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Bei Nacht und Nebel

Josin
Cosma Joy

Köln, Blue Shell
04.05.2018

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Josin
Nun gut: Wenn jemand Songtitel wie "Midnight Sun" im Programm hat, sich auf der Bühne meist ausschließlich in schwarz kleidet, konsequent mit geschlossenen Augen singt und dann auch noch (im richtigen Leben) "Rauch" mit Nachnamen heißt - wie in diesem Falle eben Arabella Rauch, die sich unter dem Künstlernamen Josin etabliert hat -, dann steht ja schon zu vermuten, dass so jemand nicht eben im gleißenden Licht den Sinn des Lebens sucht. Das erklärte dann auch die - sagen wir mal - sehr intensive Beleuchtungsdramaturgie im Kölner Blue Shell bei Josins Konzert an ihrer alten Wirkungsstätte. Meist von hinten angestrahlt und mit Unmengen von Kunstnebel (oder soll man "Kunstrauch" sagen?) zugedampft schaffte es Josin nämlich, sich im Dreivierteldunkel des Clubs dermaßen in die Szenerie einzufügen, dass man sich nie so ganz sicher sein konnte, ob sie überhaupt noch da oder vielleicht schon ganz in ihren Songs aufgegangen war. Normalerweise nervt es ja eher, wenn die Protagonisten auf der Bühne nur als Schattenrisse oder Echos ihrer selbst wahrzunehmen sind - in diesem Fall machte das aber nicht nur Sinn, sondern war als integraler Bestandteil der Show vielleicht sogar unverzichtbar.
Aber der Reihe nach: Bereits seit einigen Jahren macht Josin vor allen Dingen die Bühnen der Republik (und so manche andere auch) unsicher - denn noch immer gibt es kein Album von ihr. Allerdings arbeitet sie gerade an einem und hat die Arbeiten daran nur kurz für diese Tour unterbrochen, die sie im Anschluss dann auch gleich auf den nordamerikanischen Kontinent führen wird. Der Grund dafür war der, den Kontakt zu ihrem Publikum wieder aufzunehmen und sich außerdem über den (in diesem Fall frenetischen) Zuspruch noch ein Mal zu versichern, warum sie das, was sie tut, eigentlich macht. Außerdem haben sich im Laufe der Zeit inzwischen so viele Stücke angesammelt, dass sie heute in der Lage ist, eine relativ lange Show mühelos mit interessanten und abwechslungsreichen Formaten zu füllen. Davon aber später mehr, denn inzwischen kann es sich Josin auch leisten, mit einem eigenen Support Act auf Tour zu gehen - und das war in diesem Fall dann eine echte Überraschung.

Songwriterinnen wie die blutjunge Cosma Joy aus München gibt es insbesondere im UK zwar wie Sand am Meer - in unseren Breiten nimmt die Gute mit ihren nonchalant vorgetragenen, autobiographisch gefärbten, betont charmanten Selbstbespiegelungs- und Mädchentraum-Balladen aber schon jetzt insofern eine Ausnahmestellung ein, indem sie schlicht und ergreifend einfach alles richtig macht - und dann auch noch so einiges draufsetzt. Da stimmte wirklich alles: Die in perfekt sortiertem Gebrauchsenglisch, wortreich aber wohldosiert zusammengereimten Texte etwa, die sie - mal im Versmaß und mal daneben - mit glasklarer Stimme auf eine eigentümlich freistilige Art und Weise um ihre simplen, aber effektiven Gesangsmelodien herumemulierte, suchen hierzulande sicherlich ihres Gleichen. Aber auch die Details - wie zum Beispiel die dem Anlass angemessene richtige Wahl der Instrumente (Akustikgitarre, Ukulele und E-Gitarre) sorgten ebenfalls für Kurzweil wie stets das richtige Songformat und die Songlänge oder die - vielleicht unbewusste - stilistische Freistiligkeit ihres Materials. Und die wirklich eigentümliche - aber sensationell passende - Phrasierung, zu der Cosma Joy die Worte auf durchaus jazzige Art nach ihrem Gusto auf die gerade benötigte Länge dehnte oder stauchte, sorgten für Aufhorchen. Es bedarf keiner großen prophetischen Fähigkeiten um zu prophezeien, dass Cosma Joy eine große Karriere als Songwriterin sich vor hat. Der Meinung dürfte auch das (in diesem Fall vielleicht ein wenig voreingenommene) Publikum gewesen sein, dem es gelang, Cosma Joy für eine Zugabe auf die Bühne zurückzuklatschen. Das ist dann ein Umstand, den man bei einem Support-Act an dieser Stelle auch nicht so oft sieht. Und das Sympathische daran: Cosma Joy scheint selbst noch gar nicht bewusst zu sein, dass das, was sie da macht, etwas durchaus Besonderes darstellt.

