NACHGEHAKT BEI: CLARA LOUISE
GL.de: Einfach weil sich diese Frage aufdrängt, weil du beides machst: Was ist denn für dich der Unterschied zwischen einem Songtext und einem Gedicht?
Clara Louise: Wenn ich Songs schreibe, beginne ich immer erst mit der Melodie und den Akkorden. Die Musik steht also immer an erster Stelle. Dann schreibe ich einen Text zu der Musik, die bereits entstanden ist. Der Text entsteht also nicht vor der Musik, sondern wird auf diese angepasst. Ja und bei den Gedichten ist es natürlich nur der Text, der im Vordergrund steht und ja auch allein alles erzählen muss.
GL.de: Aha - ist das vielleicht auch der Grund, warum du bei den Gedichten - anders als bei den Songtexten - wenig mit Versmaß und Reimen arbeitest?
Clara Louise: Ja, wahrscheinlich. In den Songs ist es anders schwierig. Bei den Gedichten habe ich mehr Möglichkeiten, Gedanken einfach so zu formulieren, wie sie mir in den Kopf kommen, ohne dass ich mich dabei an Routinen halten muss.
GL.de: Heißt das auch, dass Songtexte dann anders klingen müssen - zum Beispiel in Bezug auf den Rhythmus?
Clara Louise: Ja, auf jeden Fall - das ist mir ganz wichtig. Viele machen das auch anders - dass sie erst den Text schreiben und dann die Musik drumherum machen. Aber für mich war immer der Weg, den Text auf die Musik anzupassen. Meistens klappt das ganz gut - ohne dass es zu anstrengend wird.
GL.de: Gibt es eigentlich Themen oder Leitmotive für dein Projekte?
Clara Louise: Das ergibt sich eigentlich aus dem, was gerade immer so in mir vorgeht. Das heißt: Ich wähle kein Thema vorab, sondern kann erst im Nachhinein erkennen, was das Thema ist. Zum Beispiel als ich das zweite Buch geschrieben habe - in einem Jahr, während das erste eine Sammlung von Gedichten war, die sich über einen langen Zeitraum angesammelt hatten - habe ich gemerkt, dass es mir da viel um die Fragen ging, wie sich unser Charakter prägt, was unsere Persönlichkeit auszeichnet und warum wir die Dinge so machen, wie wir sie machen oder warum wir denken, wie wir denken. Deswegen habe ich das Buch dann "Zurück zum alten Kirschbaum" genannt - weil das (also der Kirschbaum im Garten meiner Großeltern) ein Symbol für meine Kindheit und meine Entwicklung war. Das letzte Album, "Wenn man nichts mehr vermisst", habe ich sehr frei in einem kurzen Zeitraum geschrieben - und dadurch hat sich dann das Thema ergeben.
GL.de: Und da geht es dann auch um die Selbstfindung bzw. die Akzeptanz des eigenen Ich?
Clara Louise: Ja, doch auf jeden Fall. Ich finde zwar, dass Selbstfindung mittlerweile fast schon einen negativen Touch bekommen hat - warum auch immer -, aber es ist ja nach wie vor ein super-wichtiges Thema, das ja eigentlich jeden Menschen betrifft. Jeder kontrolliert ja eigentlich sein Leben lang, wo er eigentlich steht, was einen ausmacht oder was in einem vor geht oder was man gerne ändern möchte. Und dieser Prozess ist etwas, was nie aufhört.
GL.de: In deinen Texten - wie auch in den Gedichten - drückst du aus, dass du - oder deine Charaktere - sich stärker auf sich selbst konzentrieren müssten.
Clara Louise: Ja - aber da gibt es ja verschiedene Grundlagen, die bei jedem anders sein können. Manche Menschen sind sehr selbstbewusst oder sogar narzisstisch oder arrogant. Und dann gibt es Menschen, die sind einfach sehr feinfühlig oder sehr stark empathisch - was auch eine große Rolle spielt - oder sie sind unsicher und müssen immer nach etwas suchen. Nach einem Halt oder nach Vorgaben, an denen sie sich orientieren können. Und dann ist der Schlüssel, zu erkennen, dass das keinen Sinn macht und sich nie zufrieden stellen kann. Stattdessen ist die Grundlage, auf der man aufbauen kann dann die Erkenntnis, dass man sich so akzeptiert, wie man ist.
GL.de: Deine Songs und die Gedichte sind ja alle ziemlich persönlich. Welche Rolle spielen denn Spiritualität und / oder Politik in deinen Arbeiten?
Clara Louise: Spiritualität spielt unbewusst wohl schon eine große Rolle - es ist aber kein Thema, mit dem ich mich extrem fokussiert auseinandersetze. Ich glaube, das passiert einfach automatisch indem ich viel nachdenke und mich viel mit mir selbst beschäftige. Und Politik habe ich bis zum letzten Album und zum letzten Buch komplett außen vorgelassen. Auf dem Album gibt es nun den Song "Nicht mehr zu retten", der - zumindest auf bestimmte Menschentypen hin - gesellschaftskritisch ist und in dem Buch habe ich zwei Gedichte, bei denen es um das Ungleichgewicht in der Welt geht. Das ist also auch etwas, was mich immer mehr interessiert. Es ist aber auch kein Muss, denn ich möchte nicht über irgendwas urteilen, mit dem ich mich nicht auskenne, weil ich mich zu wenig damit befasse.
GL.de: Und was inspiriert dich musikalisch?
Clara Louise: Viel akustische Sachen auf Gitarrenbasis. Das hat sich im Laufe der Jahre aber auch stark verändert. Früher habe ich etwa Elvis Presley gehört - heute eher Singer/Songwriter wie Joshua Radin, Gregrory Alan Isakov oder Passenger und natürlich Bob Dylan, Cat Stevens oder Van Morrison.
GL.de: Und was hältst du von deutschsprachiger Musik?
Clara Louise: Es ist sehr schwierig für mich, deutschsprachige Musik zu finden, die mir gefällt. Die letzte Clueso-Scheibe fand ich sehr gut. Aber es ist ja auch so, dass deutschsprachige Popmusik heutzutage zu einem eigenen Genre geworden ist - und dabei ist es ja doch nur eine Sprache. Die Musik drumherum ist so einseitig geworden; speziell was man im Radio so hören darf. Deswegen fand ich es auch ganz interessant mit den Sprachen zu spielen - wie z.B. auf meinem Song "Home".
GL.de: Und was ist für dich musikalisch wichtig?
Clara Louise: Wenn ich einen Song schreibe, dann achte ich darauf, dass es mir Spaß macht, ihn zu spielen - und zwar für eine lange Zeit. Außerdem muss mich der Song berühren und in eine bestimmte Stimmung versetzen. Und ein Song muss sich gut für mich anfühlen - ansonsten verabschiede ich mich schnell wieder davon. Es ist also auch eine Bauchentscheidung. Was ich nicht kann, ist mich hinzusetzen um ein Album zu machen, was in die oder die Richtung geht. Das habe ich versucht, aber dann gingen die Songs in eine ganz andere Richtung - und da bin ich dann einfach mitgegangen. Ich habe festgestellt, wenn man in einem engen Zeitrahmen Songs schreibt, dann entwickeln die eine eigenen Mantel. Man ist manchmal selbst erstaunt, was dabei herauskommt. Das ist beim Gedichte schreiben ähnlich.