Und hier wären wir dann endlich beim Thema dieses konkreten Konzertabends angelangt - der Show der Lokalmatadoren Fortuna Ehrenfeld, die natürlich wie alle anderen auch von dem Lockdown-Horror gebremst worden waren. Das heißt: Martin Bechler und seine beiden Mitstreiter sehen die Sache nicht ganz so eng. So hatte der Meister jede Gelegenheit genutzt, auch in Corona-Zeiten live zu spielen und überhaupt - so Bechler - seien Live-Konzerte für Fortuna Ehrenfeld der Normalzustand. Insofern sei also auch diese Show eigentlich gar nichts besonderes - zumal die Band ja auch bereits Erfahrungen in Sachen Kopfhörer-Konzerten habe. "Trotzdem: Ein besseres Konzert wird es dieses Jahr wohl nicht geben", resümierte Bechler im Folgenden. Dies bestärkte er dann noch, indem er mehrfach die Stücke nicht mit einem Schlussakkord, sondern mit Halbsätzen wie "hab ich doch gesagt, dass es super wird" beendete.
Das musikalische Programm des Abends bestand keineswegs alleine aus den Tracks etwa des neuen Albums "Helm ab zum Gebet" (und der beiden Vorgänger "Das Ende der Coolness Vol. 2" und "Hey Sexy"), sondern auch aus jeder Menge Improvisationen, Intros, Outros, Zwischenspielen und natürlich Ad-Libs die Bechler ins Programm einfließen ließ und dabei auch seine Partner Jenny Thiele und Drummer Jannis Knüpfer einbezog. "Wir spielen jetzt etwa zwei Stunden Lounge Jazz", erklärte er etwa, während die Band im Alleinunterhalter-Modus zwischen "Mana Mana", "Verdamp lang Hher" und später sogar "Freude schöner Götterfunken" hin und her mäanderte. Zwischendurch gings gegen die Rechten und Verschwurbelten wie Isis, Gauland oder Attila Hiltmann. Das hielt sich dann aber in erträglichen Grenzen, denn auch wenn es Bechlers Markenzeichen ist, im Schlafanzug aufzutreten und er sich für keine Albernheit zu schade ist: Wenn es um die Musik geht, sind Fortuna Ehrenfeld weit davon entfernt, im Comedy-Sumpf zu versacken.
Immerhin hat die Band einen ganz eigenen Sound. Und der liegt nicht darin begründet, dass Drummer Jannis Knüpfer ein neuen Marimba-Setting mit einem kompletten Ethno-Programm in sein Drumpad-Dingsda eingespielt habe - wie Bechler scherzte -, sondern dass die Band auf der Bühne ohne eigenen Bassisten auskommt und der Sound weniger von Bechlers Gitarrenkünsten, sondern von Jenny Thieles Keyboard-Sounds (und hier besonders vom E-Piano) getragen wird. Da Martin Bechler selbst eine gewisse lakonische Art hat, seine zwar amüsanten, aber durchaus nachdenklichen Lyrics zu intonieren und seine Stimme zudem zufällig klingt wie die von Mark Oliver Everett, konnten Fortuna Ehrenfeld in diesem Zusammenhang eigentlich von Anfang an mühelos als die deutschen Eels überzeugen. Ausgezeichnete Songs mit melancholischer Note, wie z.B. "Matrose", "Hundeherz", "Bad Hair Day" oder die letzte Single "Helm ab zum Gebet" tragen dafür Sorge, dass Fortuna Ehrenfeld-Shows auch jenseits des Comedy-Effektes erträglich sind. Bechler hat halt erkannt, dass man zwar sich selbst nicht ernst zu nehmen braucht - seine Musik aber sehr wohl.
Natürlich geht es auf der Bühne etwas lebhafter und (s.o.) spielfreudiger zu, als auf den Konserven. Das auch, weil sich Bechler & Co. Gedanken gemacht hatten, wie man denn diese Show (bei der das Publikum ja sitzt) unterhaltungstechnisch und visuell etwas aufpimpen könnte. So waren sie auf die Idee gekommen, eine "mit purem MDMA gefüllte" Beanbag-Sitzgruppe auf der Bühne zu verteilen, ein Glitzer-Backdrop hinter dem Drumkit aufzuhängen, und das Publikum zu bitten, aufblasbare Schwimmtiere mitzubringen. "Was ist denn eigentlich da draus geworden?", fragte Bechler ins Rund, als eben genau diese Gummitiere dann - bis auf ein Ballonschwein namens Horst - nicht wirklich auftauchten. Immerhin konnte Martin Bechler so die für den Ereignisfalls versprochenen Biere dann persönlich an die Plastik-Tier Herrchen verteilen, während seine Musiker den Song "Rakete" (oder war es ein anderer?) anstimmten. Schließlich verweilte Bechler noch ein wenig vor der Bühne, schrammelte eine Art Solo daher und begab sich zum Finale dann wieder zu seinen Musikern, die sich dann zur Zugabe in eine Art Disco-Rausch spielten.
Langer Rede kurzer Sinn: Endlich wieder Live-Musik in Köln jenseits von Verzweiflungsaktionen wie Autokino-, One-On-One- oder Plexiglastrennwand-Konzerten. Bitte weiter so - möglichst lange.