Etwas Besonderes stellt ja ohne Frage auch Josin dar. Von Anfang an hat die junge Dame deutlich gemacht, dass sie mit Konventionen, Klischees und Formaten irgendwelcher Art so gar nichts am Hut hat und ist konsequent auf der Suche nach einem eigenen Weg. Als Beispiel dafür mag vielleicht die unübliche Veröffentlichungspolitik Josins herhalten. Anstatt gleich mit einer LP ins Haus zu fallen, veröffentlichte sie vor einigen Jahren im Eigenverlag eine EP namens "Evaporation". Da sich die darauf enthaltenen Tracks aber im Laufe der Zeit im Live-Kontext stetig weiter entwickelten, legte sie diese teilweise auf einer zweiten EP namens "Epilogue" neu auf. Hier sind dann Versionen dieser Songs wie "Feral Thing" oder "Evaporation" in der Art zu finden, wie sie sie heute auf der Bühne interpretiert. Dieses Konzept lässt sich natürlich nicht ewig fortführen - es zeigt aber, wie Josin arbeitet, tickt und denkt. Für sie scheint Musik eher so etwas wie ein lebender Organismus zu sein als etwa das Ergebnis eines Prozesses. Und genau diesen Eindruck vermittelt sie auch auf der Bühne.

Stilistisch etwa gibt es für Josin kein Halten. Alleine der Versuch, die verschiedenen Elemente, aus denen sie ihre Songs mit Vocals, Keyboard, Soundbänken, Effekten und Gitarren zusammenbastelt zu beschreiben, muss alleine schon daran scheitern, dass diese im Detail gar nicht auszumachen sind. Case in Point etwa wäre der Song "Evaporation". Diesen trug Josin zum Beispiel im letzten Drittel der Show alleine zu einer Harmonium-Begleitung dar - was der Sache eine pastorale, aber nicht pathetische Note verlieh. "Das ist aber gar kein Harmonium-Sound", erklärte Josin dann nach der Show und erzählt etwas von Posaunen-Klängen, die mit anderen Blasinstrumenten gemischt und dann von den Soundbänken getriggert und mit Effekten zu einer Melange verquickt würden, die dann diesen Klang ergäben. Das aber ist das Erfolgsgeheimnis des Josin-Konzeptes: Woher die Klänge stammen, die sie aus ihren Höllenmaschinen hervorzaubert, spielt eigentlich keine Rolle, denn am Ende entstehen so ganz eigene Klangwelten, die der Atmosphäre der jeweiligen Tracks angepasst werden. Das ist dann mal klangmalerisch wie etwa bei "Oceans Wait", mal geht es in eine Club-Richtung, wie bei dem neuen Track "Burning", mal kommt eine Art von Gitarrenballade wie im Falle von "Daily Grind" zum Tragen - oder aber Josin mischt alles irgendwie zusammen und schafft es dann, symphonische Klangwellen aufzutürmen, die den Zuhörer mit geradezu hypnotischer Kraft in ihren Bann ziehen. Und dann sind da noch diese eigentümlichen und ungewöhnlichen Harmonien, die Josin mit ihren Vocals umschmeichelt. Radiohead etwa gelingen solche Harmonien nur gelegentlich ein Mal - bei Josin finden sie sich indes in fast jedem Song. Das alles und der Umstand, dass sie ihr Material (zwar mit den schon angesprochenen, geschlossenen Augen) mit intensiver Gestik und eine Art impulsiven Choreografie sozusagen vor dem Publikum auslebt, führt dann dazu, dass das Konzert zu jeder Zeit mitreißend und spannend bleibt. Sehr viel kurzweiliger und intensiver kann man Keyboard-Musik live sicherlich kaum darbieten. Im Grunde genommen war das immer schon so - heutzutage hat Josin aber auch das passende Material zur Hand, die Sache zu einem mitreißenden und sogar dramatischen Event zu gestalten. Jetzt sind wir aber alle mal gespannt, was es dann auf der kommenden, ersten LP zu hören geben wird.

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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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