als Ein-Mann-Rock'n'Roller entfachte Garratt - hauptsächlich an seinem Drum-Kit, mit ein paar jazzigen Piano-Schlenkern und/oder -Samples und seiner E-Gitarre ein wahres Energie-Feuerwerk. In der Tat fürchtete man als Zuschauer fast um die Herzkapazität Garratts - doch der Mann scheint zu 90% aus Koffein und Adrenalin zu bestehen und powerte sein Ding gnadenlos durch. Das war stilistisch dann vielleicht nicht jedermanns Sache, aber anerkennend muss festgehalten werden, dass sich Garratt zumindest Gedanken über eine alternative Präsentation von Live-Musik gemacht hat.

Der nach wie vor unerklärliche Erfolg des Iren Damien Rice, der u.a. dazu führte, dass er als einziger Vertreter seiner Generation zum 75-jährigen Geburtstagsjubiläum von Joan Baez eingeladen worden war, bedeutet für den Mann, dass er heutzutage einfach machen kann, wozu er Lust hat. Beispielsweise als Headliner alleine auf der Bühne zu stehen - dabei aber durchaus jede mögliche Band in Sachen Dynamik, Power und Lautstärke in den Schatten zu stellen. Dabei arbeitete sich Rice, unterbrochen von gelegentlichen, rätselhaften Parabeln, Gleichnissen und Geschichten, die seine Songs nicht wirklich erklärten, durch ein angenehm temperiertes Programm, das zum Glück auch aus alten Gassenhauern und nicht nur Stücken seines etwas zerfahrenen, immer noch aktuellen Albums "My Favorite Faded Fantasys" bestand. Dabei arbeitete er geschickt und effektiv mit Samplern und Effektgeräten (sowie einigen Rand-Instrumenten), um aus seiner One-Man-Show Rock'n'Roll-mäßig das Optimum herauszukitzeln. Insbesondere in Sachen Dramatik gelang ihm das auch zweifelsohne. Kleiner Wermutstropfen: Als einzigem Act an diesem Tage war Rice - bei aller zur Schau getragenen Energie - nicht jenes innere Feuer anzumerken, das zu einer wirklich glaubwürdig begeisternden oder gar notwendig erscheinenden Live-Performance führt. Stattdessen wirkte der leicht miesepetrig erscheinende Meister, als entledige er sich einer Pflichtaufgabe.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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