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Konzert-Bericht
 
Zwischen Folk und Fröhlichkeit

Tim McMillan & Rachel Snow

Moers, Bollwerk 107
05.06.2021

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Tim McMillan & Rachel Snow
Im Bollwerk 107 in Moers haben sie zwar nicht den Bock zum Gärtner gemacht, dafür aber die Terrasse zur Bühne und den Kopfsteinpflaster-Parkplatz zum Biergarten, um nach diesen langen veranstaltungslosen Monaten zumindest unter freiem Himmel wieder Konzerte und Co. ermöglichen zu können. "Terrassenkultur" heißt die Reihe, mit der das in der alten DB-Güterhalle des Bahnhofs Moers untergebrachte Kulturzentrum - natürlich unter Einhaltung aller pandemiebedingten Auflagen, aber dennoch in entspannter Atmosphäre - in den kommenden Monaten handverlesene Künstler von nah und fern an den Niederrhein holt: Fortuna Ehrenfeld haben sich schon genauso angesagt wie Jaimi Faulkner, Love Machine oder Ingo Oschmann. Bei der Premiere wird's mit Tim McMillan und Rachel Snow aus Australien zwischen Folk und Fröhlichkeit sogar richtig international, und nicht nur, weil die beiden am Ende des Sommers ein "neues Bandmitglied" erwarten, ist der Abend - wie Bollwerk-Kulturreferent Jons Heiner zu Beginn mit einem Lachen feststellt - eine runde Sache.
Den Auftakt bestreitet dagegen ein alter Bekannter. Gregor Polzin ist nicht nur Sänger und Songwriter des Kölner Ambient-Alternative-Projekts Holocene, er war auch einige Jahre lang selbst im Bollwerk tätig. Nicht zuletzt deshalb wird er nicht müde, zwischen den Songs immer wieder die Bedeutung des Kulturzentrums für Moers und die Umgebung hervorzuheben, auch wenn er damit den Anwesenden natürlich nichts Neues verrät. Doch nicht nur seine Ansagen sind von Sendungsbewusstsein gekennzeichnet. So handelt zum Beispiel die aktuelle Single "ADA" vom oft unter den Teppich gekehrten Thema Depressionen. Melancholisch sind viele der Holocene-Lieder gestimmt, die in den Studioversionen deutlicher als live ein Faible für Post-Hardcore und Post-Rock erkennen lassen, auf der Bühne dagegen nur mit Stimme, Akustikgitarre und Jan Hoffstadts dezenter Kontrabassbegleitung bisweilen mehr in Richtung Folk-Pop deuten. Manche Songs erscheinen dabei zeitlos, andere wie aus der Zeit gefallen.
Tim McMillan und Rachel Snow fallen danach nicht aus der Zeit, sondern aus dem Rahmen. Bereits seit einigen Jahren verbringen die beiden Australier die europäischen Sommer - und dieses Mal, pandemiegedingt, erstmals auch den Winter - in Deutschland und haben seitdem mit Hunderten von Auftritten ihre eigenwillig-einzigartige Melange aus Kunst und Klamauk, Ambition und Albernheiten perfektioniert. Mit Akustikgitarre, Geige, zwei Stimmen, großer handwerklicher Virtuosität und tonnenweise Charme verstehen es die beiden ganz hervorragend, zwischen Folk, Folklore, Jazz, Klassik, Heavy Metal und Prog Rock ihr eigenes Ding namens Fingerstyle Goblincore Celtic Folk Metal zu machen - und zeigen bei den betont fröhlichen Ansagen in haarsträubendem Denglisch und mit McMillans poetischer Interpretation der deutschen Sprache, dass sie nicht nur die Songs ihres aktuellen Albums "Reveries" mit Titeln wie "Sommerflugl" (Dänisch für Schmetterling) oder "Kopfkino" gerne fantasievoll ausstaffieren. Da werden Tränen schon mal zu "Augenwasser", Bollwerk-Mitarbeiter zum "Bürgermeister" oder das Gastgeberbundesland zum "Königreich Nordrhein-Westfalen" erhoben. Klar ist dabei viel geflunkert, aber das Kopfkino ist nun mal oft spannender als die Realität.

Vielleicht, weil die zwei wissen, dass ihre oft instrumentalen Stücke, McMillans geradezu athletische Gitarrenakrobatik zwischen Modern Fingerstyle und Eddie-Van-Halen-Tapping und Snows klassische Ausbildung an der Violine ein Biergarten-Publikum trotz echter Highlights wie McMillans "Dawn" oder Snows "Balcony" über die Länge eines gesamten 80-Minuten-Konzertes überfordern würden, gibt es neben augenzwinkernden Anekdoten mitten aus dem Musikerleben - trotz eines brandneuen Tourmobils lernte Snow auf dem Weg nach Moers auf der A2 einen neuen Satz auf Deutsch: "Entschuldigung, haben Sie ein Überbrückungskabel, mein neues Auto ist kaputt" - auch ausgewählte Stücke aus fremder Feder. Dass die beiden damit genauso freigeistig umgehen. wie mit ihren eigenen, oft lautmalerischen Songs, versteht sich von selbst. Als gäbe es nichts Normaleres, folgt deshalb ein Mashup aus Melodien von Johann Sebastian Bach auf Ozzy Osbournes "Diary Of A Madman", bevor die stürmisch geforderte Zugabe mit "Raining Blood", von - kein Scherz! - Slayer endet. Herrlich eigensinnig oder äußerst unterhaltsam? Tim McMillan und Rachel Snow sind an diesem Abend ohne jeden Zweifel beides.

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Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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