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Konzert-Bericht
 
Nonnen, Glühwein, Fischaugen

Haley Heynderickx

Köln, Die Wohngemeinschaft
30.11.2016

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Haley Heynderickx
Da sie so nervös sei - meinte Haley Heynderickx aus Portland, Oregon bei ihrem ersten Besuch in der Domstadt -, müsse sie erst mal eine Cover-Version (Dylans "Girl From The North Country") spielen, um sich zu beruhigen - denn Cover-Versionen haben so etwas vertrauenerweckendes, da sie so tief verwurzelt seien. Anders als etwa der Glühwein, den sie zuvor auf dem Weihnachtsmarkt getrunken habe, wo sie beobachtet habe, wie ein kleines Kind beim Eisschuhlaufen in die Bande gefahren sei - weil Glühwein so süß sei, wie das Leben niemals sein könne, was dann schon wieder verdächtig sei. Immerhin freue sie sich aber darüber, dass doch einige Zuschauer den Weg zu einer sensiblen kleinen Songwriterin aus den USA gefunden habe - wie auch am Abend zuvor, als sie in Düsseldorf gespielt habe, wobei sie aber schon gelernt habe, dass man in Köln möglichst nicht über Düsseldorf schwadronieren dürfe.
Das schöne an fremden Kulturen, die sie auf ihrer ersten Tour durch Europa (die ihr von einem Wiener Impresario ermöglicht worden sei) habe kennenlernen dürfen, sei ja das verbindende Element, das alle gemein haben - zum Beispiel, dass wir ja alle sterben müssen, worüber man ja mal ein Lied vortragen könne. Natürlich kein Liebeslied, denn Liebeslieder möge sie nicht schreiben, weil ältere Leute ihr dann immer gleich vorwerfen würden, dass sie, als junge Person, ja nichts von der Liebe wissen könne. Darüber hingegen könne sie dann schon Lieder schreiben. Ebenso wie über das erste Treffen ihrer Eltern, bei dem ihre Mutter vor Aufregung die Augen aus den Fischköpfen in ihrer Fischkopfsuppe herausgestochen habe. Wobei es allerdings nicht ihre Aufgabe als Songwriterin sei, Bilder in die Köpfe der Zuhörer zu pflanzen, da sich jeder seinen Teil zu ihren Songs selber denken solle. Dabei sei es förderlich, dass sie gerne Songs über seltsame Dinge schreiben, wie zum Beispiel über Leute, die sich zu viel entschuldigen - wobei sie, als Amerikanerin davon natürlich nicht ausgenommen sei. Auch interessant sei ihr Song über zwei Nonnen, die eine Bar besuchen - weil sie ja früher ein Mal katholisch gewesen sei. Da sie keine Band dabei habe, habe sie ihre kitschigsten Effektgeräte mitgebracht, was sie auch allen andere Musikern, die akustische Gitarre spielen, ans Herz legen würde. Allerdings habe sie lieber ihre Lieblings-Jeans getragen, was aber nicht möglich sei, da darauf zu viele Schokoladenflecken seien, da sie sich intensiv mit der Schokoladen-Kultur der Stationen ihrer Europa-Reise beschäftigt und einfach zu viel Schokolade gegessen habe, was ihr allerdings peinlich sei.
Da sitzt man denn da als Zuhörer und amüsiert sich über diese sensible, kleine Songwriterin, die vollkommen ohne Drehbuch, aber absolut überzeugend die abenteuerlichsten philosophischen Konstrukte in Form hanebüchener Geschichten wie den oben angerissenen aus dem Ärmel schüttelt, während sie nonchalant ihre Gitarre in den aberwitzigsten Tunigs stimmt, um dann mit einer atemberaubenden Spieltechnik hochvirtuos dahinkomponierte, feinsinnig dargebotene und immens abwechslungsreich arrangierte Songs vorzutragen, die deutlich über das klassische Lagerfeuer-Feeling hinausreichen, das sich ansonsten gerne mal bei der Situation "Mädchen mit Gitarre" einstellt. Zweifelsohne: Haley Heynderickx - die leider nicht mit Jimi Hendrix verwandt ist, wie sie einleitend noch ein Mal festhielt - ist eine performerische Naturgewalt, deren Faszination man sich als Zuhörer schwerlich entziehen kann. Ihre Bitte, ihr die Verrücktheit ihres Tuns nachzusehen, ist dabei vollkommen unbegründet, denn das alles kommt immens charmant und unterhaltsam daher - ohne von der musikalischen Qualität ihres Wirkens abzulenken. Angesichts dessen, dass Haley noch keinen Longplayer anzubieten hat (sondern nur eine Vier-Track EP), verfügt sie bereits über ein erstaunlich vielseitiges Repertoire, in das sie gelegentlich nochmals Cover-Versionen einstreute - nochmals Dylan mit "It Ain't Me Babe" und "Blues Run The Game" des britischen Obskur-Folkies Jackson C. Frank, die sie dann aber auf eine ebenso kurzweilige Art sezierte, wie ihr eigenes Material auch. Das Interessante dabei ist dann der Umstand, dass sie sich das Ganze offensichtlich selbst angeeignet hat, denn außer ein paar Stunden Bluegrass-Unterricht (es gab nichts anderes in ihrem Heimatort) hat sie keine musikalische Ausbildung genossen. Auch das Vibrato ihres Gesangs ist lediglich der katholischen Erziehung im Kirchenchor zu verdanken. (Deswegen auch der Song über die Nonnen).

Kurzum: Das war wieder ein Mal eine dieser Entdeckungsreisen in Sachen vielversprechender Songwriter-Newcomer, die sich gelohnt haben. Danke an die Wohngemeinschaft, die immer mal wieder so etwas ermöglicht. Keine Frage: Haley Heynderickx sollte man als Freund in der US-Kultur verwurzelter Songschmiedinnen jenseits der Konventionen und Klischees unbedingt auf dem Schirm haben.

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Surfempfehlung:
www.haleyheynderickx.com
www.facebook.com/haleyhannahheynderickx
soundcloud.com/haley-heynderickx
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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