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Konzert-Bericht
 
Kunst, nicht Entertainment

Simon Joyner

Düsseldorf, Kassette
26.04.2017
Simon Joyner
Simon Joyner ist nicht gut auf Delta zu sprechen. Die berüchtigte Fluggesellschaft hat zwar den amerikanischen Ausnahme-Singer/Songwriter pünktlich zum Start seiner Europatournee nach Düsseldorf gebracht, seine Gitarre allerdings ist auf dem Weg verloren gegangen, und auch die Ankündigung, sie bis zur Showtime nachzuliefern, entpuppte sich schnell als leere Versprechung. Doch zum Glück konnte sich Joyner vor Ort ein Instrument ausleihen, und dafür ist er sehr dankbar. "Wenn das nicht geklappt hätte, wäre der Auftritt a cappella gewesen, und dafür habe ich einfach nicht die Stimme", scherzt er.
Sonst spricht der Mann aus Omaha, Nebraska, nicht viel und verlässt sich ganz auf die fesselnde Wirkung seiner sagenhaften Lieder, die trügerisch schlicht anmuten, in deren subtiler Reduziertheit allerdings die ganz große Kunst des Songwritings steckt, die man sonst in dieser Qualität nur noch bei Bob Dylan, Leonard Cohen oder Townes Van Zandt findet. Nicht umsonst zählt der 46-Jährige Könner wie Beck, Bright Eyes, Gillian Welch oder Kevin Morby zu seinen Bewunderern. Seine Lieder sind vollgestopft mit faszinierenden Charakteren, und wer sich darauf einlässt, ihnen auf ihren verschlungenen Pfaden durch den Alltag zu folgen, wird reich belohnt. Die Grundstimmung der meisten Lieder mag durchaus düster sein, aber in Joyners kunstvoll detailliertem Storytelling tauchen immer wieder Zeilen auf, die den aberwitzigen Humor des bei seinen Ansagen stets ein wenig schüchtern wirkenden Troubadours unterstreichen. Wer sonst schreibt heute schon Songs wie "Everything's At Stake", in dem sich Judas bei Jesus über sein Schicksal beschwert, denn: "Ich dachte, wir sind Freunde!"

Wie seine Vorbilder stellt Joyner bei seiner Performance die Kunst über das Entertainment. In Düsseldorf verzichtet er deshalb auf seine populärsten Songs wie "Burn Rubber" oder "Joy Division" und widmet sich lieber den unbekannteren Seiten seines immensen Schaffens der letzten rund 25 Jahre. Zu einigen wenigen Songs aus seiner aktuellen LP "Grass, Branch And Bone" - besonders ergreifend: "Old Days" - gesellen sich in der Kassette uralte Stücke wie "I Wrote A Song About The Ocean" oder "Flannery O'Connor", und mit "I'll Fly Away" gibt es auch einen Ausblick auf die Zukunft. Dabei spricht es für Joyners auch nach all den Jahren ungebrochene Kreativität, dass die Nummer aus seiner im August erscheinenden neuen Doppel-LP mit ihrem ungewohnt eingängigen Schlussteil das heimliche Highlight des gesamten Abends ist. Das Acht-Minuten-Epos "The Only Living Boy In Omaha" - "gewidmet all den Leuten, die nach einem meiner Konzerte betrunken zu mir kamen, weil sie davon überzeugt waren, dass der Song von ihnen handelt" - soll nach gut 65 Minuten dann eigentlich einen unerwartet versöhnlichen Schlusspunkt setzen, doch weil die Zuschauer eine Zugabe fordern, steht mit "Milk" letztlich doch eine wüste Runterbringer-Nummer am Ende: Das Lied handelt von Heroin...

Das Publikum teilt sich derweil scharf in der Mitte: Da gibt es die Neugierigen, die Joyner bisher noch nicht kannten und durch die hymnische Ankündigung der Kassette (und den freien Eintritt) angezogen worden sind, und die kleine, getreue Anhängerschaft, die seit Jahren alles verfolgt, was Joyner macht, ganz egal, ob er seine inzwischen mehr als ein Dutzend Alben auf etablierten Labels wie Jagjaguwar oder Team Love veröffentlicht oder einfach nur auf Tape in Kleinstauflage unters Volk bringt. Einige Zuschauer sind sogar aus dem benachbarten europäischen Ausland angereist und viele haben ihn auch im Dezember gesehen, obwohl er da nur in Hamburg, Berlin und München aufgetreten ist. Doch für Simon Joyner, das unterstreicht auch das Konzert in Düsseldorf trotz einiger kleiner Probleme mit der geliehenen Gitarre eindrucksvoll, ist wirklich keine Reise zu weit.
Surfempfehlung:
facebook.com/simonjoynermusic
simonjoyner.bandcamp.com
en.wikipedia.org/wiki/Simon_Joyner
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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